Der Nachrichtensender-Check: Kuriose Dokus und Wiederholung

Was machen die Nachrichten- und Informationssender, wenn sich mal keine 30 Sondersendungen zum Grexit anbieten? Quotenmeter.de hat an einem möglichst unspektakulären Tag die Programme unter die Lupe genommen.

Der Allrounder: n-tv
Morgens bis nachmittags macht n-tv seinem Status als Nachrichtensender alle Ehre: Zehnminütige, stringente Nachrichten wechseln sich mit dem zwanzigminütigen Magazin «Telebörse» ab. Beide Formate kommen im gelackt-weiß-grauen Look daher und präsentieren einen Querschnitt an aktuellen Meldungen. Abgedeckt werden Weltpolitik, Wirtschaft und auch in kleinen, vertretbaren Dosen Bunteres. Am 23. Juli 2015 wird wiederholt davon berichtet, dass Hacker sich in den USA in das Steuerungssystem von Personenwagen einklinken. De aufwändig gestaltete Weltpremiere von «Mission: Impossible – Rogue Nation» in Wien sowie die Veröffentlichung des neuen «SPECTRE»-Trailers sorgen ebenfalls für etwas Abwechslung an einem Tag, an dem die welt- und gesellschaftsrelevanten Themen recht spröde, da überschaubar ausfallen. Die Meldungen sind prägnant und von solider Länge, die Moderatoren bemühen sich um ein seriöses Auftreten und erlauben sich nur nach den James-Bond- und «Mission: Impossible»-Beiträgen kurzes Geplänkel darüber, welches Agentenfranchise besser ist. Ab 15.20 wird das n-tv-Programm stärker durchgemischt: Ein Finanzratgeber, eine (kurzweilig und hübsch gemachte) 50-minütige Doku über die geheimen Tricks der Casinos und eine Reportage über Megakonstruktionen bestücken den Nachmittag. Am Vorabend laufen dagegen ein weiteres Ratgebermagazin und eine Doku über Flugzeugkatastrophen. Die Primetime präsentiert sich dann anspruchslos: Eine Top Ten über stinkende Tiere und eine weitere über «Tierische Kampf-Strategien» wären als kurze «Galileo»-Beiträge vielleicht nett, nicht aber als 50-minütige Dokus bei einem Nachrichtensender. Ab 22 Uhr folgt wieder eine News- und Wissensstrecke, ehe ab 23.05 Uhr «Brain Games – Teste Dein Gehirn» von National Geographics den Tag zwar etwas effektlastig, aber auch erstaunlich ausklingt.

Der Schizophrene: N24
Bis 13 Uhr ist N24 die stärker menschelnde Antwort auf n-tv: Das Studio sieht freundlicher aus, das Senderdesign setzt auf angenehmere Farbtöne und die Moderatoren moderieren die Nachrichten durchgehend, statt sie vorwiegend zu verlesen. Das auch bei n-tv nicht wegzudenkende Auto-Hacking-Thema wird mit etwas mehr Humor genommen (Nach dem Motto: „Dass es sowas gibt!“) und wenn es zu kollegialem Geplänkel kommt, wird auch mal kurz gekichert. Auch die auf beiden Sendern thematisierte Sportmeldung, dass Jamaika die USA beim Gold Cup rauskickte, wird mit mehr Staunen und Witz vermittelt. Dessen ungeachtet ist die Informativität der Nachrichtenbeiträge auf Augenhöhe mit dem, was n-tv bietet. Sobald nachmittags Dokumentationen das Sagen bei N24 übernehmen, zeigt sich der Kanal allerdings von einer völlig anderen Seite. Die Dokusoap «Die Transporter – Let's move it!» war in ihrer bemühten Lockerheit wohl zu banal für einen Sendeslot bei RTL Nitro oder DMAX und macht sich daher nun in Doppelfolgen bei N24 breit. Genauso geht das sich schnell abnutzende «Abgehoben – Die unglaublichsten Flugautos» im Doppel auf Sendung. «N24 Cassini» ist da schon eher ein Lichtblick: Wissenswertes und Kurioses aus dem Alltag, leicht zugänglich verpackt. Am 23. Juli etwa: Ein Besuch in einer Dampflockwerkstatt in Polen und ein Blick auf Schokomöbel. Ab 19.10 Uhr weiß auch «Galileo»-Konkurrent «Welt der Wunder» praktisch durchgehend zu gefallen, während man sich ab 20.05 Uhr in einem überlangen «Switch reloaded»-Sketch gefangen fühlt: Hitler, Nostradamus sowie Glaube und Kult in den USA – die Themenbreite der N24-Dokus könnte nicht klischeehafter sein. Und Nachrichten? Die sind von 13 Uhr an extrem rar gesät …

Auf der nächsten Seite widmen wir uns dem öffentlich-rechtlichen Angebot!

Der Streber: tagesschau24
N24 und n-tv lassen sich als informative Nebenherbeschallung sehr gut konsumieren: An einem relativ ereignislosen Tag laufen die Beiträge so vor sich her, wer kurz nicht aufpasst, wird den versäumten Beitrag vielleicht rund eine halbe Stunde später nochmal mitbekommen. Gleichzeitig ist alles menschlich genug gehalten, um bei längerem Konsum nicht zu anstrengend zu geraten. Dafür müssen Wissbegierige bei den Privaten auch etwas Zeit mitbringen, wollen sie einen Rundumschlag der wichtigsten News vorgesetzt bekommen. tagesschau24 ist da ganz anders: Von 9 bis 20 Uhr laufen hier kompakte, hochinformative Nachrichten im 15-Minuten-Takt. Einzig Moderatorenwechsel und vereinzelte «Tagesschau in 100 Sekunden»-Ausgaben durchbrechen die Monotonie dieser Informationsflut. Und zwar mit durch neue Stimmen oder höheres Tempo. Tonfall und Themen ändern sich kaum, neue Erkenntnisse oder vertiefende Berichte sind wegen des starren Schemas (kaum) denkbar. Wer zu einer beliebigen Uhrzeit innerhalb von 15 Minuten alles Wissenswerte erfahren möchte, ist mit tagesschau24 daher genau richtig beraten – kein Füllmaterial, keine leichtgängigen Themen und Werbung gibt es sowieso nicht. Doch schon nach 30 Minuten am Stück wird tagesschau24 während seiner Hauptschiene lästig – so eine hohe Informationsdichte erfordert Konzentration, aber wer sich konzentriert, kann bereits nach eine, 15-minütigen Ausschnitt des Programms umschalten. Ab 20.15 Uhr gibt es etwas mehr Abwechslung in Form einer etwas trockenen, aber gelungenen Mobbing-Doku und mittels Wiederholungen von «Anne Will», «Plusminus» und «Monitor», sowie einer 20 Jahre alten «Tagesschau». Dennoch: tagesschau24 ist mit seiner Dauerinformation ein Sender fürs gezielte Einschalten – und nicht für eine Dauerbeschallung.

Wissen, Bildung, Neuigkeiten: phoenix
Der Volksmund macht all zu schnell aus dem Ereignis- und Dokumentationskanal phoenix einen Nachrichtensender – dabei wird Tagespolitik auf dem gemeinschaftlichen Sender von ARD und ZDF kaum durch Nachrichtensendungen abgedeckt. Zwar zeigt er sowohl die 20.15-Uhr-«Tagesschau» als auch das «heute-journal», generell wird Relevantes aber primär durch Hintergrundberichte abgedeckt. Und, wenn der Bundestag geöffnet ist, durch die Übertragung von Parlamentsdebatten. Dem ist aktuell jedoch nicht so. Mit dem Politmagazin «Vor Ort» ist phoenix an unserem ereignisarmen Testtag dafür der einzige der gesichteten Sender, der der Griechenlandkrise stoisch noch immer prominenten Raum gibt. Die halbstündige Sendung, die sich der Grexit-Diskussion ausführlich von der griechischen Seite aus nähert, ist auch prompt informativer und erkenntnisreicher als das wochenlange Gezeter größerer Info- und Nachrichtensendungen. Ansonsten ist das phoenix-Programm am 23. Juli breit gestreut: Mit «Hannes Jaenicke: Im Einsatz für Löwen» und «Die etwas anderen Löwen» wird der Mähne tragende König der Tiere gleich doppelt behandelt, die Reportage «Europatour» verschafft facettenreiche Einblicke in das Leben, die Kultur und die gesellschaftliche Lage von Italien und Spanien. Die rbb-Rankingshow «Die 30 legendärsten Berlinbesuche» wird rasch öde, die Dokumentation «Die Elbe» ist dafür trotz 90 Minuten Länge zu keinem Moment langweilig. Die Geschichts- und Historiendokus am späteren Nachmittag sind derweil „Hit and Miss“, wie man im Englischen so schön sagt, die Primetime ist mit «V-Mann-Land», «Verräter!» und «Schweig, Verräter!» thematisch zielgerichteter, als das jeweilige Sammelsurium von n-tv und N24 – auch wenn selbst der interessierte Geist bei diesem Wissensschwall eine Verschnaufpause wünscht. Vielleicht in Form eines Berichts über US-amerikanische Auto-Hacker?
24.07.2015 09:30 Uhr  •  Sidney Schering Kurz-URL: qmde.de/79694