Eine Show, die nie aufhören wird

Im Kopf unseres Kolumnisten läuft die «Harald Schmidt Show» auch über ein Jahr nach ihrer Absetzung noch.

Hin und wieder, wenn etwas besonders Seltsames passiert, etwa wenn Sepp Blatter mit Geldscheinen beworfen wird und in seinem Schweizer Englisch die Security ruft, oder Horst Seehofer eine populistische Rede hält, nachdem ihm das Betreuungsgeld um die Ohren geflogen ist, frage ich mich, was Harald Schmidt dazu sagen würde. Also abends beim Stand-up, wenn er seine Sendung noch hätte.

„Danke, Helmut! Haben Sie die Bilder heute gesehen? Wie Sepp Blatter unter dem Dollarregen stand? Großartig. So werd‘ ich jedes Mal bei Sat.1 empfangen, wenn wieder mein Vertrag ausläuft.“

„Am Freitag läuft die letzte Folge des… Sat.1-Megahits… «Newtopia». Kennen Sie doch: Dieser Haufen ungewaschener Arbeitsloser, der in Brandenburg unter Dauerbeobachtung eine neue Zivilisation aufbauen soll und einen Millionenverlust angerichtet hat. Oder wie man im Kanzleramt sagt: Aufbau Ost.“

Gelächter. Applaus. Ein Badumm-Tss von links.

„Helmut Zerlett and the «Newtopia» Fanclub!“

Harald Schmidt ist nicht in erster Linie ein Moderator, seine Show ist nicht in erster Linie eine Show gewesen. Harald Schmidt ist ein Geisteszustand. Einer, der seinen leidenschaftlichen Zuschauern auch noch präsent ist, jetzt, da seine Show schon lange weg vom Fenster ist und man ihn nur noch hin und wieder bei «Schawinski» sieht oder im SWR-Radio hört.

Damit ist eingetreten, was Hans Hoff schon zum Ende von Schmidts Sky-Ära prophezeit hatte. Im Kopf geht die Show ewig weiter. Bissig, hämisch, eine intellektuelle Revolution gegen die anbiedernde Kleingeistigkeit, Dirty Harry als Filter zur Kommentierung des Tagesgeschehens.

Harald Schmidt hat etwas geschafft, was die Wenigsten schaffen: Seinen untrennbar mit seiner Person verbundenen Stil auch nach dem Ende seiner Show in den Köpfen präsent zu halten. Wem wird das sonst noch gelingen, an wessen Stil wird man sich einmal nicht nur nostalgisch (und allzu oft verklärend) erinnern, sondern wer ist so prägend gewesen, dass seine Haltung auch nach dem Rückzug aus dem regelmäßigen Showbetrieb präsent bleiben wird?

Wird man sich jemals fragen: Donnerwetter, was würde Markus Lanz dazu sagen? Oder Jan Böhmermann, der ja eher davon lebt, allein die Haltung zu haben, dass er keine Haltung hat? Oder: Mensch, wie hätten Joko und Klaas das in ihrem Zirkus verarbeitet?

Ohne ihnen zu nahe treten zu wollen: Nein, wohl kaum.

Aber eine Miniversion der «Harald Schmidt Show» läuft in meinem Kopf noch heute immer mal wieder ab. Und das, obwohl ich sie schon gar nicht mehr gesehen habe, als sie bei Sky lief.
24.07.2015 15:30 Uhr  •  Julian Miller Kurz-URL: qmde.de/79691