In der Selbstdarstellung um Tiefgang bemüht, ist «Deutschlands schönste Frau» in seiner Umsetzung letztlich doch nur eine weitere oberflächliche und substanzarme TV-Standardrezeptur.
Es gehört zum Grundprinzip von Werbung, jedes Produkt so anzupreisen, dass es besonders attraktiv auf potenzielle Abnehmer wirkt. Insofern ist es nicht verwunderlich, dass RTL im Vorfeld des Neustarts von «Deutschlands schönste Frau» im besonderen Maße darauf hinwies, von gängigen Schönheitsidealen abweichen und auch menschliche Werte wie Herz, Verstand und Persönlichkeit in die Bewertungskriterien des neuen Formats integrieren zu wollen - schließlich gibt es das kalte, nach Perfektion strebende Pendant «Germany's Next Topmodel» bereits seit einigen Jahren sehr erfolgreich bei ProSieben, die neue Staffel startet in wenigen Stunden. Doch kratzt man ein wenig an der Oberfläche von schöngefärbten Pressetexten, stößt man nicht selten auf weitaus dunklere Farbtöne - und vom vermeintlichen Streben nach Tiefgang und Substanz bleibt kaum etwas übrig. Eine solch große Kluft zwischen vermeintlichem Selbstanspruch und der bitteren Realität tut sich bei Guido Maria Kretschmers erster großer RTL-Show auf.
So schwer man sich auch tut, der Sendung ihr Engagement für ein verändertes Bild von Schönheit abzunehmen, kann man ihr zumindest eines nicht vorwerfen: Schon bei der Vorauswahl der Kandidatinnen wieder den gängigen Klischeebildern gefolgt zu sein. Von jung bis alt, dick bis dünn und schüchtern bis extrovertiert bildet die Teilnehmerliste in der Tat einiges an Vielfalt ab. Es ist viel mehr die Darstellung der Protagonistinnen, die früh Zweifel an der Aufrichtigkeit sät. Für die verbale und audiovisuelle Inszenierung persönlicher Schicksalsschläge wird wieder einmal eine gehörige Portion Sendezeit freigeräumt, Minuten vergehen für diverse Einstellungen, in denen weinende Damen zu sehen sind.
Der eigentliche Star der Sendung ist aber ohnehin zweifelsfrei Kretschmer, der permanent entweder selbst im Bild ist, um wichtige Challenges anzukündigen, auf die Schönheit des Sets hinzuweisen und mit den Frauen zu kuscheln oder alternativ jeden dritten Wortbeitrag der Kandidatinnen zu kommentieren. Das ist durchaus amüsant und kurzweilig, trägt jedoch nicht gerade dazu bei, eine engere Bindung zu den Damen aufzubauen. Überdies verstärkt es den ohnehin sehr dominanten Gesamteindruck, es gehe der Show um einiges - aber sicherlich nicht darum, ein vielschichtiges und realistisches Persönlichkeitsbild der immer wieder durchs Bild rennenden potenziellen schönsten Frauen Deutschlands zu zeichnen. Als dann wirklich Persönlichkeitsbilder gezeichnet werden, ist die ebenso platte wie vorhersehbare Botschaft der ganzen Aktion: Das Selbstbild der Frauen ist um einiges negativer als das, was Kretschmer von ihnen zu zeichnen in Auftrag gibt.
Dieser verkündet dann auch am Ende der Show, welche 16 Damen weiter davon träumen können, laut RTL-Maßstäben die schönste Frau der Bundesrepublik darzustellen. Für vier Damen gibt es hingegen kein Foto - nein, noch nicht einmal eine Rose können sie aus dieser sicher total spannenden Erfahrung mitnehmen. Aber wieso sollte es ihnen da auch anders gehen als dem Zuschauer, der sich fast zwei Stunden lang diese oberflächliche Mixtur aus Gefühlsduselei, ziellosen Challenges und einem überladenen Nominierungskonzept angesehen hat? Wer allerdings einfach nur Guido Maria Kretschmer in einer weiteren Show das tun sehen möchte, was er schon bei der «Shopping Queen» macht, dürfte an «Deutschlands schönste Frau» seine Freude haben. Höheren Ansprüchen genügt die neue RTL-Show allerdings zu keinem Zeitpunkt.