Dem Auftakt in die zweite Staffel des «Tauschkonzerts» war ein großes Streben nach Konstanz anzumerken. Die Magie des Vorjahres kam sofort wieder auf, frischen Wind vermisste man aber.
Die großen deutschen Privatsender haben sich auch im vergangenen Jahr nicht gerade mit allzu großer Risikobereitschaft bei der Entwicklung neuartiger Showformate hervorgetan. Eine der wenigen Ausnahmen war der VOX-Neustart «Sing meinen Song - Das Tauschkonzert», der mit einer ungewohnt entschleunigten und authentischen Tonalität aufwartete - und entgegen der Erwartung des Rezensenten einen großen Erfolg feiern konnte. Neben überragenden Quoten von zumeist klar über zehn Prozent in der werberelevanten Zielgruppe durften sich auch die teilnehmenden Künstler über diverse Verkaufserfolge freuen, der fast vergessene, wenn überhaupt jemals zuvor öffentlich wahrlich präsente Gregor Meyle erreichte im Zuge der Ausstrahlung gar seine höchsten Chartplatzierungen überhaupt. Für die obligatorische Fortsetzung stellte sich nun die Frage, ob man am Bestehenden festhalten oder erneut ins Risiko gehen wollte. Man hat sich weitgehend für erstere Variante entschieden.
Der neue Cast von «Sing meinen Song» überzeugt auf Anhieb durch musikalische Vielfalt und eine gute Interaktion.
Dieser Mangel an konzeptionell forcierten Spannungselementen wie Punktevergaben, Ausscheidungsrunden und den generellen Anspruch, die dargebotenen Performances in gut und schlecht einzuordnen, verschafft dem Format eine gewisse Eigenständigkeit. Man hat als Zuschauer das Gefühl, sich den Darbietungen der Musiker hingeben zu können, ohne ein Werturteil treffen zu müssen. Man mag die Harmonie bemängeln, mag den Eindruck gewinnen, die Show sei nicht mehr als ein ritualisiertes Speichellecken des musikalischen Establishments. Auf der anderen Seite erlebt man hier auch die gegenseitige Freude an der Musik und deren Vielfalt, was das Fernsehen in seinem Casting-Wahn der vergangenen 15 Jahre kaum vermittelt hat. Und spätestens wenn Daniel Wirtz aus der von Yvonne Catterfeld gesungenen Bohlen-Schmonzette "Du hast mein Herz gebrochen" ein gut hörbares Rockstück macht, erweitert es auch das Bewusstsein des Durchschnittszuschauers dafür, dass Musik tatsächlich auch über vermeintlich unüberwindbare Genre-Grenzen hinweg berührt.
Als große Gewinnerin der Auftaktfolge geht Yvonne Catterfeld hervor, deren musikalisches Repertoire im Mittelpunkt des Interesses steht. Dabei ist nicht nur angenehm, wie reflektiert sie ihren eigenen Werdegang beschreibt und wie offen sie sich zu ihrer Naivität zur Zeit von "Für dich" und "Du hast mein Herz gebrochen" bekennt. Sie stellt darüber hinaus mit einem schönen und erwachsenen Auftritt ihrer neuen Single ("Lieber so") unter Beweis, dass sie in der Tat auch anspruchsvollere deutsche Popmusik abliefern kann als die bohlesken Kitschmonster der Vergangenheit. Catterfeld-Fans dürfte dies nicht überraschen, die breitere Masse hingegen schon eher. Und nebenbei eignet sich die Show natürlich auch exzellent zur Eigenvermarktung.