«Backstrom»: Porträt eines Arschlochs

Everett Backstrom ist ein unangenehmer Misanthrop. Mehr ist da nicht. Das trägt leider nicht einmal den Piloten der neuen Serie von FOX. Unser First Look:

Cast & Crew

  • Produktion: Far Field Productions, 20th Century Fox Television und SoulPancake Productions
  • Entwickler: Hurt Hanson
  • basierend auf den Bäckström-Romanen von Leif G. W. Persson
  • Darsteller: Rainn Wilson, Genevieve Angelson, Kristoffer Polaha, Page Kennedy, Beatrice Rosen, Thomas Dekker, Dennis Haysbert u.v.m.
  • Executive Producer: Hurt Hanson, Leif G. W. Persson, Mark Mylod und Niclas Salomonsson
Lieutenant Everett Backstrom ist ein Arschloch. Den Hinterbliebenen der Mordopfer, in deren Fällen er ermittelt, knallt er nicht selten allerhand Pietätlosigkeiten vor den Latz. Ihm ist das scheißegal. Er will nicht die Wahrheit herausfinden, er will zu einer Verurteilung kommen. Sagt er zumindest im Verhörraum.

Everett Backstrom ist ein Arschloch: Er darf erst seit kurzem wieder in der Special Crimes Unit in Mordfällen ermitteln. Mehrere Jahre musste er in der Verkehrssünderabteilung zubringen, nachdem er durch rassistische Beleidigungen aufgefallen war. Die seien in einer emotionalen Ausnahmesituation gefallen, behauptet er.

Everett Backstrom ist ein Arschloch. Von seinen Kollegen hält er nicht viel, Zeugen oder Beschuldigte, die ihm beim Ermitteln im Wege stehen, triezt er so lange, bis sie explodieren. Dann verfälscht er die Beweise, damit die übergeordnete Aufsichtsbehörde ihm nicht in die Quere kommt.

Everett Backstrom ist ein Arschloch. Das soll Gründe haben: Als er noch ein kleiner Junge war, hat sein Vater ihn schwer misshandelt. Bis heute sieht man die Narben davon. Physisch wie psychisch.

Everett Backstrom ist ein Arschloch. Er macht sich nicht viel aus Menschen, begegnet ihnen ungehobelt bis bösartig. You see the bad in everybody, analysiert ihn seine Kollegin. No, I see the everybody in everybody, kontert er.

Everett Backstrom weiß, dass er ein Arschloch ist: Bis unter die Schädeldecke ist er mit Selbsthass vollgestopft. Er ernährt sich nur von fettigem Zeug, säuft wie ein Loch, raucht Unmengen Zigarren und wenn er so weiter macht, sagt der Amtsarzt, wird er die nächsten Jahre nicht überleben.

Habe ich schon erwähnt, dass Everett Backstrom ein Arschloch ist? Gut. «Backstrom» betont das nämlich so häufig wie möglich. Serien mit Unsympathen als Hauptfiguren sind nun nicht gerade neu, – man denke an das Paradebeispiel «House», das die inhaltliche Messlatte gleich verdammt hoch legt – aber selten wird das Unsympathische an einer Rolle so penetrant betont wie hier. Die Serie lässt kaum ein gutes Haar an ihrem zynischen, bösartigen, misogynen, unangenehmen Protagonisten. Nur ganz vereinzelt, in sehr kurzen Anklängen darf ein bisschen darüber reflektiert werden, warum dieser Backstrom so bösartig ist, wie er ist. Nur höchst selten werden ihm aber Facetten zugestanden, die über seinen Zynismus und seine Bösartigkeit hinausgingen. Schon nach kurzer Zeit wiederholen sich nur noch bekannte Muster.

Sicher hat man mit Rainn Wilson, der bei «The Office» erfolgreich und versiert den Berthold Heisterkamp Amerikas gegeben hat, einen sehr talentierten Hauptdarsteller gefunden, der auch durchaus versucht, Zwischentöne und Ambivalenzen in all dem zynischen Wust zu finden, der seine Rolle ausmacht. Trotzdem bleibt dieser Everett Backstrom eine sehr eindimensionale Figur: versoffen und misogyn, innerlich traumatisiert und verletzlich, nach außen hin aber ruppig, unkollegial, unangenehm, kurz: ein Arschloch. Daraus will «Backstrom» seinen Reiz gewinnen. Vierzig Minuten lang. Jede Folge. Doch Zynismus und Fatalismus allein machen noch keine starke Figur.

Noch dazu ist das dieser Tage, nach zahlreichen Stoffen mit ähnlicher Ausrichtung, wenig markant. Gleiches gilt für die Geschichten, die «Backstrom» erzählt: Im Piloten ist der Sohn eines Senators zu Tode gekommen. Er soll in großem Stil mit Drogen gehandelt haben und hatte eine enge Beziehung zu einer Stripperin. Das hört sich schon nach narrativer Dutzendware an – und sieht in dieser Serie auch so aus.

Ein wenig versucht man sich durch die Ästhetik zu retten, die düsterer, dunkler, blasser daherkommt als andere Crime-Fließbandproduktionen bei den Networks. Der Spielort im verregneten Portland, Oregon (gedreht wurde aus Kostengründen natürlich im kanadischen Vancouver) spielt dem in die Hände. Doch damit lässt sich kaum kaschieren, dass «Backstrom» leider nur Geschichten von der Stange erzählt, austauschbar und innovationslos, mit einer Ermittlerfigur, deren innerer Konflikt zwischen seinem unangenehmen Auftreten und seiner inneren Zerrissenheit allein aus einer Reiteration bereits dutzendfach abgenudelter Paradigmen besteht und noch dazu ziemlich grobschlächtig gezeichnet ist.

Der Artikel erschien erstmals bei Quotenmeter.de anlässlich des US-Starts im Februar 2015.

kabel eins zeigt die Serie ab Freitag, 6. Mai, immer freitags um 22.15 Uhr.
08.05.2015 08:30 Uhr  •  Julian Miller Kurz-URL: qmde.de/76122