Popcorn und Rollenwechsel: Wenn du denkst, es geht nicht mehr …

… kommt irgendwo ein Sequel her. Oder eine risikoarme Aufragsarbeit.

Regisseur Neill Blomkamp macht einen Sturzflug: Nach Start seines Langfilmdebüts «District 9» von vielen Filmkennern als brillant gefeiert, versetzte bereits die lauwarme Reaktion auf «Elysium» seinem Ansehen einen Dämpfer. Mit seiner dritten dystopischen Kinoarbeit hätte Blomkamp beweisen können, dass die 'Arm gegen Reich'-Actionparabel nur ein Ausrutscher war. Doch das Gegenteil ist eingetreten: «Chappie» wurde von den meisten Kritikern bestenfalls als Enttäuschung aufgenommen (siehe auch unsere Filmbesprechung) und in den USA unterbot er mit einem Startwochenende von 13,30 Millionen Dollar die eh schon bescheidenen Prognosen. In Deutschland wurden zum Start knapp 85.000 Eintrittskarten verkauft, womit er nicht einmal in den Top Fünf der Kinocharts einsieg - «Elysium» dagegen krallte sich 2013 mit rund 300.000 Interessenten immerhin noch die Pole Position.

Eines der ärgsten Probleme der zwei «District 9»-Nachfolgeprojekte ist, dass Blomkamp sich an diversen Bildern und Grundideen aufhängt, es aber versäumt, sie mit ansprechenden Figuren und einer fesselnden, durchdachten Story zu untermauern. Zur Ehrenrettung des Südafrikaners muss man jedoch sagen, dass er sich seines Makels bewusst ist, wie er im Interview mit Uproxx klar macht. Dessen ungeachtet hat der einst lautstark umfeierte Filmemacher nun zwei wenig geliebte Werke in seiner Vita stehen, was den Erfolgsdruck, der auf seinem nächsten Projekt lastet, außerordentlich erhöhen dürfte. Bislang ist davon die Rede, dass Blomkamp schon bald einen neuen «Alien»-Film in Angriff nimmt – vorausgesetzt, dass Fox aufgrund der schwachen «Chappie»-Zahlen nicht das Vertrauen in Blomkamp verliert. Einen Plan B hätte der 35-Jährige jedoch: Gegenüber IGN sagte er neulich, dass er eine Idee für eine «District 9»-Fortsetzung hat. Er führt fort: „Ich möchte sie auch unbedingt umsetzen, ich muss nur den richtigen Zeitpunkt dafür finden.“

Obwohl Blomkamp meint, dass er nach drei in Johannesburg verorteten Filmen direkt nacheinander erst einmal in andere Welten abtauchen will, könnte «District 10» rascher kommen, als es in besagtem Interview noch dargestellt wird. Zumindest lehrt uns dies die Erfahrung: Wenn Regisseure tief fallen, übernehmen sie nämlich oftmals Fortsetzungen ihrer Hits oder sie dienen als reine Auftragsfilmer. Nach einer Reihe von Fehlschlägen setzten die Farrelly-Brüder beispielsweise plötzlich doch die lange aufgeschobene Fortsetzung von «Dumm und dümmer» um, Robert Schwenkte lässt auf den gefloppten «R.I.P.D.» die nächsten «Divergent»-Filme folgen und Andrew Stanton, dessen Siegeszug nach «Findet Nemo» und «WALL·E» durch «John Carter» gestoppt wurde, macht als nächstes ein «Findet Nemo»-Sequel.

Es ist sogar so, dass in Hollywood Studiobosse sich förmlich auf Regisseure stürzen, die einst erfolgreich waren und dann ins Stolpern gerieten. Quentin Tarantino etwa berichtete in einem ausführlichen Interview: „Nachdem «Grindhouse» floppte, bekam ich richtig aggressive Angebote für große Hollywoodprojekte. Und ich ahnte, was der Gedanke dahinter war: Die Studios dachten, ich sei unsicher geworden und würde diesen Gebote annehmen, um wieder fest im Sattel zu sitzen.“ Tarantino aber lehnte Filme wie «Green Lantern» ab, um aus Trotz endlich sein «Inglourious Basterds»-Skript zu vollenden.

Insofern: Wer weiß? Vielleicht geht Blomkamp in absehbarer Zukunft den Weg des geringsten Widerstandes und wird zum Ja-Sager, zu einem Auftragsfilmer, der von früherem Glanze lebt. Oder er macht einen auf Tarantino und haut bald ein ganz eigensinniges, geniales Werk raus. Immerhin sieht Blomkamp sich selbst nicht als Regisseur, sondern als Künstler, der sich in der höchsten aller Kunstformen betätigt. Wer solch ein Selbstbild hat, müsste doch die Kraft aufbringen, sich wieder aufzurappeln ..?
09.03.2015 07:35 Uhr  •  Sidney Schering Kurz-URL: qmde.de/76807