Vom Held der Sparte hinein in den öffentlich-rechtlichen Mainstream? Nach erfolgreicher Etablierung seines «Neo Magazin» soll Jan Böhmermann den nächsten Schritt gehen - und der darf bitte nicht ProSieben heißen.
Im Oktober überraschte das ZDF mit der Ankündigung, «Neo Magazin» ab Februar 2015 ins Hauptprogramm aufnehmen zu wollen. Das Format ist auch ein gutes Jahr nach seinem Start beim Spartensender ZDFneo noch immer kein Garant für herausragende Einschaltquoten, der Moderator Jan Böhmermann eine streitbare und spezielle Person, deren Massentauglichkeit zumindest in Frage gestellt werden muss. Doch nachdem es die Mainzer bereits bei Joko Winterscheidt und Klaas Heufer-Umlauf schon einmal verpassten, ihrem Nachwuchs ausreichend Perspektiven zu verschaffen, ist die Beförderung auch als Fingerzeig zu verstehen: Auch bei uns muss man nicht ewig in der Sparte versauern.
Vor allem in dieser Hinsicht markiert das aktuelle Kalenderjahr einen Wendepunkt gegenüber der bisherigen Böhmermann-Tätigkeit. Die im August und September gezeigte Comedy-Show «Was wäre wenn» entpuppte sich für RTL zwar schnell als Quotenflop und wurde nach drei Folgen vorzeitig abgesetzt, verschaffte dem Satiriker allerdings zumindest eine gewisse Aufmerksamkeit in der breiteren Öffentlichkeit. Schon 2009 versuchte er sich mit «TV-Helden» erfolglos daran, bei Deutschlands größtem Privatsender Fuß zu fassen - damals allerdings noch als frisches und selbst in der Branche weitgehend unbekanntes Moderationstalent. Meint man es gut mit den Karriereaussichten Böhmermanns, kann man ihm das jüngste RTL-Engagement als Warnung gegenüber "seinem" ZDF auslegen, ihn doch etwas prominenter zu platzieren.
Ohnehin täte man dem jungen Entertainer Unrecht, wenn man ihn auf seine Late-Night reduziert. Im WDR sorgte zuletzt die anarchische Sketch-Show «Die unwahrscheinlichen Ereignisse im Leben von...» für Aufsehen, für die er als Executive Producer und Songtexter verantwortlich zeichnet. Seine wöchentliche Radiosendung «Sanft & Sorgfältig» mit Olli Schulz hat sich zudem eine treue Fangemeinde aufgebaut und wird regelmäßig bei den meistgehörten Podcasts gelistet. Vor einigen Monaten lieferte er sich darüber hinaus einen inszenierten "Show-Krieg" mit Joko und Klaas in «Neo Paradise», die auf dem besten Weg sind, sich als größte ProSieben-Sendergesichter nach Stefan Raab zu etablieren. Zudem geht er deutschlandweit mit Bühnenprogrammen auf Tour - unter anderem mit Klaas Heufer-Umlauf, mit dem er auch bereits zwei Hörspiele verwirklichte.
Jan Böhmermann ist also gewiss nicht davon abhängig, dass sein Sprung ins Hauptprogramm auf Anhieb gelingt. Von Kritikern und Fans gleichermaßen geschätzt kann er sich weiterer Aufträge und der Beachtung seiner Projekte mittelfristig sicher sein. Die einzige Frage, die sich nach den vielen Erfolgen der jüngeren Vergangenheit stellt, ist die, ob sein Humor und sein sarkastischer bis zynischer Umgang mit der Medienwelt kompatibel ist mit den Sehgewohnheiten des Durchschnittszuschauers. Bislang neigt man eher dazu, diese Frage zu negieren. Sollten die Skeptiker Recht behalten, wird es nach diesem turbulenten Jahr mit diversen gelungenen und nur wenigen enttäuschenden Projekten interessant zu beobachten sein, welche Lehren der Moderator daraus zieht: Die von Joko und Klaas durchgeführte Annäherung an den Mainstream oder die völlige Fokussierung auf abseitige Unterhaltung für die Minderheit.