Jörg Pilawa: 'Als ich anfing, war ich der Weichspüler'

...jetzt sei der der "Quizonkel" sagt der Moderator im exklusiven Interview mit Quotenmeter.de. Ab Montag geht «Das Quizduell» wieder live um 18 Uhr im Ersten on-air. Wird die App diesmal durchhalten?

Zur Person: Jörg Pilawa

Pilawa, 1965 in Hamburg geboren, begann seine TV-Karriere in den 90ern bei ProSieben und Sat.1. Er moderierte unter anderem «ran», einen Vormittags-Talk und «Die Quizshow». 2001 wechselte er zur ARD, wo er «Herzblatt» übernahm. Mit «Das Quiz» kam eine Raterunde hinzu. Von August 2001 bis Dezember 2007 moderierte er die «NDR Talk Show». Von 2010 arbeitete Pilawa für das ZDF, machte dort «Rette die Million» oder «Der Super Champion». Seit 2014 steht er wieder bei der ARD unter Vertrag - neben dem «Quizduell» steht er auch für «Die NDR Quiz Show» vor der Kamera. Er moderiert zudem «Paarduell», «Spiel für dein Land» und seit Anfang 2017 auch alle 14 Tage die Talksendung «Riverboat» im MDR.
Jörg Pilawa, sie moderieren «Quizonkel.TV», «Die NDR Quizshow», «Einer wird gewinnen», «Sing wie dein Star», eine «Eurovisions-Quizshow» und jetzt wieder «Quizduell»… Langeweile kennen Sie nicht?
(lacht) Langeweile ist für mich Stillstand – das wäre ganz schlimm! Neu bei «Quizduell» ist für mich, dass ich zum ersten Mal nach 25 Jahren Arbeitsleben geregelte Arbeitszeiten habe. Ich gehe von Montag bis Freitag um 15 Uhr aus dem Haus, mache um 18 Uhr eine Live-Sendung und bin dann um 19.30 Uhr wieder zum Abendbrot bei meiner Familie zu Hause. Das habe ich noch nie gehabt! Ich werde oft gefragt, wie wäre es, wenn ich mein Medizinstudium zu Ende gemacht hätte oder ich Lehrer geworden wäre? Dafür bin ich nicht so der Typ. Aber ich habe jetzt 60 Tage Zeit, um zu erleben, wie sich das anfühlt. (lacht).

Die zweite Staffel ist bis Mitte Mai angesetzt. Ob es dann nach einer Sommerpause weitergeht, bleibt offen?
Ja, da bin ich ganz ehrlich. Nach der Staffel müssen wir erst mal alles sacken lassen und gucken, was wir da eigentlich gemacht haben. Wir wissen nicht, was ab 2. Februar passiert. Vor einem dreiviertel Jahr habe ich allen vor meiner ersten «Quizduell»-Sendung erzählt: Technisch ist das wasserdicht! Da bin ich voller Stolz und Testosteron ins Studio gelaufen und nach 30 Sekunden hingefallen, weil nichts geklappt hat. Jetzt sage ich zwar auch: Am 2.2. wird technisch alles laufen, aber ich werde erst um 18 Uhr und dreißig Sekunden wirklich wissen, ob das auch stimmt.

Die App läuft also diesmal, versprochen…?
Haus und Hof werde ich darauf nicht wetten! (lacht) Aber die App wird dieses Mal laufen. Zweimal mit diesem Versprechen anzutreten und zweimal nach den ersten Metern zu straucheln und auf die Klappe zu fallen, das wäre eine Blamage und ein super GAU! Damit würde ich definitiv in die Fernsehgeschichte eingehen.

Was haben Sie eigentlich gedacht, als in dieser ersten Sendung alles schief ging?
Alle Techniker haben mir vor der ersten Sendung gesagt, es kann gar nichts schief gehen. Das sagen die ja jetzt auch wieder (lacht). Aber als doch alles schief ging, war mein erster Gedanke: Gleich kommt Guido Cantz von «Verstehen Sie Spaß?» um die Ecke. Daher dachte ich mir, Du spiele das erst mal weiter mit. Aber das ging dann immer weiter und mir wurde klar, hier geht jetzt wirklich gerade etwas richtig schief! In diesem Moment wurde Live-Fernsehen zum Theater. Ich habe zuvor nie so ein aufgeschlossenes Publikum erlebt. Zunächst haben die Zuschauer auch nicht begriffen, was da gerade passiert. Aber dann haben alle mitgemacht und wurden so Teil der Inszenierung.

Hat diese App-Panne mit Abstand betrachtet dem Format PR-mäßig nicht sogar geholfen? Die Kritiken zu Ihrer souveränen Moderation waren ja gut und der Medienrummel garantiert…
Wir wussten schon nach der ersten Sendung, dass es diese Probleme am nächsten Tag wieder geben wird. Das war absehbar. Also haben wir eine Nummer daraus gemacht und uns über uns selber lustig gemacht
Jörg Pilawa über die Pannen beim «Quizduell»
Definitiv hat es was gebracht. Wichtig war, dass wir die Größe hatten, uns über uns selbst lustig zu machen und uns selbst auf die Schippe zu nehmen. Pannen passieren bei jeder Fernsehshow. Mal fällt ein Scheinwerfer aus, mal wird ein Kandidat oder Zuschauer ohnmächtig, mal kommt die Grafik nicht rechtzeitig – das passiert immer wieder und wird dann schön rausgeschnitten. Dieses Mal ging alles live über den Sender und siehe da: Gerade die Pannen hatten hohen Unterhaltungswert. Das gab uns den Mut weiterzumachen. Denn wir wussten schon nach der ersten Sendung, dass es diese Probleme am nächsten Tag wieder geben wird. Das war absehbar. Also haben wir eine Nummer daraus gemacht und uns über uns selber lustig gemacht.

Mit Ihrer täglichen Live-Moderation am Vorband geht es back to the roots wie zu früheren Zeiten von «Das Quiz mit Jörg Pilawa». Damit fehlt eine Flexibilität für Primetime-Shows. Provokativ gefragt: Warum tun Sie sich das an?
Ich tue es mir in diesem Fall an, weil ich wirklich wissen will, ob es funktioniert. Wir haben etwas angefangen, aber nicht zu Ende gebracht. Daher habe ich diese zweite Staffel zugesagt. Ich möchte sehen: Läuft die App-Show oder läuft sie nicht? Funktioniert Interaktivität mit dem Zuschauer? Oder wird das von uns völlig überbewertet? Diese Möglichkeit besteht. "Interaktiv" ist hipp, alles muss von sozialen Netzwerken begleitet werden. Aber ich glaube: Wir machen immer noch Programm für eine schweigende Mehrheit. Das sind die, die nicht Twitter, Facebook oder WhatsApp nutzen. Soziale Netzwerke finde ich persönlich total gut und nutze die auch gerne. Aber viele tun das eben noch nicht. Ist es für diese Zuschauer dann Irritation, was wir da machen, oder sehen sie es als Chance, mal eine App auszuprobieren? Das Quizduell ist ein Experiment. Genau deswegen tue ich mir das an! (lacht).

Primetime-Sendungen pausieren dann…
Ja, das ist ganz logisch. In dieser Zeit geht nichts anderes. Allein schon, weil man örtlich gebunden ist. Es ist nicht der Arbeitsaufwand. Die Frage wird mir ganz oft gestellt: Wieso machst Du eine tägliche Live-Sendung? Diese Frage würde man niemals der Friseurin an der Ecke stellen, die sechs Tage in der Woche am Stuhl steht. Ich gehe jetzt fünf Tage in der Woche zu geregelten Zeiten arbeiten und mache eine Dreiviertelstunde Programm. Da wird jeder Arbeitende in Deutschland berechtigterweise wenig Mitleid mit mir haben.

«Quizduell» wird auf dem Studio Hamburg-Gelände produziert, Produzent sind die ITV Studios Germany in Köln, Ihre Hamburger Produktionsfirma Herr P. übernimmt redaktionelle Aufgaben. Wünschen Sie sich als Produzent nicht mehr Primetime-Shows in Ihrer Heimatstadt Hamburg?
Wir haben in Hamburg das Problem, dass ein großes Primetime-taugliches Fernsehstudio mit mehreren hundert oder sogar mal tausend Zuschauern fehlt. Das wäre für den Medienstandort Hamburg schon klasse. Heute müssen wir nach Berlin, Köln oder München ausweichen. Das ist schade, zumal ich heute am liebsten im eigenen Bett schlafe - vielleicht liegt das am Alter. (lacht)

Lesen Sie auf der nächsten Seite: Jörg Pilawa über Quotendruck, «Wetten, dass..?» und die Zukunft des Deutschen Fernsehpreises.

Welche Rolle spielt der Quotendruck?
In unserem Job hast Du immer Druck. Wir machen Fernsehen und am nächsten Tag um 8.30 Uhr gibt es die Quote. Immer mehr Kollegen sagen: Quote interessiert mich nicht, das spielt keine Rolle. Ich sehe das als Unterhalter anders. Ich möchte möglichst viele Menschen erreichen. Ob das gelungen ist, sehe ich anhand der Quote. Ich kenne interessanterweise niemanden, egal, ob er Unterhaltung, Information, Dokumentationen oder fiktionales Programm macht, der sich über eine echt gute Quote geärgert hat (lacht). Deshalb ist es blödsinnig zu sagen: Die Quote ist egal. Das glaube ich keinem.

Seitens der ARD gibt es also keine Vorgaben?
Nein, Vorgaben gibt es nicht. Das schlimmste, was Dir passieren kann, ist, dass Du etwas machst, das weniger erfolgreich ist, als das, was vorher auf dem Platz lief. Dann hast Du ein Problem – berechtigterweise.

Gerade auf diesem Sendeplatz mit der großen «Verbotene Liebe»-Fanbase…
…kann es schwierig werden. Übrigens, ich finde es gut, dass man da eine Lösung gefunden hat. «Verbotene Liebe» finde ich schon deshalb ein tolles Format, weil es so extrem lange läuft. Eine Marke, die erhalten werden sollte. Daher finde ich die Lösung mit der Weekly-Programmierung großartig.

Passenderweise moderieren Sie im Herbst eine ARD-«Eurovisions-Quizshow» – wieder mit App…
Ja, das ist das andere Extrem (lacht). «Quizduell» ist eine serielle Produktion und total durchgeplant. Das andere ist eine «Eurovisionssendung» mit Deutschland, Schweiz, Österreich. Die ganzen Nationen sollen bei diesem Event mitspielen. Natürlich erhoffen wir uns mit dieser App enorm viel Traffic zu generieren. Die Zuschauer spielen ja schließlich für ihr Land. Wie schlägt sich also zum Beispiel Deutschland gegen Österreich? Können wir Leute animieren, abends um 20.15 Uhr live mitzuspielen? Spielen mehr Schweizer per App mit als Österreicher oder Deutsche? Das finde ich ein spannendes Experiment.

«Quizduell» ist ein relativ zeitgenössisches Format. Der erste Hype um die App scheint aber abgeflacht…?
Der absolute Hype um die App «Quizduell» ist vorbei. Also heißt die Frage: Schaffen wir es, durch das Fernsehen die App-Gemeinde wieder zu mobilisieren? Oder sind die mit der App durch und haben schon etwas Neues gefunden?
«Quizduell»-Moderator Jörg Pilawa
Das sehe ich auch als Problem. Der absolute Hype um die App «Quizduell» ist vorbei. Also heißt die Frage: Schaffen wir es, durch das Fernsehen die App-Gemeinde wieder zu mobilisieren? Oder sind die mit der App durch und haben schon etwas Neues gefunden? Das sagt dann was aus über Nutzerverhalten in der digitalen Welt.

Nicht nur Ihre Shows tragen dazu bei, dass es einen Quiz- und Retro-Trend im deutschen Fernsehen zu geben scheint. Fehlt der Branche die Innovationskraft?
Nein! Aber ich glaube, wir müssen im TV lernen, uns von der klassischen Studio-Dramaturgie zu verabschieden. Show wird bei uns immer noch ganz klassisch gedacht mit Showtreppe, Showbühne und rotem Teppich. Wir haben es als Unterhalter, und da schließe ich mich
Wir müssen raus aus dem Studio, uns mehr trauen und auch mal Kolleginnen und Kollegen aus anderen Genres mit ins Boot zu holen. Die Machart ist hier entscheidend, nicht so sehr der Inhalte der Show.
Jörg Pilawa über die Zukunft der Fernsehunterhaltung
ein, verpasst, Genre-übergreifend zu denken Das heißt, dass man mehr aus dem Studio raus geht. Formate wie «Dschungelcamp» oder «Mario Barth deckt auf», die funktionieren Genre-übergreifend. Wir müssen raus aus dem Studio, uns mehr trauen und auch mal Kolleginnen und Kollegen aus anderen Genres mit ins Boot zu holen. Die Machart ist hier entscheidend, nicht so sehr der Inhalte der Show.

Der «Deutsche Fernsehpreis» wurde nun offiziell eingestampft…
Ich muss ganz ehrlich sagen, ich werde den nicht vermissen. Ich hätte mich auch gefreut, wenn wir alle einen Weg gefunden hätten, um das Medium Fernsehen, das ja immer noch eine große Rolle im Tagesablauf der Menschen spielt, würdig zu feiern. Aber wenn die Platzhirsche der Branche gemeinsam in die Arena treten, möchte jeder im Rampenlicht stehen. Daher war das bisher immer so, wenn der eine Sender abgeräumt hat, musste der andere Sender auch etwas bekommen und umgekehrt. Damit war die ursprünglich gute Idee von Anfang an eine Totgeburt. Vielleicht müsste man einen Zuschauerpreis schaffen. Aber dann würden natürlich wieder die, die sagen, wir machen nicht nur Programm für die Masse, zu kurz kommen. Wir sollten die Frage Fernsehpreis jetzt mal ruhen lassen, um in zwei, drei Jahre wieder neu anzusetzen.

Nerven Sie eigentlich Schlagzeilen mit der Betitelung „Quizonkel“?
Nein, ich habe das ja irgendwann selbst aufgenommen. Ich habe über 2.500 Quiz-Sendungen gemacht. Ich bin Quizonkel! Was soll ich dagegen sagen? (lacht) Ich werde im Alter entspannter. Als ich anfing, war ich der Weichspüler, dann war ich irgendwann der Schwiegersohn-Typ. Dann der Alles-Weg-Moderierer. Jetzt bin ich der Quizonkel. Ich war schon alles. (lacht)

Nicht zu vergessen: Die „Allzweckwaffe der ARD“…
Genau! (lacht) In Sachen Neid läuft die Republik nun mal zu Höchstform auf! Ich hätte sicherlich Formate machen können, die eher mal beim Grimme-Preis angeklopft hätten, aber die wären nicht so erfolgreich gewesen.

Zum Abschluss: Sie galten eine Zeit lang als einer der möglichen «Wetten, dass…?»-Nachfolger…
Nein, nein, nein! (lacht) Punkt. Das passt bei mir im Moment alles so, wie es ist. (lacht)

Danke für das Gespräch, Jörg Pilawa.
30.01.2015 11:52 Uhr  •  Benjamin Horbelt Kurz-URL: qmde.de/75985