Die Kritiker: «Kommissarin Heller - Querschüsse»

Ein Amoklauf, aber möglichst familienkonform bitte! Lisa Wagner ermittelt in ihrem dritten Fall im ZDF.

Cast & Crew

Darsteller: Lisa Wagner ist Winnie Heller, Hans-Jochen Wagner ist Hendrik Verhoeven, Peter Benedict ist Burkhard Hinnrichs, Christian Schmidt ist Sander Laurin, Daniela Holtz ist Corinna Lukosch
Buch: Mathias Klaschka
Regie: Christiane Balthasar
Schnitt: Andreas Althoff
Kamera: Hannes Hubach
Produktion: Ziegler Film





Es sind die wohl intensivsten und beeindruckensten zehn Anfangsminuten eines ZDF-Samstagskrimis seit Langem. Sie schaffen das, was keinem Film der Reihe im kompletten vergangenen Jahr in dieser Form gelang: Echte Gänsehaut. Schüsse fallen in einer Schule, ein Maskierter im Parka schießt wild um sich, gefilmt mit hektischen und wackligen Bildern - am Ende sind drei Menschen tot. Zwei Schüler und die Direktorin. Jene Schulchefin, die kurz zuvor noch rabiat und schimpfend über den Schulhof stolziert war. Was bleibt sind Furcht und Schrecken - zerfledderte Bücher und Mäppchen im Treppenhaus.

Und dann kommt Winnie Heller, zum dritten Mal gespielt von Lisa Wagner, die zuvor vor allem durch ihre Nebenrolle im Münchner «Tatort» bekannt war und der ZDF-Film wird zur erwartbaren Kost. Das liegt keineswegs an der Darstellerin, sondern an den Vorgaben des Buches.. Die Resonanz auf Wagners neue ZDF-Reihe, angesiedelt in Wiesbaden, war bisher recht wohlwollend, nie aber überschwänglich lobend. Und auch die Folge «Querschläger» schafft es nicht, sich qualitativ wirklich zu steigern, denn nach den wahrlich grandiosen ersten Minuten packten Autor Mathias Klaschka und Produzentin Regina Ziegler das hinein, was in einem ZDF-Samstagskrimi eben nicht fehlen darf.

Ein paar fetzige Sprüche und eine Vielzahl an familiären Problemen. Genau diese führen aber dazu, dass der eigentliche Fall gar nicht als so intensiv wahrgenommen werden kann, wie er es verdient hätte. Den Amoklauf erlebt mit der jungen Nina nämlich auch die Tochter von Heller-Kollege Hendrik Verhoeven aus nächster Nähe. Das junge Ding wird danach nicht nur von schlimmen Albträumen der Tat wegen geplagt, sondern ist seit geraumer Zeit auch Opfer von schlimmem Mobbing an der Schule. Später wird gar der vierbeinige Wauzi der Familie umgefahren - und fertig ist der Familien-Stress, der in einer guten ZDF-Produktion eben nicht fehlen darf, ruhig aber mal sollte.

So mancher «Tatort» wird derzeit eben nur so gut, weil er konsequent sein will und darf. Und diese Konsequenz wäre beim aktuellen Fall von «Kommissarin Heller» so wünschenswert gewesen. Hätte man sich darauf einigen können, den Schnick-Schnack drumherum wenigstens nur auf die Probleme der titelgebenden Hauptfigur zu reduzieren, wäre ein tieferes Einsteigen in den eigentlichen Fall und die damit verbundenen Charaktere möglich gewesen. Stattdessen aber kratzt «Querschläger» oft nur an der Oberfläche.

Das gilt übrigens auch für die Charakterentwicklung von Winnie Heller, die im zweiten Fall ihre im Wachkoma liegende Schwester verloren hat und nachwievor enorm unter dem Tod leidet. Heller zeigt deshalb im Jahr 2015 neue Charakterzüge - vergnügt sich wahllos mit einem SEK-Beamten auf einem Drehstuhl, streitet mit den Eltern und stürzt sich entsprechend in die Arbeit. Das ist durchaus mutig - zumindest wenn man Vergleiche zu anderen Samstagsformaten des Mainzer Programms zieht.

Immerhin kommen die Ermittlungen recht schnell voran. Schon kurz nach dem ersten Check des Tatorts ist ein Verdächtiger schnell ausgemacht: der 17-jährige Problemschüler Nikolas Hrubesch, der vor kurzem einen Schulverweis erhalten hat und nun unauffindbar ist. Als sich die Ermittler in Nikolas' Elternhaus umsehen, lassen mehrere Hinweise darauf schließen, dass der von seinen Mitschülern gedemütigte Schüler einen Amoklauf plante. Am Ende siedelt sich «Kommissarin Heller» zwar wieder im oberen Drittel der aktuellen Krimireihen des Zweiten an. Der spannende Fall, die stark spielende Lisa Wagner und vor allem die letztlich wieder tollen finalen 15 Minuten, versöhnen die Kritiker. Und dennoch: Kein Film der Reihe hat bis dato so viel Potential verschenkt wie dieser. Und so bleibt auch neun Monate nach der Premiere der Reihe eine Erkenntnis, die Kritiker Julian Miller schon zur Premiere des Formats zog: Mit «Kommissarin Heller» soll lediglich das offensichtlich Altbackene vermieden werden, Plots wie Szenen und Figuren sollen weniger überzeichnet wirken, nicht mehr so plump, so banal, so dümmlich wie bei der ubiquitären Massenbefriedigung auf die öffentlich-rechtliche Art. Das genügt in jedem Fall, um dem ZDF-Zuschauer einen guten Abend zu bereiten. Daran denken, was möglich gewesen wäre, wenn diese Frau Heller sonntags im Ersten ermittelt hätte, darf man aber nicht.

Das ZDF zeigt «Kommissarin Heller - Querschläger» am Samstag, 10. Januar 2015, um 20.15 Uhr.
08.01.2015 19:17 Uhr  •  Manuel Weis Kurz-URL: qmde.de/75518