Lester Mordue: 'Intelligentes Entertainment ist in Europa verbreiteter'

Wir sprachen mit dem Leiter der PromaxBDA Europe Conference für Design, Marketing und Promotion über herausragende Medienprodukte, die Herausforderungen der Branche und die Unterschiede zwischen den USA und Europa.

Zur Person: Lester Mordue

Der Londoner Lester Mordue ist Leiter der PromaxBDA-Konferenz in Europa. Nach einem Abschluss in Journalismus am London College of Printing, arbeitete er zwischen 1994 und 2003 unter anderem als Head of Programming bei MTV, ab Dezember 2003 engagierte er sich als Head of Music Channels bei BSkyB, bevor er 2004 als Creative Director zu Discovery wechselte. Es folgten weitere Engagements, darunter seine fast zweieinhalbjährige Arbeit als Creative Director für Walt Disney, bevor er im September 2014 seinen aktuellen Job antrat.
Mr. Mordue, Sie sind der Leiter der PromaxBDA Europe Conference, die besondere Leistungen in Design, Marketing und Promotion auszeichnet. Geben Sie unseren Lesern bitte eine kurze Beschreibung davon, wie die Award-Gewinner ausgezeichnet werden.
Nun, wir fragen nach Einreichungen, die Personen und Unternehmen in den Wettbewerb verschiedener Kategorien einsenden können. Alle Kategorien wurden vergangenen Herbst veröffentlicht. Wie es bei herkömmlichen Preisverleihungen ist, wo zum Beispiel Awards für “Best Actor”, “Best Director” und sonstiges verliehen werden, so läuft es auch bei uns ab. Bei den Promax-Awards werden jedoch Auszeichnungen für “Best Promo”, “Best Animation”, “Best Use of Sound” und solche Dinge verliehen. Interessierte sehen sich diese Kategorien an und treten dort an, wo sie denken, dass sie Promax-Gold gewinnen können. Diesjährigen Januar haben wir alle Eintragungen gesammelt, die bis zum Jahresende eingereicht wurden – das waren so um die 2000, was natürlich eine Menge zum Anschauen war (lacht). Später mussten wir die besten Regisseure, die besten Leute im Animations-Bereich, die besten Cutter, die besten Marketing-Leute und die besten Produzenten rekrutieren, damit sie die Finalisten bewerten.

Wir haben die Arbeit in drei europäische Territorien aufgeteilt, denn wir wollten die europäischen Einreichungen so fair wie möglich behandeln und sichergehen, dass der Wettbewerb in Bezug auf die verschiedenen Geschmäcker und verschiedenen Fähigkeiten, die uns aus den Regionen vorlagen, ausbalanciert ist. Eine Gruppe saß in London und sah sich einige der Arbeiten an, eine andere Gruppe in München sah sich weitere Produkte in den Büros von ProSiebenan und eine dritte Gruppe tat das gleiche bei Sky Italia in Mailand. Es befanden sich je zwölf Personen in einem Raum und an jeder Location gab es zwei Räume dafür. Daraufhin entschieden sie, welche Einreichungen zum allerletzten “Final Look” in Amsterdam geschickt werden sollten, der eine Woche spatter vonstatten ging.

In London kamen zum Beispiel Leute aus der Schweiz, aus Deutschland, Frankreich, Schweden, Großbritannien und den Niederlanden. Das gleiche galt für die anderen Locations. Es war jeweils ein wirklich balancierter Mix von Leuten, die aus allen europäischen Territorien stammen. Als wir dann erstmal in Amsterdam waren, hatten wir nur noch eine recht kurze Liste, die wir abarbeiten mussten – das waren die Finalisten. Ich arbeite nun schon seit etwa 20 Jahren im Fernsehgeschäft, daher wusste ich, wo ich die besten Juroren zur Bewertung finden konnte. Die Entscheidungen der Juroren werden schließlich am Dienstagabend, dem 24.März, bekannt gegeben.

Hört sich nach einem komplizierten Verfahren an.
Das stimmt, es ist ziemlich kompliziert. Aber ich finde, es ist sehr wichtig, dass wir die Entscheidung nicht allen Internetnutzern in Form von Online-Abstimmungen überließen und dass wir nicht die Territorien für sich alleine abstimmen ließen. Europa ist zwar ein großes Ganzes, aber innerhalb dessen sind wir sehr unterschiedlich. Diese Balance an Juroren unterschiedlicher Herkunft war von großer Bedeutung, sonst wären wir zu völlig anderen Ergebnissen gekommen. Es war zwar kompliziert und zeitaufwendig, aber ich denke, das war es wert.

Welche Eigenschaften muss ein Produkt vereinen, um einen Promax-Award zu gewinnen?

Die Konferenz

Quotenmeter.de mit offizieller Medienpartner der PromaxBDA Konferenz, die am Montag und Dienstag in Berlin stattfindet. Kommende Woche finden Sie ausführliche Hintergrundstorys und Berichte über die Ereignisse in der Hauptstadt.
Sie werden in jeder Kategorie anhand zweier Ebenen bewertet. Eine Ebene bezieht sich auf die kreative und künstlerische Leistung. Dabei werden Personen mit Produkten ausgezeichnet, die entweder wunderschön sind, die es schafften außerordentlich viel Aufmerksamkeit zu erregen oder die etwas abbilden, was man noch nie zuvor gesehen hat. Sollte dieses Produkt künstlerisch oder designtechnisch herausragen, wird es in diesem Bereich eine hohe Punktzahl bekommen. Die andere Kategorie bezieht sich auf die Nachricht des Produkts und ihre Marketingleistung. Jeder Juror hat ein iPad, das auf der linken Seite eine rote Leiste zeigt und auf der rechten Seite eine grüne. 50 Punkte ist die höchste Punktzahl, die ein Produkt in beiden Kategorien erreichen kann und die Jury bewertet Design und Marketing getrennt voneinander.

Dieses Bewertungssystem wird unserer Branche gerecht, denn zum einen muss ein Produkt die Konsumenten unterhalten und beeindrucken, zum anderen muss die Nachricht vom Konsumenten verstanden werden. Man wird sehr oft, ob im Kino, Fernsehen oder online, mit verschiedenen Werbemessages konfrontiert, einige prägt man sich jedoch besser ein als andere. Warum ist das so? Manche Produkte sind toll designt, aber nicht verständlich. Man sagt sich: „Das sah wirklich toll aus. Aber um was ging es eigentlich?“

Ein solches Produkt würde eine Null beim Marketing bekommen, aber eine hohe Punktzahl in puncto Design. Wenn man in beiden Kategorien eine hohe Punktzahl erreicht, dann hat man die magische Formel gefunden, nach der jeder sucht. Player in dieser Branche wollen, dass Leute über ihr Produkt reden und sich daran erinnern – sie wollen Leute an ihrem Produkt teilhaben lassen. In der heutigen Gesellschaft ist diese Teilhabe und die Präsenz auf allen medialen Plattformen ungemein wichtig. Wir leben in einer Zeit, in der wir mehr Botschaften erhalten als jemals zuvor, deshalb war es noch nie so wichtig zu verstehen, was eine gute Botschaft ausmacht. Das wirkt sich positiv auf deine Macht und den Respekt aus, die einer Marke zuteilwerden, auf der anderen Seite macht es dein Unternehmen erreichbar und begehrenswert. Menschen müssen hören wollen, was du ihnen zu sagen hast. Das ist eine sehr schwierige Aufgabe.

Welches Medienprodukt hat in der Vergangenheit diesbezüglich Ihrer Meinung nach alles richtig gemacht?
Man kann die Macht guter Markenbildung und guter Nachrichtenvermittlung nicht leugnen. Schauen Sie sich eine Marke wie Apple an, zum Beispiel. Apple ist wohl eine der am meisten respektierten Marken zurzeit und auch eine der erfolgreichsten. Das gleiche gilt für Disney. Eines der beiden Unternehmen existiert bereits seit 75 Jahren, das andere nur etwa 20 bis 30 Jahre. Das ist interessant, weil beide Unternehmen unterschiedliche Wege nutzen, um ihre Produkte zu bewerben. Apple bewirbt die Nutzung verschiedenster Produkte – sehr einfach, sehr direkt und toll designed. Ihre Produkte sind toll anzuschauen und vermitteln eine meist sehr menschliche Botschaft, sie geben dir sehr einfache Informationen und trotzdem sind ihre Computer und andere Gerätschaften eigentlich recht kompliziert. Normalerweise sind das an sich keine Dinge, die du wirklich begehrst in deinem Leben zu haben, sie lassen sie jedoch so großartig aussehen, dass du sie doch in deinem Leben willst. Es ist die Kraft des Marketings und des Designs. Wenn man ein Apple-Geschäft betritt, drängen sie nicht, dir ihre Produkte näher zu bringen, aber es sieht alles sehr einfach aus. Apple ist sehr bewandert darin, zu wissen, was Menschen wollen. Letzten Endes sind solche Technologien dazu da, um das Leben einfacher und angenehmer zu machen – davon haben sie ein gutes Verständnis.

Ist es heutzutage überhaupt möglich, dass beispielsweise Fernsehserien Erfolg haben, deren Marketing und Design schlecht sind? Oder andersherum: Ist es möglich, dass qualitativ schwache Formate Erfolg haben, wenn sie gute Marketing-Strategien anwenden oder ein tolles Design haben?
Ich habe bereits für Discovery, Sky und Disney gearbeitet und ich weiß, dass die Kraft einer guten Marketingkampagne noch immer das beste Mittel darstellt, um ein Produkt zu bewerben. Social Media spielt dabei eine wichtige Rolle, allerdings ist das auch etwas, das man nur schwer kontrollieren kann - dort liegt die Macht noch beim Volk. Hoffentlich wird das noch lange so sein, denn die Leute werden letzten Endes selbst entscheiden können, ob sie etwas mögen oder nicht. Ich denke es gibt und wird immer eine Menge Beispiele für erfolgreiche Fernsehserien mit einer guten Werbestrategie geben.

Leute wollen immer, immer, immer einen guten Charakter und eine gute Story. Das ist ein Evergreen und wird sich immer halten. Disney kann dir davon ein Lied singen. Sie wissen, dass ein guter Charakter und eine gute Geschichte die Grundpfeiler ihres Unternehmens sind. Warum kaufte Walt Disney zu seinen Lebzeiten so viele Geschichten? Er zog los und verhandelte über Geschichten wie „Cinderella“ und all die anderen Stories, die das Potenzial hatten, zu globalen Hits zu werden.
Lester Mordue
Julian Fellowes wird auf der Konferenz über ein Format mit dem Namen «Downton Abbey» reden. Vor nicht allzu langer Zeit hätten die Leute gesagt: „Du willst eine Show namens «Downton Abbey» über ein komisches englisches Haus entwickeln, in dem unten die Diener leben und oben die Reichen? Und du denkst, die Leute werden wöchentlich eine Stunde dafür aufwenden, sich das anzuschauen?“ (lacht) Vor ein paar Jahren hätte man dich dafür ausgelacht, wenn du ihnen erzählt hättest, dass so etwas ein weltweiter Hit werden wird. Damals dachte man, die Leute wollen nur Dinge sehen, zu denen sie sofort und immer Zugang haben, das sie auf YouTube oder woanders anschauen können und nicht ein Format, das eine Geschichte langsam und geduldig erzählt. Diese Personen haben das Wesentliche nicht begriffen. Leute wollen immer, immer, immer einen guten Charakter und eine gute Story. Das ist ein Evergreen und wird sich immer halten. Disney kann dir davon ein Lied singen. Sie wissen, dass ein guter Charakter und eine gute Geschichte die Grundpfeiler ihres Unternehmens sind. Warum kaufte Walt Disney zu seinen Lebzeiten so viele Geschichten? Er zog los und verhandelte über Geschichten wie „Cinderella“ und all die anderen Stories, die das Potenzial hatten, zu globalen Hits zu werden. Darauf haben sie ein Geschäft aufgebaut. Sie haben erkannt, dass Leute immer am Leben anderer und ihren guten Geschichten interessiert sein werden. Solange man so etwas anständig bewirbt und solange man eine Strategie anwendet, die den Leuten eine Geschichte zugänglich macht und sie relevant werden lässt, wird man Erfolg haben.

Leute wollen unterhalten werden. Besonders hier im Vereinigten Königreich gibt es eine Menge Live-Shows und eine Menge an Samstagabend-Shows, die sich sehr gut schlagen, weil sie von den Geschichten anderer Menschen erzählen, die beispielsweise lernen zu singen. Sie ziehen 15 bis 20 Millionen Zuschauer an – das sind großartige Zahlen. Viele Menschen sagen: „Fernsehen ist tot“ oder „Fernsehen ist nicht mehr das, was es mal war“ und so weiter. Ich glaube das nicht wirklich, denn wenn man sich die Zahlen anschaut, sieht man dass die Leute sich immer noch Fernsehen anschauen, wenn sie Lust dazu haben. Nicht mehr nur linear, sondern vielleicht online oder aufgezeichnet. Es ist nicht so, dass sich die Menschen vom Fernsehen abwenden, sie bekommen lediglich mehr Möglichkeiten, wo sie etwas anschauen und was sie wollen. In der Werbung geht es nun darum, sich nicht mehr nur auf das Fernsehen zu beschränken, sondern auch online eine Präsenz zu haben sowie eine Social Media- oder eine Radio-Strategie – einfach auf allen Plattformen, die wir kennen. Wir erinnern uns, wie vor einiger Zeit viele Menschen sagten, dass bald keiner mehr Zeitungen liest, da das Radio erfunden wurde. Als dann der Fernseher populär wurde, prophezeite man, dass niemand mehr Radio hören werde. Später sagte man: „Niemand wird sich mehr für das Fernsehen interessieren, wir haben jetzt das Internet!“ (lacht) Das ist Quatsch.

Lasst euch von solchen Diskussionen keine Angst einjagen. Meine Kinder, meine Frau, alle meine Freunde und ich hören immer noch Radio, lesen noch immer Zeitungen, schauen noch immer Fernsehen und gehen online. Der Inhalt bleibt der gleiche, es kommt immer nur auf die Geschichte, ihre Charaktere und deren Promotion an.

Lesen Sie auf der nächsten Seite Lester Mordues Meinungen über die Wichtigkeit des Informationenaustauschs in der Branche, die Unterschiede zwischen den USA und Deutschland und die wichtigsten Tipps für Erfolg in Marketing, Promotion und Design

Die PromaxBDA-Awards sind der einzige Wettbewerb, der Leistungen in Marketing und Design auszeichnet. Denken Sie, große internationale Preisverleihungen, zum Beispiel die ‚Golden Globes‘, sollten in derartigen Kategorien auch Preise vergeben und werden Sie es vielleicht irgendwann in der Zukunft?
Das frage ich mich auch, eine gute Frage. Es ist unbestritten, dass Leute die Kinos oft aufgrund der Kraft eines einzelnen Bildes, eines einzigen Charakters oder anderen Details aufsuchen. Ich habe bereits wirklich herausragende Filmkampagnen gesehen für Produktionen aller Art und ich denke, sie verdienen Anerkennung.

Ein wichtiger Teil der Promax-Konferenz sind auch Reden und Panel-Diskussionen. Warum denken Sie, ist es vor allem in dieser Branche wichtig, dass Player Informationen und Gedanken austauschen?
Vor allem wegen der Fragmentierung. Wir leben in einer Zeit, in der es nie angenehmer war, ein Konsument zu sein. Du kannst das bekommen, was du willst, wann du es willst. Das ist genial. Du kannst Satellitenfernsehen und Kabelfernsehen beziehen, dich nur auf frei empfangbare Inhalte oder Internet-Fernsehen beschränken und ganz viele andere Dinge. Man hat eine riesige Auswahl an Möglichkeiten. Werbetreibende, Rundfunkbetreiber und Content Creator fühlen das Bedürfnis, angesichts dieser Möglichkeiten immer einen Schritt voraus zu sein und die Zukunft vorherzusagen.

Um in dieser Branche am Leben zu bleiben, musst du mit Informationen ausgerüstet sein, die dich über die Entwicklungen der nächsten Jahre auf dem neuesten Stand halten. Viele Personen werden auf die Nase fallen, wenn sie sich nicht an den richtigen Gesprächen diesbezüglich beteiligen, sie werden sich mit irrelevanten Dingen auseinandersetzen oder schlecht vorbereitet sein für neue Technologien, Strategien und modernes Marketing. Das Marketing diversifiziert sich: Die alten Tage, als man einfach einen 30-Sekunden-Spot im Fernsehen oder eine Anzeige in einer Zeitung schaltete, existieren immer noch, aber das ist nicht mehr das einzige, was man machen kann. Man muss einen Dialog mit seinem Publikum führen, relevanter für sie sein und ihnen mehr geben, als sie früher bekamen, denn jeder gibt und gibt und gibt die ganze Zeit. Zudem sollte man sich genau darüber Gedanken machen, was man bewirbt. Peter Rupert, mit dem ich bei MTV zusammenarbeitete, wird eine Rede über ‚Growth Hacking‘ halten, in der er von der Teilhabe der Konsumenten im Internet und in den sozialen Medien erzählt und wie man Hits außerhalb des Fernsehens schafft. Das sind Themen, über die sich Rundfunkbetreiber derzeit informieren wollen, um ihr Publikum besser zu erreichen. Wir dürfen auch die Netflix- und Amazon-Plattformen, TV-Previews oder Pay-TV nicht vergessen. In fünf Jahren wird sich alles nur noch um Planen und Auswerten drehen - und darum, dass man sein Budget zur rechten Zeit in die richtigen Dinge investiert.

Sie haben bereits erwähnt, dass sich die Medienwelt in einem ständigen Wandel befindet. Was waren denn die wichtigsten Veränderungen in den vergangenen zehn Jahren, an die sich die Branche anpassen musste?
Lassen Sie uns mal zurückblicken. Wenn Wir drehen die Zeit um zehn Jahre zurück, auf 2005. Ich denke zu dieser Zeit haben die Einnahmen des Satellitenfernsehens ihren Höhepunkt erreicht. Auch immer mehr Kabelbetreiber klopften bei einem an die Tür und boten dir Multi-Channel-TV an. Das war’s aber auch schon, denn das Internet war im Vergleich zu heute immer noch relativ klein, genauso wie Fernsehen über das Internet. Personen, die Apple TV besaßen, hielten sich zu dieser Zeit für absolute Vorreiter. In England sagen wir: ‚From small acorns does a mighty oak tree grow‘. Wir beide haben miterlebt, dass alle diese Internet-Plattformen, die wir nicht kommen sehen haben, zum Beispiel Netflix, unheimlich stark gewachsen sind.

YouTube war damals so ziemlich der einzige Player in diesem Bereich und ist heute immer noch einer der dominanten Player. Aber schauen Sie mal, wie viele Rundfunkbetreiber seitdem ihre eigenen Channel auf YouTube gelauncht haben. Sie sind sehr viel klüger geworden, denn sie haben bemerkt: Wenn sie nicht auf YouTube sind und dort ihre Produkte bewerben, werden ihre Marktanteile und ihre Relevanz bei der Generation Z abnehmen, den ‚Digital Natives‘. Wenn du in deinen 30ern oder 40ern bist, dann siehst du ganz deutlich den Unterschied zu früher. Falls du aber in den vergangenen zehn Jahren aufgewachsen bist, dann bemerkst du es nicht einmal, denn du bist schon die ganze Zeit online und kriegst, was du willst und wann du es willst.

Gibt es Ihrer Meinung nach signifikante Unterschiede zwischen der Industrie in Nordamerika und der in Europa. Falls ja, können Sie diese benennen?
Die Amerikaner sind sehr daran gewöhnt, dass ihnen Dinge verkauft werden. Sie sind Experten im Verkauf. Alles ist eine Show in den USA, sogar die News (lacht). Wir beide wissen, dass wir Europäer auf die Amerikaner schauen und sehen, dass sie fantastische Schausteller sind und exzellent im Marketing. Sie verkaufen dir mühelos ein Auto, einen Fernseher oder einen Anzug – darin sind sie sehr gut. Die Spots in den USA geben den Zuschauern ein sehr gutes Verständnis davon, was sie erhalten werden, wenn sie das dargestellte Produkt kaufen. Sie zielen direkt aufs Herz des Zuschauers.

Europäische Werbung wird oft weniger direkt gestaltet, die Spots sind oft gerissener. Sie haben auch sehr viel mehr Auswahl - allein durch den Fakt, dass Europa so viele verschiedene Sprachen, Kulturen und Charakteristika besitzt, haben wir bereits einen Vorteil. Wir beziehen mehr Facetten in unsere Werbung ein und gehen etwas tiefer, anstatt nur die harten, funktionalen Fakten rund um das Produkt zu präsentieren. Wir sind oft ein wenig cleverer, ich denke das sieht man anhand vieler Spots der Promax-Arbeiten. Intelligentes Entertainment ist in Europa verbreiteter. Sehr viel öfter verwenden wir in Europa Darstellungen, die zum Nachdenken anregen, auch noch lange nachdem man den Spot gesehen hat.

Wenn ich meine amerikanischen Gegenstücke beobachte, dann sehe ich, dass sie sehr lustig, aggressiv, straight, direkt und oft auch auffallend und grell arbeiten. Viele Leute stören sich an dieser ständig gut gelaunten Art. Auf der anderen Seite habe ich den Eindruck, dass sich die Kultur in den USA wandelt. Ich sehe immer weniger von der gerade beschriebenen Vorgehensweise, mehr Selbstironie und einen Sinn für Humor, der dem europäischen Humor näherkommt. Immer mehr Europäer schauen daher amerikanische Fernsehserien, auch Late-Night-Shows, und finden Gefallen an deren Humor. Auf der anderen Seite halten immer mehr britische und europäische Formate Einzug in den USA. Ich denke, es läuft immer mehr auf eine Welt heraus, in der wir zusammen Spaß an unseren Unterschieden haben, anstatt getrennt voneinander.

Sie waren Creative Director bei Discovery und Disney und als Leiter der Promax-Konferenz in Europa haben Sie sicherlich schon viele Ratschläge von Leuten aus der Branche gehört. Was sind die wichtigsten Tipps, die sie anderen Playern in der Industrie geben können in Bezug auf Design, Promotion und Marketing?
Die Promax-Organisation hat schon immer für Spitzenleistungen in Promotion und Marketing von Inhalten gestanden. Ich bin von Anfang an Mitglied und die zwei Tage auf der Konferenz haben mich für das kommende Jahr immer besser, smarter und schneller gemacht und mich inspiriert. Dadurch fiel es mir leichter, mich mit der Zukunft auseinanderzusetzen. Es gibt keine andere Organisation, die mehr Einfluss auf meine Karriere hatte, deshalb arbeite ich heute auch für sie. Sie denken wahrscheinlich, ich erzähle Ihnen Quatsch, aber das ist mein Ernst. Die kreativen und strategischen Köpfe, die die Konferenz besuchen, sind einmalig. Wir arbeiten in einer Umgebung, die womöglich die anspruchsvollste, härteste, kreativste und unterhaltsamste Arbeitsumgebung darstellt. Jeder liebt es, im Fernsehen zu arbeiten, jeder liebt Filme, jeder liebt schöne Geschichten und jeder will wissen, was in dieser Branche vor sich geht und daran teilhaben.

Bei Promax geben wir Tipps, wie man es besser machen kann, wie man sein Geld klüger einsetzen kann. Wir sind alle miteinander verbunden, ob wir es wollen oder nicht. Es gibt oft einen Zeitgeist, Nachrichten oder Kunstformen, die es scheinbar schaffen, Menschen zu verbinden. Content Promotion und Marketing befindet sich an der Schnittstelle zwischen Kreativität und harten Zahlen. Wir haben einen Business Drive, der uns die finanziellen Ansprüche diktiert, zur gleichen Zeit muss die kreative Seite in Einklang mit diesen Vorgaben gebracht werden. Die kreative und die geschäftliche Seite eines Unternehmens müssen in den Dialog treten und sich die Fragen stellen: Wie können wir dieses Produkt verkaufen? Wie können wir den Menschen vermitteln, was wir da verkaufen? Wie wird es so verstanden und angenommen, dass Leute nicht nur das Gefühl haben, es wird ihnen etwas verkauft, sondern dass die Leute es von sich aus wollen. Letzteres verwirklicht die kreative Seite. Wir alle sehen gern schöne Dinge und hören gerne gute Geschichten, egal ob sie überraschend, schockierend oder sexy sind. Wenn sie alles davon vereinen, dann umso besser (lacht).

Alle Personen, die im Marketing arbeiten, sollten sich an eines erinnern: Ein Produkt mit einer Persönlichkeit ist eine Marke. Wenn du eine Marke hast, dann schaffst du es am Leben zu bleiben in diesem Spiel. Es ist daher ungemein wichtig, dass die Leute zusammenkommen, um ihr Produkt besser zu verstehen, damit sie die Persönlichkeit ihres Produkts zum Verkauf einsetzen können.

Danke für das Interview.
22.03.2015 11:23 Uhr  •  Timo Nöthling Kurz-URL: qmde.de/77016