Popcorn und Rollenwechsel: Die geheime FSK-Freigabe von «Fifty Shades of Grey»

Die SM-Erotikromanze hält sich hinsichtlich ihrer FSK-Freigabe auffällig bedeckt. Welche Methode könnte nur dahinter stecken?

Man kann vieles über die FSK sagen. Langsam ist die Freiwillige Selbstkontrolle der Filmwirtschaft allerdings nicht. Wenn ihr ein Film erst einmal vorgelegt wird, erhält er auch vergleichsweise zügig seine Altersfreigabe. So steht bereits fest, dass der am 26. Februar startende «American Sniper» von Kinobesuchern ab 16 Jahren gesehen werden darf, der am 5. März startende Zeitreisefilm «Project: Almanac» ab 6 Jahren freigegeben ist und «Kingsman – The Secret Service» am 12. März mit einer FSK „ab 16“ an den Start geht. Genauso wie der am 16. April anlaufende Horrorfilm «The Pyramid – Grab des Grauens».

Wenn die FSK also nicht erst auf dem letzten Drücker entscheidet – weshalb herrscht dann noch immer großes Rätselraten um die Jugendfreigabe der Buchadaption «Fifty Shades of Grey»? Einige Kinos weisen ihn in ihren Reservierungssystemen zwar als „ab 18“ aus, auf der Website der FSK dagegen lassen sich derzeit keine Angaben finden. Und dies aus gutem Grund: Offiziell ist bislang tatsächlich nichts entschieden. Dies bestätigt auch das Marketingteam des Verleihs Universal Pictures. Auf der Facebook-Fanpage zum Film hieß es am 5. Februar:

„Liebe «Fifty Shades of Grey»-Fans, der Kinostart rückt immer näher und wir möchten uns zu den derzeit kursierenden Mutmaßungen äußern. Die deutsche Fassung des Films wird ungeschnitten sein und nicht von der Originalversion abweichen. Die FSK-Altersfreigabe wird vor Mitte nächster Woche erwartet und wird vor dem Filmstart bekannt gegeben.“

Wenn FSK-Freigaben erst so kurz vor Filmstart öffentlich werden, hat dies üblicherweise einen der folgenden Gründe: Entweder wurde der Film erst kurz vor Kinostart fertiggestellt und somit auch erst sehr spät der FSK vorgelegt. Oder aber die Produktion wurde sehr wohl rechtzeitig vorgelegt, allerdings legte der Vertrieb gegen die Entscheidung der FSK Einspruch ein und daher verzögert sich der ganze Prozess. Ersterer Fall lässt sich bei «Fifty Shades of Grey» allerdings ausschließen, da bereits die Altersfreigaben aus diversen Ländern feststehen und auch ein erstes Fan-Screening stattgefunden hat.

Option zwei wird also die wahrscheinlichere sein. Fraglich ist aber, welche Bewertung der Verleih denn gerne im Falle von «Fifty Shades of Grey» sehen mag. Und da es keine offiziellen Statements seitens des Vertriebs gibt, muss an dieser Stelle leider gemutmaßt werden: Die angesichts des thematischen Materials plausiblen Freigaben sind „ab 16“ und „ohne Jugendfreigabe“ (besser bekannt als „ab 18“). Wäre der Film „ab 16“, würde er ein größeres Publikum erreichen und weniger Fans des durchaus Teenager anvisierenden Buchs verprellen. Gerade bei Filmen mit (vermeintlich) pikantem Inhalt muss die niedrigere Freigabe allerdings nicht automatisch die bessere sein. Zahllose B-Action-Filme und Billig-Horrorfilme, die eine FSK „ab 16“ haben, werden auf DVD und Blu-ray vom Vertrieb daher mit einem höher eingestuften Trailer versehen, so dass die Hülle ein attraktiveres, da „härteres“ Siegel aufweist.

Und «Fifty Shades of Grey» könnte als die große, böse, Schlag-mich-beiß-mich-Sex-Buchverfilmung durchaus auf den Skandal einer hohen Freigabe scharf sein. Es ist wohl auch kaum ein Zufall, dass zahlreiche Kinos (darunter Lichtspielhäuser der Ketten Cineplex und CineStar) «Fifty Shades of Grey» in ihren Buchungssystemen als „ab 18“ anzeigen. Üblicherweise werden Kinos nämlich dazu angehalten, bis die FSK-Freigabe feststeht, entweder gar keine Einschätzung anzugeben, oder explizit zu vermerken, dass die Freigabe noch nicht bekannt ist.

Passenderweise befinden sich unter dem Facebook-Post auf der «Fifty Shades of Grey»-Fanseite, der von der FSK-Problematik berichtet, hauptsächlich Kommentare von Usern, die sich lautstark eine FSK „ab 18“ herbeisehnen. Weil in ihren Augen nur eine möglichst explizite Adaption des Bestsellers eine gute Verfilmung sein könne.

Doch auf „ab 18“ sollte man nun wohl besser nicht mehr tippen. Da Universal hoch und heilig verspricht, dass der Film ungeschnitten anlaufen wird, lässt sich jegliche Situation ausschließen, in der die Jugendfreigabe der Produktion in Gefahr schweben könnte. Denn: Hätte Universal «Fifty Shades of Grey» der FSK bereits gezeigt und das rote Logo erhalten, wäre dies bereits bekannt. Alternativ könnte «Fifty Shades of Grey» eine Verweigerung der Jugendfreigabe erhalten haben, woraufhin Universal Einspruch erhob – weshalb noch nichts feststeht. Dann aber wäre es verdammt mieses Marketing, eine ungekürzte Fassung zu versprechen, ehe der Einspruch des Verleihs abgesegnet wurde. Die Hoffnungen auf einen knallharten Streifen dürfen Fans also begraben – er wird im „optimistischsten“ Fall auf die Grenze zwischen „ab 18“ und „ab 16“ fallen. Sonst könnte Universal noch gar keine Versprechungen machen, ohne sich damit einen potentiellen Shitstorm einzubrocken.

Entweder hat die FSK den Film bereits geprüft, und mit einer FSK „ab 18“ gesegnet, woraufhin Universal entgegen aller bisherigen PR-Bemühungen mit einem Einspruch reagierte, weil der Verleih eine Freigabe „ab 16“ haben will. Da Universal jedoch all das Gerede eines extrem brisanten Films duldet oder sogar schürt, würde dies von einem sehr schizophrenen Handeln zeugen. Oder aber der Film schreit so sehr nach „ab 16“, dass Universal ihn deswegen noch nicht eingereicht hat, damit erst möglichst kurz vor Kinostart diese ernüchternde Nachricht bekannt und der mühselig aufgebaute Ruf nicht ruiniert wird.

In den Niederlanden reichte es schließlich auch bloß für eine Freigabe „ab 16“, genauso wie in Island und Argentinien. In Schweden und Tschechien ist er sogar für 15-Jährige frei. Gewiss, im Vereinigten Königreich ist er „ab 18“, aber auf «Gone Girl», «Breaking Bad», «The Wolf of Wall Street», «Pulp Fiction», «Inglourious Basterds», «Django Unchained» und «American Beauty» trifft das genauso zu. Und, welche Freigabe haben all diese Werke in Deutschland? Genau … „ab 16“ …

Oder, auch wenn das wohl kaum geschehen wird: Der Film hat sogar das Zeug zu einer FSK „ab 12“ und Universal will das vertuschen. Das wäre mal wirklich ein Schlag ins Gesicht für das «Fifty Shades of Grey»-Marktetingteam und die deutschen Fans der Buchreihe!
09.02.2015 00:00 Uhr  •  Sidney Schering Kurz-URL: qmde.de/76223