Die Kritiker: «Zwei allein»

«Zwei allein» beginnt wie ein Krimi, doch dann offenbart sich ein emotional komplexes Drama über Trauerbewältigung und Verlustängste.

Cast und Crew

  • Regie: Stephan Wagner
  • Darsteller: Elmar Wepper, Johanna Bittenbinder, Gundi Ellert, Rufus Beck und Simon Licht
  • Drehbuch: Friedrich Ani
  • Kamera: Thomas Benesch
  • Szenenbild: Josef Sanktjohanser
  • Schnitt: Gunnar Wanne-Eickel
  • Musik: Irmin Schmidt
Die Schuhverkäuferin Henriette und der Busfahrer Benedikt genießen ihr Leben in vollen Zügen, lassen sich ihr Alter keinesfalls anmerken: Nächtens streifen sie lachend, sich umschlingend und eindeutig mit ein paar Bier zu viel intus durch München, kapern dabei sogar einen Linienbus. Ihre Glückseligkeit ist so überbordend, dass es fast schon weh tut: Gundi Ellerts füllig-quietschendes Lachen schneidet sich in die Gehörgänge des Zuschauers und Elmar Weppers Gesichtsausdruck, während er angetrunken durch die weiß-blaue Großstadt düst, wirkt einfach drüber. «Zwei allein» an diesem Punkt bereits aufzugeben wäre allerdings vorschnell. Nicht nur weil Stephan Wagners Neunzigminüter wenige Minuten nach dem tösenden Auftakt zu einem melancholischen Drama mit nuancierten Darstellungen wird, sondern auch, da sich die aufgesetzte Fröhlichkeit der ersten Minuten rückblickend erklärt.

Denn eines anderen Tages wird Henriette vor den Augen ihrer Schwester Gerlinde auf offener Straße erschossen – ein Raubmörder kreuzte ihren Weg. Zunächst erweckt es den Anschein, Drehbuchautor Friedrich Ani erzähle nunmehr einen Krimi, nehme die Tätersuche in den Fokus. Aber es braucht nur wenige Szenen, um zu verdeutlichen: Es geht darum, anhand der Reaktionen der Hinterbliebenen und deren Erinnerungen an Henriette das Bild einer Ehe zu zeichnen. Diese sind motivisch aneinandergereiht:

Henri und Benedikt waren lange ein sehr glückliches, glaubhaft eng zusammengewachsenes Paar, was Wepper und Ellert mit ungezwungenem, bodenständigem Spiel aufzeigen. Dann aber kommt der Moment, an dem die Eheleute erfahren, dass Henriette an Krebs erkrankt ist. Und die Gefühle zwischen ihnen werden extremer – erzwungene Momente der Freude. Stille Augenblicke zeugen nicht mehr von einem umfassenden Verständnis, das sie füreinander aufbringen, sondern von schmerzvoller Sprachlosigkeit. Und dann kommt hinzu, dass sich aus der Zweierdynamik eine neue Konstellation entwickelt: Henriette glaubt, mit ihrem Mann nicht über ihr Leid sprechen zu können, öffnet sich daher verstärkt ihrer Schwester und sucht zudem Rat bei einem Pfarrer. Benedikt verkraftet diese Änderung denkbar schlecht – und Wepper gelingt es, der fadenscheinig geskripteten Eifersucht seiner Figur Dimension zu verleihen.

Der Schauspielveteran zeigt durch ruhige, leidvolle Blicke auf, dass Benedikt Angst hat, dass er die wenige verbliebene Zeit mit seiner Gattin nicht voll auskosten kann. Und verliert sich daher in diese offensive Eifersucht. Welche, wie die meisten Gefühle in diesem Fernsehfilm, nicht zerredet wird. Stattdessen hält die Regie sowohl auf die Gesichter der Darsteller, als auch auf die von Thomas Benesch meisterlich ausgeleuchteten Schauplätze, die Bände sprechen. Wenn Benedikt mit Gott hadert, stechen die zahlreichen Kirchtürme Münchens bedrohlich hervor, wenn er sich an seine glücklichen Jahre mit Henriette zurückerinnert, sieht die bayerische Landeshauptstadt dagegen wieder aus wie „das größte Dorf der Welt“, mit satten Grünflächen und uriger Gemütlichkeit.

Der im letzten Drittel wieder an Gewicht gewinnende Kriminal-Subplot unterstreicht das Thema der Trauberbewältigung vielleicht etwas zu kräftig, genauso, wie Weppers im Mittelteil des Films so exzellentes Spiel in den abschließenden Minuten drehbuchbedingt zudringliche Formen annimmt. Trotzdem ist «Zwei allein» ein emotional komplexes, atypisch aufgebautes Drama über Liebesunglück und Todestrauer – und daher einen Blick wert.

«Zwei allein» ist am Montag, den 11. Mai 2015, im ZDF ab 20.15 Uhr zu sehen.
10.05.2015 12:00 Uhr  •  Sidney Schering Kurz-URL: qmde.de/78134