Daniel Budiman: 'Wir machen das, was sich viele nicht trauen'

Im Interview mit Quotenmeter.de spricht Daniel Budiman, Mitgründer und Gesellschafter von Rocket Beans Entertainment und ehemaliger „Game One“-Moderator, über die Pläne des neuen Internetsenders „RocketBeans TV“ und das Ende von «Game One».

Über Twitch

Bei Twitch, auch unter den Namen Twitch.tv oder TwitchTV bekannt, handelt es sich um ein Live-Streaming-Videoportal. Die Plattform fokussiert sich vor allem auf Videospiele und wird überwiegend dazu genutzt, das Gameplay verschiedener Spieler für ein größeres Publikum zu übertragen. Darunter fallen zum Beispiel auch Übertragungen aus dem Bereich des eSports, dem professionellen Videospiel. Twitch wurde am 6. Juni 2011 eröffnet und ist in 28 Sprachen zugänglich. Im August 2014 erwarb Amazon das Unternehmen für 970 Mio. Dollar. Durch eine Registrierung können Nutzer Kanälen folgen, Kommentare verfassen und selbst streamen - das Prinzip ähnelt YouTube.
Mit „Rocketbeans.tv“ startet ihr nun Deutschlands ersten 24-stündigen Internetkanal auf der Live-Streaming-Plattform Twitch. Welche Ziele habt ihr euch mit dem Sender gesteckt?
Das, was wir vorhaben, ist eine inhaltliche Neuformatierung, die es vielleicht in der Form in Deutschland noch nicht gibt. Als Kreative und als Leute, die das Fernsehhandwerk gelernt haben, haben wir uns immer gedacht, dass das Angebot, das es auf den klassischen Fernsehsendern gibt, ein bisschen aus der Zeit gefallen ist. Die Frage war: Welche Möglichkeiten gibt es, die Dynamiken, die im Internet existieren, in so etwas Passives wie einen Sender zu packen? Es kam dann zu der Entscheidung, dass wir es jetzt einfach mal versuchen. So sind wir als Produktionsfirma, so sind wir als Typen geeicht. Wir machen jetzt erstmal das, was sich viele Leute einfach nicht trauen. Das heißt, wir stecken selbst viel Budget und sehr viel Herzblut in eine Projektphase und die nennt sich „RocketBeansTV“. Wir haben eine wunderbare Vorstellung, von der wir hoffen, dass wir sie zum Start erreichen können und wir werden schauen, dass wir diese Sendestrecke mit so vielen Live-Formaten wie wir stemmen können gestalten. Aber der Sender an sich soll genau die Zielgruppe ansprechen, die eigentlich keine Zielgruppe ist: Das sind Content Creator und alle Leute da draußen, die sich am liebsten im Netz oder auch im Fernsehen berieseln lassen, sich dort sowohl Information als auch Inspiration holen und sich dann selbst an Rechner, Instrumente oder sonstige Gadgets setzen, um ihren eigenen Content zu kreieren.

Der Sender ist als generisches, dynamisches Ding geplant. Wir starten mit eigenem Content und sind in unglaublich vielen Gesprächen mit unterschiedlichsten Produzenten und Kreativen. Und zwar von beiden Seiten: Zum einen auf der YouTube-Seite, beziehungsweise der, der Web Video Creators und zum Anderen auf der klassischen Seite mit der Fernsehlandschaft.


Warum habt ihr euch dabei für Twitch entschieden?
Twitch brauchten wir natürlich, weil es für uns als kleine Produktionsfirma nicht wirtschaftlich sinnvoll war, eine komplett eigene Plattform zu bauen. Auch darüber haben wir viel diskutiert. Wir haben ewig lange über Bezahlmodelle geredet und detailliert recherchiert, welche Möglichkeiten und Anbieter es gibt. Twitch ist einfach die Plattform, die von sich aus wahnsinnige Errungenschaften gemeistert hat, was schlussendlich auch in dem Kauf von Amazon gemündet ist. Die Zahlen, die sie generieren, sind einfach unglaublich. Twitch ist aktuell, was Live-Streaming angeht, der Platzhirsch. Das sieht man auch an offiziellen Zahlen: Allein im Dezember war Twitch, was klassische Online-Portale angeht, die über den Rechner aufgerufen wurden, auf Platz fünf mit 135 Millionen Visits. Ein ganz wichtiger Aspekt ist auch, dass Twitch im Mobile-Bereich mit 107 Millionen Visits auf Platz zwei liegt. Twitch positioniert sich dort, wo Zuschauer auch selbst Content kreieren und veröffentlichen möchten, natürlich vor allem im Gaming-Bereich, aus dem wir ja kommen. Jetzt schauen wir erstmal gemeinschaftlich, wie viele Leute das gucken wollen. Das hört sich immer ein bisschen anarchisch an, aber genau so ist es auch geplant (lacht). Falls man Anarchie überhaupt planen kann.

Kommt diese Entscheidung auch einer mittelfristigen oder sogar endgültigen Abkehr vom Fernsehen gleich? Oder könnt ihr euch neben „Rocketbeans.tv“ auch noch Fernsehengagements vorstellen?
Wir gestalten einfach am Liebsten Formate und Inhalte, die etwas moderner sind. Wir probieren neue Gadgets aus, unsere visuelle Ansprache ist in der Regel auch eine andere – das haben wir mit der Produktion von „Game One“ bewiesen. Das ist aber etwas, was die klassische Fernsehlandschaft oftmals nicht haben will.
Daniel Budiman über die unterschiedlichen Ansprüche von Produzenten und Programmchefs
Wir können uns auf jeden Fall die klassische Formatierung als auch die Dienstleistung im Fernsehgeschäft weiter vorstellen. Das ist das, was wir gelernt haben und von dem wir das Handwerk beherrschen. Das Problem bei uns lag immer darin, dass wir stets sehr verkopft an die Sache herangegangen sind. Wir gestalten einfach am liebsten Formate und Inhalte, die etwas moderner sind. Wir probieren neue Gadgets aus, unsere visuelle Ansprache ist in der Regel auch eine andere – das haben wir mit der Produktion von „Game One“ bewiesen. Das ist aber etwas, was die klassische Fernsehlandschaft oftmals nicht haben will. Im Fernsehen wird immer noch das größte Budget hin- und hergeschoben, da will man als Kunde verständlicherweise Sicherheit haben. Sei es mit der klassischen Verwertung oder einer anderweitigen Refinanzierungsmöglichkeit. Das begrenzt aber auch eine gewisse Innovation bei der Formatierung. Wir stecken als Macher gefühlt zwischen den beiden Welten Fernsehen und Internet. Zwischen diesen beiden Seiten findet gerade ein starker Dialog statt. Viele Leute wollen wissen, was dort gerade passiert und wie man partizipieren kann. Fernsehmacher und Agenturen kommen heutzutage nicht mehr umhin, sich das Internet und alle Content Creator, die dort agieren, anzugucken.

Wir haben natürlich nach wie vor ein paar Konzepte in der Schublade und damit gehen wir auch hausieren, das ist völlig normal. Aber gleichzeitig sagen wir auch mit „RocketBeans.TV“, dass es unser Weg wird, die Sachen ein bisschen anders zu gestalten. Die Zielsetzung ist es, durch unsere inhaltlich-getriebenen Strategien einen erfolgreichen Businesscase zu schaffen, der sinnig und zeitgemäß den Generationswechsel beschreiben und begleiten kann. Wir liefern mit Formaten ein paar Beispiele, die irgendwo zwischen den Welten Internet und Fernsehen liegen, zwischen Jump- und Hard-Cut-Videos von YouTubern und zwischen klassischen Fernsehproduktionen. Wir wollen selbstverständlich Geld verdienen, aber es ist nicht so, dass wir dauerhaft darauf schielen. Das große Geld wird aktuell noch im Fernsehen gemacht, aber für eine wesentlich ältere Zielgruppe.


Die angesprochene Problematik wird auch für zwei eurer Formate relevant gewesen sein. Ihr habt für euren Piloten zu «Quelle: Internet» den Webvideopreis gewonnen, habt es aber nicht geschafft das Format an einen Fernsehsender zu pitchen. Ähnliches gilt für eure «Green-Screen-Show», in der ein Protagonist vor einem Green-Screen von der Regie in verschiedene Szenarien versetzt wird. Woran haperte es bei diesen Ideen noch und wo liegen die Unterschiede zwischen euren Ansprüchen und denen der Sender?

Die meisten Fernsehsender geben uns ein positives Schulterklopfen, aber oftmals war es das dann schon. Der Hauptgrund wird darin liegen, dass ein Großteil der präsentierten Konzepte nicht refinanzierbar ist. Die Formate, die wir vorschlagen, sind redaktionell und in der Produktion meist sehr aufwändig, auch wenn man das von den Formaten, die wir bisher produziert haben, vielleicht noch nicht gesehen hat. Aber es steckt sehr viel Arbeit und sehr viel Herzblut dahinter und schlussendlich muss man Arbeit auch entsprechend bezahlen. Allgemein gilt für viele Kreative, Freiberufler und kleine Produktionsfirmen: Wenn man neue TV-Formate starten möchte, muss im Vorfeld die Quote bestenfalls schon feststehen und sich dann bei der Ausstrahlung auch noch vervielfachen. Das kann man mit Neuformatierungen schwer planen, hinzu kommt das finanzielle Risiko, dass viele Sender einfach nicht tragen können und wollen.

In Bezug auf «Quelle: Internet» sind wir schon ein bisschen über’s Ziel hinaus geschossen. Die Grundvoraussetzung war, das wir damit beauftragt wurden, eine Art Clipshow über Internetsachen herzustellen … Eigentlich wollten sie nur irgendwelche lustigen Videos zeigen, fertig. Wir haben daraus ein redaktionelles Format gemacht, weil wir uns sehr sicher waren, dass es dadurch eine stärkere Anbindung der Zuschauer gibt und dass die Leute das haben wollen, weil sie die kleinen YouTube-Videos auch anders kriegen.

Die schnelle Quote muss halt sein und das geht oftmals über Fremdschämen und Sich-Lustig-Machen. Das ist aber auch etwas, was wir einfach nicht wollen. Dann verkommt das Handwerk nur zum Beiwerk und es geht nur darum passiv Leute zum Lachen zu bringen, weil man als Zuschauer in einer besseren Situation ist, als diejenigen, die vor der Kamera entblößt werden.
Daniel Budiman
Bei der «Green-Screen-Show» lag es glaub ich daran, dass der Aufwand das zu bewerkstelligen in den ersten Zügen sehr teuer gewesen wäre. Wir hatten von der Formatierung und Konzeptionierung schon gewisse Namen eingeplant. Das sollte eine moderne Impro-Comedy-Show sein, aber eben mit modernen, digitalen Möglichkeiten. Wir haben Beispiele genannt wie Mirco Nontschew und Tommy Krappweis, vielleicht auch Moritz Bleibtreu, der Sender antwortete mit anderen, vermeintlich „lustigeren“ Kalibern. Da war es aber schon klar, dass der Sender sich etwas anderes ausgedacht hatte. Er wollte eher etwas fremdschämiges, während wir das Handwerk der Impro-Comedy nach vorne stellen wollten. Da merkt man schon einen starken Unterschied, allein schon, wie diese Idee aufgenommen wird und wie Sender schnell agieren wollen. Die schnelle Quote muss halt sein und das geht oftmals über Fremdschämen und Sich-Lustig-Machen. Das ist aber auch etwas, was wir einfach nicht wollen. Dann verkommt das Handwerk nur zum Beiwerk und es geht nur darum passiv Leute zum Lachen zu bringen, weil man als Zuschauer in einer besseren Situation ist, als diejenigen, die vor der Kamera entblößt werden – etwas, das wir als Grundgedanken nicht mögen. Die einzige Ausnahme sind wir selbst – über uns selbst machen wir uns immer gerne lustig.

Ihr übernehmt Formate, die ihr bereits bei YouTube etabliert habt, für euren Twitch-Sender. Welche sind das und kannst du diese den Lesern erklären, die euren Channel bislang nicht kannten und nur mit euren Beiträgen rund ums Gaming vertraut sind?
Die klassischen Formate werden wir auf jeden Fall weiter laufen lassen. Das ist zum einen «Almost Daily». Die Sendung besteht einfach aus einem Tisch und ein paar Stühlen. Es gibt unterschiedliche Themenlagen, über die man einfach nur redet. Das klingt genauso spektakulär, wie es letztendlich auch ist (lacht). Das steht und fällt mit den Teilnehmern und dem Thema, aber es ist eben nicht gescripted. Das ist aktuell unser erfolgreichstes Format.

Es gibt noch eine «Pen-and-Paper»-Strecke, die wir weiterführen. Da möchte ich noch nicht zu viel verraten. Das ist ein für unsere Verhältnisse sehr erfolgreiches Live-Rollenspiel, also etwas aus dem klassischen Nerd-Kosmos. Da haben wir bereits zwei Folgen von produziert und es wird noch mehr davon geben. Wir kreieren dabei ein Rollenspiel in einem postapokalyptischen Setting. Es geht darum, wie wir in diesem Szenario agieren und bestenfalls überleben (lacht).

Lesen Sie auf den nächsten Seiten weitere Einzelheiten über die verschiedenen Formate bei RocketBeansTV, den Schlüssel zu einer guten Communitybindung, die Support-Aktion, die den Sender finanzierte und das Ende von «Game One»

Zur Person: Daniel Budiman

Daniel Budiman, der vielen Leuten unter dem Spitznamen "Budi" bekannt ist, wurde am 25. Mai 1983 geboren, wuchs in Bad Oeynhausen auf und machte dort sein Abitur. Zwischen August 2003 und März 2006 arbeitete er für den Fernsehsender GIGA, wo er «GIGA Games» und «GIGA eSports» präsentierte. Ab September 2006 engagierte sich Budiman mit seinem Kollegen Simon Krätschmer als Produzent und Moderator für das Gaming-Magazin "Game One", das zunächst nur bei MTV zu sehen war, bis zum Ende des Formats am 24. Dezember 2014 jedoch auch auf den anderen Viacom-Sendern Comedy Central und VIVA gesendet wurde. Als Mitgesellschafter der Produktionsfirma Rocket Beans Entertainment verantwortete er nicht nur «Game One», sondern ab dem 15. Januar auch den Internet-Sender RocketBeansTV mit.
Welche neuen Formate werden außerdem zu sehen sein? Womit plant ihr in der Anfangszeit fest?
Es wird ein klassisches Abend-Format geben. Wir sind derzeit noch in der Formatierung und Konzeptionierung, die wir in den nächsten Tagen und Wochen offiziell verkünden werden. Es gibt das Format «Bohn Jour», unsere unkonventionelle Antwort auf eine Late Night-Show. Darin tauchen dann alle Nerd-Themen auf. Auch weitere gesellschaftliche Themen werden besprochen - wir werden alles abfeuern, was gerade aktuell ist. Außerdem gibt es darin auch Informationen zum Sender und das Format fungiert als Feedback-Kanal. „Was ist passiert? Was sollte passieren? Was wollen Zuschauer vielleicht haben?“ Da werden wir entsprechend interaktiv unterwegs sein. Das ist so etwas wie das Anker-Format des Senders.

Es wird selbstverständlich viele Gaming-Formate geben. Das ist das, was wir lieben. Wir werden viel mit der Community spielen und eigene Spiel-Formen entwerfen. Twitch ist ein Channel-Anbieter, der den Schwerpunkt auf Gaming setzt, der Erfolg spiegelt sich dabei nicht nur in den Zahlen wieder, sondern auch in der aktuellen Popkultur. Spiele sind wesentlich größer als sie immer noch von den klassischen Medienschaffenden betrachtet werden. Diese Kernkompetenz von uns werden wir weiter bedienen, aber das Gleiche gilt für Filme und Musik. Wir werden sehr wahrscheinlich ein Musik-Format präsentieren. Auch «Kino+» mit Daniel Schröckert, Andreas Bardét und Etienne Gardé und unser "Fernsehgarten" werden weitere Folgen erhalten, wir decken alle Nerd-Themen ab. Als Formel kann man es so sehen: Der RocketBeans-Channel ist wie das Internet – dynamisch. Mit der Zeit wird sich der Sender definitiv verändern. Es wird jedoch immer feste Formate geben, die dann mit der aktuellen Themenlage in den Gebieten mitwachsen.

An diesem Wochenende wird es bereits ein neues Format geben, in dem es eher um die Menschen geht (lacht). Das ist eine Art Sozialprojekt zwischen uns. Es geht um (vorerst unsere) Freundschaft, um soziale Beziehungen und das Format heißt «Mate Knights».

Über "deineshow@rocketbeans.tv" habt ihr euren Fans und Zuschauern auch angeboten Sendungsideen einzuschicken und ihnen die Chance eingeräumt damit selbst auf rocketbeans.tv zu laufen. Was hat es damit auf sich und wie ist diesbezüglich der neueste Stand?
Wir agieren nur halbwegs wie ein klassischer Sender und wollen das auch nicht sein. Das Internet und die Geschwindigkeit, die damit einhergeht, gebietet das nicht. Wir werden im steten Wandel sein und was hierbei relevant sein wird, sind die Kooperationen mit unterschiedlichen Content Creators. Wir werden sehr bald rausgehen und sagen, wer bei dem Sender definitiv mit dabei ist. Es gibt hierzu eine feste Formatierung in der Woche, die nennt sich «Deine Show». Da können sich Content Creator bewerben, egal welcher Coloeur - vollkommen irrelevant, ob das supererfolgreiche YouTuber sind oder Leute, die 20 Views auf ihrem Channel haben. Die bewerben sich ganz klassisch per Mail und sagen: „Hier, das ist meine Vorstellung von Thema XY. Habt ihr Bock darauf?“ Dann werden wir das einfach testen. Wenn es mit unserem Grundgedanken einhergeht, werden wir dementsprechend die Sachen abfeuern und gucken, ob das gut ankommt.

Wir sind sozusagen eine Adresse für Nerd-Kultur, die im Netz agiert, bei der das Handwerk auch bestenfalls so gut ist, dass es im Fernsehen laufen könnte. Oft kriegt man diese Chance aber nicht, weil vieles zu festgefahren ist. Es gibt zu viele Konventionen im Fernsehgeschäft.
Daniel Budiman über 'Deine Show@RocketBeans.tv'
Wir sind sozusagen eine Adresse für Nerd-Kultur, die im Netz agiert, bei der das Handwerk auch bestenfalls so gut ist, dass es im Fernsehen laufen könnte. Oft kriegt man diese Chance aber nicht, weil vieles zu festgefahren ist. Es gibt zu viele Konventionen im Fernsehgeschäft. Wir planen viele Kooperationen, die wir diese Woche bereits verkünden wollen. Wir sind mit vielen großen YouTubern im Gespräch und auch mit den klassischen Fernsehanbietern, die bereits wunderbaren Content erzeugt haben. Auch die sind auf der Suche nach frischen Plattformen, wo man einfach mal ausprobieren kann. Das ist unser Ansatz. Erstmal machen und dann schauen, was daraus passiert (lacht).


Wie viel Sendezeit sollen solche aus Kooperationen hervorgehende Produktionen denn einnehmen?
Es wird erstmal einen festen Slot geben und aktuell ist es schon so, dass es relativ viele Anfragen gibt. Wir sind selbst etwas überrascht, wie viel positives und qualitatives Feedback wir diesbezüglich erhalten. Die Sendezeit wird generisch sein, je nachdem, wie stark die Formate sind. Bei Twitch können wir so etwas einfacher skalieren. Wenn in einer Woche mal ein Kollege da ist, der ein 90 Minuten-Format hat, aber das funktioniert sehr gut und macht sehr viel Spaß, dann wird das auch voll gezeigt. Es erfolgt danach immer der Hinweis, dass es mehr davon auf seiner persönlichen Plattform gibt. Wir agieren da anders als klassische Mutli-Channel-Networks und wollen keine Exklusiv-Rechte, denn die machen in unserem Kontext keinen Sinn. «Deine Show» wird dementsprechend so lang sein, wie es das Format braucht. Das können auch mehrere Formate sein. Je mehr passende Vorschläge wir kriegen, desto höher wird auch die Sendezeit dessen werden. Im Moment haben wir es erst einmal für einen Abend in der Primetime eingeplant. Wenn es aber so weitergeht, wie es aktuell ist, dann werden wir dafür mehr Zeit frei machen und das werden wir dann auch transparent kommunizieren. Es ist ein bisschen absurd, weil wir auf klassische Senderstrukturen in einer längerfristigen Planbarkeit verzichten, das ist aber der Dynamik des Internets geschuldet. Wir wissen nicht, ob das klappt, denn Strukturen und passive Sehgewohnheiten geben Sicherheit.

Ankerpunkte sind nach wie vor unsere eigenen Formate, auch eine App mit ein paar netten Features ist geplant, wo man nach persönlichen Vorlieben Notifikationen erhält, wann welche Sendung läuft.


Zwar habt ihr schon einigen Content auf YouTube, allerdings wird es trotzdem schwer, jeden Tag 24 Stunden bei Twitch zu füllen. Wie werdet ihr das in der Anfangszeit trotzdem schaffen? Setzt ihr zum Beispiel auf Wiederholungen, wenn ja, auch langfristig?
Das Ziel ist es, so gut wie es geht, immer frischen Content parat zu halten. Wir starten mit einer Live-Strecke täglich von ungefähr 19 bis 23 Uhr. Natürlich werden wir zum Start, auch weil die Zeitspanne nach der Ankündigung recht kurz war, auf Wiederholungen setzen. Aber das wird so schnell wie möglich durch die angepeilten Kooperationen aufgefüllt. Je nachdem, wie erfolgreich wir mit dem Sender sind, wollen wir auch mehr Live-Content produzieren. Es werden viele Live-Strecken aus unserem Haus produziert werden, mittelfristig ist auch geplant, dass wir einfach mal mitten in den Prozess hineinspringen. Das ist etwas, was ebenfalls in den Grundpfeilern von „RocketBeansTV“ drinsteckt. Der Produktionsprozess ist eigentlich wichtiger als das Endprodukt. Deshalb wird es auch vorkommen, dass wir am Vormittag und Mittag live darauf umschalten, wie wir uns gerade für den Abend vorbereiten. Wir lassen die Zuschauer an der Art und Weise, wie wir diesen Sender aufbauen, teilhaben. Man soll tatsächlich die Möglichkeit haben, dabei zu sein - ob wir daran scheitern oder erfolgreich sind. Das wissen wir selbst nicht 100-prozentig. Dennoch werden wir versuchen, mit so viel Herzblut und so viel Spaß an die Sache heranzugehen, dass es ansteckend ist. Die Leute sollen erkennen, dass es tatsächlich eine große Chance ist, daran zu partizipieren, um dann vielleicht daraus irgendwann etwas Größeres zu schaffen. Wir werden einige alte erfolgreiche Produktionen wiederholen, aber so wie es sich jetzt in der ersten Januarwoche ergeben hat, sind sehr viele Leute dabei, für deren Kreationen wir der Abspielort sein wollen und werden.

Rocketbeans.tv war bereits als YouTube-Channel sehr darauf bedacht, seine treue Community stark miteinzubeziehen. Welche Möglichkeiten werden die Zuschauer haben, mit euch zu interagieren?
Ganz wichtig ist dabei das Feedback. Wir haben gerade in den letzten Wochen das Netz durchforstet und geschaut, was die Leute hoffen und woran sie Kritik äußern. Eine andere Frage war, ob wir das überhaupt schaffen, 24 Stunden täglich zu senden. Wir planen im Hintergrund sehr viele interaktive Formate, bei denen wir allerdings erst im Prozess schauen müssen, ob wir aufwändigere Sachen, die oftmals die Möglichkeit zur Interaktion bringen, zeitlich gewuppt kriegen. Aber gerade in den Live-Fenstern zum Start werden wir viele Interaktionsmöglichkeiten parat halten. Es gibt den Klassiker, wo wir mit und gegen die Community Videospiele spielen.

Wir wollen den Leuten mit dem Einblick in die Produktion der Beiträge und MAZen ein Verständnis für die Wertigkeit des Handwerks geben. Wertiger zu produzieren bedeutet mehr Arbeit. Gerade im Bewegtbild ist der Zuschauer normalerweise gewohnt, alles umsonst zu kriegen. Das ist etwas, wofür wir eine verstärkte Sensibilität bewirken können, indem wir den Prozess abbilden.
Daniel Budiman über einen Teil der Inhalte bei RocketBeansTV
Es gibt auch noch andere Plattformen, vor allem im Rahmen von Spielen, mit denen die Interaktion ohnehin stark einhergeht, zum Beispiel bei „Minecraft“. Auch da haben wir Ansätze ausgearbeitet, die es in der Form noch nicht gibt, als eine Art Show-Programm. Darauf bereiten wir uns vor und das wird zum Senderstart leider noch nicht vorhanden sein, auch wenn wir uns extrem darauf freuen. Sonst sind wir sehr darauf bedacht, dass Zuschauer auch Themenvorschläge mitgestalten können, die Gesprächskultur steuern und Teil des Senders werden können. Das ist etwas, was wir und die Community uns ganz oft gewünscht haben. Zum Beispiel bei «Almost Daily», in dessen Rahmen wir auch Live-Formate machen werden, in denen Community-Mitglieder mit am Tisch sitzen sollen – erst mal nur digital. Bei «Pen-and-Paper», das bereits zwei Mal stattfand, soll die Interaktionsmöglichkeit ebenfalls stärker werden. Ziel ist es so interaktiv wie möglich zu sein, ohne dabei in die Klischeesprache der klassischen Fernsehlandschaft zu geraten.

Außerdem wollen wir den Leuten mit dem Einblick in die Produktion der Beiträge und MAZen ein Verständnis für die Wertigkeit des Handwerks geben. Wertiger zu produzieren bedeutet mehr Arbeit. Gerade im Bewegtbild ist der Zuschauer normalerweise gewohnt, alles umsonst zu kriegen. Das ist etwas, wofür wir eine verstärkte Sensibilität bewirken können, indem wir den Prozess abbilden.


Ihr seid in Bezug auf eure Channel-Abonnenten weit entfernt von Deutschlands Spitzenkanälen auf YouTube, trotzdem habt ihr es geschafft, eine Community aufzubauen, die euch regelmäßig bis an die Spitze der Twitter-Charts bringt und damit auf Augenhöhe der meistgesehenen YouTuber Deutschlands. Was ist deine Erklärung dafür, dass ihr eine derart aktive Community um rocketbeans.tv und „Game One“ aufgebaut habt?
Ich glaube wir haben eine sehr starke Community-Bindung, weil wir schon so unglaublich lange senden (lacht). Wenn ich an Etienne (Gardé, Anm. d. Red.) denke: Der ist, glaube ich, seit 15 Jahren im Fernsehgeschäft und seit jeher auch explizit im Internet unterwegs. Unsere Gesichter sind doch schon sehr penetrant über die Bildschirme geflattert, sei es im klassischen Fernsehen oder auf Internetplattformen. Viele Leute sind mit uns aufgewachsen und unsere Zielgruppe ist sehr stark mitgewachsen. Unsere eigenen Zahlen besagen, dass das Durchschnittsalter in unserer Community 28 Jahre ist. Wir filmen uns einfach, wie wir Sachen machen und wie wir im Prozess stehen. Ich glaube, das ist ein Unterschied zu vielen YouTubern, wo es vielleicht eher um die Eigeninszenierung geht, ohne es unbedingt wertend zu meinen.

Wir sind vielleicht auch einfach ein bisschen erfahrener und haben sehr viel Lebenszeit damit verbracht, dass Kameras auf uns gerichtet sind. Was das angeht, sind wir einfach ruhiger geworden. Das ist auch der Grund, warum viele Leute damals nach GIGA und GIGA Games drangeblieben sind. Darauf werden wir noch immer häufig angesprochen. Ich glaube, dass wir starke Aggregatoren und Influencer sein können, aber wirklich genutzt haben wir das noch nie. Nie haben wir es wirklich auf die Spitze getrieben, bzw. ein eiskaltes Geschäft daraus gemacht – auch das ist das, was YouTube gerade macht. Wir wollen Inhalte kreieren und damit auch Geld verdienen, aber eben nicht auf Teufel-Komm-Raus. Deswegen achten wir darauf, dass wir uns stets selbst treu bleiben. Viele Leute verstehen das, begleiten uns auf der Reise und haben auch schon gesehen, wie wir auf die Fresse gefallen sind, aber das gehört eben dazu – da sind wir auch ziemlich gut drin. Aber noch besser sind wir im Aufstehen und Weitermachen.

Viele wirklich gute YouTuber haben auch immer wieder gesagt, dass sie mit uns aufgewachsen sind. Das ehrt uns total. Wenn Leute, die eine unglaublich hohe Reichweite generieren, einem sagen, dass sie mit uns aufgewachsen sind und Bock haben etwas mit uns zu machen, dann ist das für uns wie ein Ritterschlag. Das macht uns stolz und vielleicht auch ein bisschen sentimental.

Lesen Sie auf der nächsten Seite, wie RocketbeansTV sein Geld investiert hat, wie rentabel Twitch ist, ob sich «Game One»-Charaktere in RocketBeansTV wiederfinden und wie es zum Ende von «Game One» kam.

Über RocketBeansTV

RocketBeansTV ist ein YouTube-Channel und baldiger Internetsender über Videospiele, Filme und Popkultur von den «Game One»-Schöpfern, hinter denen über 300 Folgen ihres Videospielmagazins im Fernsehen liegen. Hinter dem Kanal steht das Medienproduktionsunternehmen Rocketbeans Entertainment, das 2011 von Simon Krätschmer, Etienne Gardé, Nils Bomhoff, Daniel Budiman und Arno Heinisch gegründet wurde.
Der Twitch-Sender wurde zu sehr großen Teilen durch Crowdfunding finanziert. Habt ihr mit einer derart großen Beteiligung gerechnet?
Als wir vor ein paar Monaten die Support-Aktion ausgerufen haben, war das letztendlich die Konklusion aus unglaublich langen und schwierigen Grundsatzdiskussionen, weil wir im Team alle Ansätze durchgegangen sind, alle Plattformen analysiert und alle Möglichkeiten durchgerechnet haben, um das weiter finanzieren zu können, was wir gerne tun möchten. Als Kompromiss kam dann diese Support-Aktion heraus. Kein klassisches Crowdfunding im Sinne von „Stretch Goals“ oder ähnlichem, weil wir überhaupt erstmal ermitteln wollten, ob es eine Nachfrage gibt bei so viel Content, der gerade zur Verfügung steht.

Die Support-Aktion hat uns vollkommen weggeblasen, weil wir damit überhaupt nicht gerechnet haben. Den unglaublichen Support haben wir nicht nur finanziell erfahren, sondern auch einfach darin, was viele Leute uns gesagt haben. Anwälte haben ihre Hilfe angeboten - warum gerade die, weiß ich nicht. Wir machen rechtlich immer alles richtig (lacht). Aber es sind auch Leute vorbeikommen, die gefragt haben, ob sie etwas helfen können, weil sie gut handwerkern.


In was genau habt ihr das Geld investiert und wie stark seid ihr noch immer auf Support angewiesen?
Das Finanzielle, was dabei reingekommen ist, haben wir vollständig in unser Team investiert. Wir als Produktionsfirma stecken eigentlich das ganze Geld in Menschen rein, weil wir unterschiedliche Farben präsentieren wollen und dazu unterschiedliche Menschen mit einem unterschiedlichen Meinungen und Handwerk brauchen.

Wir sind aber bei weitem nicht so naiv, wie es nach außen hin den Anschein hat, sondern wir trauen uns vielleicht einfach ein bisschen mehr. Der Inhalt, den wir kreieren wollen mit der Community, ist uns so viel wert, dass wir es jetzt einfach mal machen.
Daniel Budiman
Der Channel wird auch nur dann bestehen bleiben, wenn die Support-Aktion weiter voranschreitet und die Zuschauer von sich aus sagen, dass sie das mit monatlichen Zahlungen von drei oder fünf Euro, mit einmaligen Zahlungen, durch einen T-Shirt-Kauf oder ganz simpel durch Weiterempfehlungen unterstützen. In der Planbarkeit dahinter sehen viele Kollegen aus der Industrie, Freunde, Fernsehsender oder Produktionsfirmen ein riesiges Fragezeichen. Wie will man Mitarbeiter langfristig halten, wenn man keine langfristige finanzielle Planbarkeit hat? Wir sind aber bei weitem nicht so naiv, wie es nach außen hin den Anschein hat, sondern wir trauen uns vielleicht einfach ein bisschen mehr. Der Inhalt, den wir kreieren wollen mit der Community, ist uns so viel wert, dass wir es jetzt einfach mal machen. Hoffentlich funktioniert es und hoffentlich sind die Zuschauer auch gewillt, diese Idee zu unterstützen.

Wenn mögliche Kunden und Kooperationspartner sehen, dass unsere Zuschauer freiwillig da sind und sogar Bock haben, das gemeinsame Projekt finanziell zu unterstützen, umso wahrscheinlicher treffen Kunden die Entscheidung, daran partizipieren zu wollen und zwar nicht wie im klassischen Gewerbe, wo ein Kunde dafür Geld bezahlt, dass wir ihr Produkt hochleben lassen. Kunden sollen für die Idee und die Community zahlen und nicht für die Bewerbung eines Produkts.

Es gibt auch gewisse Formate, die wir speziell auf die Kunden zuschneiden. Das wissen sie noch nicht, werden sie aber bald (lacht). Wir haben sehr gute redaktionelle Inhalte, die prädestiniert sind für einen oder sogar mehrere Kunden, dass sie gemeinsam die Party bezahlen. Dadurch wird hoffentlich bald die Planbarkeit eintreten, die wir aber Stand jetzt bereits deutlich erkennen können. Für mehr Content, für hochwertigere Produktionen, benötigen wir aber selbstverständlich auch ein entsprechendes Budget. Die Bombe ist eh explodiert, jetzt schauen wir, wie lange wir fliegen und dann gucken wir, ob wir wieder aufstehen – so wie immer (lacht). Alles ist möglich. Wir haben uns jetzt auch auf einen Claim geeinigt: „Alles muss, nix kann.“ (lacht) Das ist natürlich mit einem deutlichen Augenzwinkern versehen, aber wir wollen versuchen allen Leuten klarzumachen, dass das Netz anders agiert als das klassische Fernsehen und daran wollen wir alle öffentlich teilhaben lassen.


Wie rentabel ist Twitch im Vergleich zu Fernsehformaten und YouTube-Channels aus finanzieller Sicht? Ihr habt bereits betont, dass ihr mit eurem YouTube-Channel keinen Gewinn erzielt
.
Es gibt bei Twitch die klassischen Subscriptions, ein monatliches Abo-System. Je mehr Leute sich entscheiden, uns über Twitch zu supporten, desto klarer wird auch für uns eine Planbarkeit. Twitch wird in der Form lukrativ sein, weil das einfach die feste Plattform ist. Über den Sender an sich haben wir auch die Möglichkeiten, mithilfe von Support-Flächen Kunden länger zu binden. Darin können sie ihre Aktionen und ihre Form der Partizipation entsprechend darstellen. Man muss sich den RocketBeansTV-Channel so vorstellen, dass wir versuchen alle Plattformen so zu nutzen, wie sie im Netz vorhanden sind. Wir werden alle Kanäle und Plattformen zusammenzählen und so Summen generieren, um unsere Planung entsprechend weiterzuführen.


Sicherlich seid ihr bei Twitch viel freier in euren Entscheidungen als in den acht Jahren mit «Game One». Was ist bei Twitch möglich, was bei Viacom nicht möglich war? In welcher Hinsicht musstet ihr euch bei „Game One“ einschränken?
Das war für uns eben oftmals schade, weil wir Ideen hatten, die erst Jahre später aufgekommen sind und auch als Erfolge gefeiert wurden, während wir mit guten Datenauswertungen und Strategien eigentlich schon ein paar Jahre zuvor dran waren. Genau das können und müssen wir jetzt machen.
Daniel Budiman über die Arbeit mit Viacom
Das Modell bei Viacom war ganz einfach – das ist ein Megakonzern, keine Frage. Dort hatten wir einfach nicht das Recht eigene Geschäfte zu führen, was völlig normal und legitim ist. Das, was da vielleicht manchmal frustrierend war, war dass wir uns in der Games-Industrie besser auskannten und den direkteren Kontakt zu möglichen Kooperationspartnern hatten. Bei einem so großen Sender ist das einfach untergegangen, das soll aber jetzt mitnichten ein Nachtreten sein. Meckern tun wir nicht, das ist ein riesengroßer Konzern, der international agieren muss. Das war für uns eben oftmals schade, weil wir Ideen hatten, die erst Jahre später aufgekommen sind und auch als Erfolge gefeiert wurden, während wir mit guten Datenauswertungen und Strategien eigentlich schon ein paar Jahre zuvor dran waren. Genau das können und müssen wir jetzt machen. Die ganzen Ideen und Konzepte, die vielleicht auch das „Geschäft von Morgen“ anpeilen, werden wir jetzt auch selbst vertreten können. Etwas, das wir als Auftragnehmer von Viacom nicht machen durften.

Wir können jetzt frei reden, ihnen unsere Ideen und Konzepte vorstellen und eigenständig verhandeln. Unsere eigenen Daten können wir unmittelbar auswerten, was ein riesengroßer Vorteil ist, wenn man Kooperationsgespräche machen möchte, die nicht auf die klassische Werbefinanzierung abzielen.

Werden sich «Game One»-Rubriken oder -Charaktere auch auf rocketbeans.tv wiederfinden?
Das werden wir sehen. Wir befinden uns tatsächlich immer noch im Gespräch und unsere Gespräche mit Viacom sollen auch gar nicht enden. Vielleicht müssen wir auch an der Stelle nochmal dringend kommunizieren: Wir sind extrem dankbar! Kein anderer Sender hätte uns acht Jahre machen lassen – das ist wirklich Wahnsinn. An der Stelle noch einmal ein dickes Danke an die Kollegen, auch die, die innerhalb der acht Jahre wieder verschwunden sind. Wir glauben zwar nicht, dass «Game One» so mit uns noch einmal auftauchen wird, aber wir wollen nichts ausschließen.

Ob die Charaktere wieder auftreten werden, müssen wir sehen. Das steht einfach noch nicht fest. Was wir bei «Game One» gemacht haben, war unser Kreativ-Pool und unsere Plattform all die Jahre. Darin haben wir ganz viele kreative Ideen reingefeuert und ausprobiert, das wird auf unserem eigenen Channel nicht anders sein. Es kam auch oft die Frage, ob wir etwas Vergleichbares wie «Game One» zum Start unseres Senders produzieren werden. Das werden wir aktuell nicht schaffen. Wir haben stark darüber diskutiert, aber um diese Qualität zu erreichen, müssten wir sehr viele Kollegen an das Format binden, was wir anlässlich des Channel-Starts nicht gewährleisten können. Obwohl wir viele Leute sind, wollen wir den Fokus erstmal auf den Sender legen und diese Basis ausbauen. Es soll nicht passieren, dass sich auf Kundenseite ein Unternehmen aus der Games-Industrie unsere redaktionelle Meinung erkauft, vielleicht können wir aber viele aus der Games-Industrie daran begeistern, dass sie gemeinsam partizipieren. Dann haben wir auch Bock, genau das wieder zu produzieren. Was diese Formatierung angeht, sind wir auch im Gespräch mit anderen Sendern. Fernsehen und Gaming können wir. Außerdem können wir das Konzept von «Game One» auch frei skalieren. Wir können das Format seriöser, länger oder sogar noch klamaukiger machen, wobei letzteres schon ein bisschen schwer ist.

«Game One» war bei den Viacom-Sendern als Eigenproduktion eine absolute Ausnahmeerscheinung, zudem habt ihr euch über acht Jahre Laufzeit eine große Fanbase aufgebaut. Wie hat Viacom euch die Einstellung erklärt? Für viele Betrachter machte die Entscheidung von außen wenig Sinn.
Die Diskussion, ob «Game One» weitergeht oder nicht, ist für uns als Arbeitnehmer, Kooperationspartner und Dienstleister nicht neu. Wir haben jedes Jahr neu verhandelt. Viacom sagt auch selbst, dass es der Zeit geschuldet ist. Alles steht und fällt im wirtschaftlichen Vergleich zur Konkurrenz. Ein YouTuber braucht nur eine HD-Cam und damit generiert er 33 Millionen Views. Dann wird uns die Frage gestellt, warum wir das nicht auch so machen können. Das ist ein Extrem, das in der ganzen Budgetplanung bei jedem Geldgeber mitschwingt. Wir hätten selbstverständlich gerne weitergemacht und Viacom auch, aber schlussendlich liegt dem eine internationale Strategie zugrunde, auf die ich nicht weiter eingehen kann und werde, die aber schlussendlich zu dieser Entscheidung geführt hat.

Leider ist es jetzt so passiert und vielleicht ist das auch durch eine, den Feiertagen geschuldete, Miskommunikation falsch rübergekommen. Die Entscheidung ist zahlenbasiert und menschlich gesehen sind sich alle einig, dass es eine extrem coole Sache war.
Daniel Budiman über das Ende von "Game One"
Wir finden es selbst schade, aber die Erde dreht sich weiter. Alle Geschäftsfelder sind in einem so starken Umbruch, dass so eine klassische Formatierung, wie wir sie hatten, für die Partei einfach nicht mehr geklappt hat. Für uns ist es natürlich in dem Sinne traurig, denn «Game One» sind wir. So oder so war das immer ein stetes Hin-und-Her, sonst hätten wir gar nicht die acht langen Jahre produzieren können, wenn nicht gegenseitig Zugeständnisse gemacht worden wären. Leider ist es jetzt so passiert und vielleicht ist das auch durch eine, den Feiertagen geschuldete, Miskommunikation falsch rübergekommen. Die Entscheidung ist zahlenbasiert und menschlich gesehen sind sich alle einig, dass es eine extrem coole Sache war. Das ist ja auch nicht selbstverständlich so einen Schwachsinn acht Jahre lang zu zeigen (lacht).

Besteht durch die Einführung eures Senders bei Twitch überhaupt noch eine Notwendigkeit für den YouTube-Kanal oder werdet ihr die Angebote miteinander verbinden, vielleicht auch exklusive YouTube-Formate beibehalten?
Das bleibt definitiv weiter bestehen. Eine Bedingung von uns war es, dass wir auch weiterhin unsere Formate On-Demand auf YouTube positionieren können. Viele Leute sehen heutzutage den linearen Ablauf eines Senders als unmodern an. Die Leute wollen On-Demand bestimmen, welche Formate, sie sich zu welcher Uhrzeit ansehen können, das ist uns bewusst. Wenn jemand etwas verpasst hat, dann kann er auf den YouTube-Channel gehen und sich nach seiner Vorliebe und in seinem Zeitrhythmus die Formate ansehen, die wir produziert haben. Der Twitch-Sender wird die Plattform sein, wo es zuerst ausgestrahlt wird. Twitch hält hierbei das Live-Element dagegen, das YouTube nicht hergibt und live ist immer etwas Besonderes. Die Leute, die live dabei sein wollen und auch die Interaktion nutzen möchten, finden die Formate bei Twitch und diejenigen, die arbeiten müssen oder zu dem Zeitpunkt lieber etwas anderes machen, die können auf YouTube zugreifen.

Vielen Dank für das Interview, Daniel Budiman.

RocketBeansTV nimmt seinen Sendebetrieb ab dem 15. Januar um 19 Uhr auf.
13.01.2015 16:01 Uhr  •  Timo Nöthling Kurz-URL: qmde.de/75647