«State of Affairs»: Das «Homeland» für Arme?

Katherine Heigl kehrt nach vier Jahren wieder ins US-Fernsehen zurück: als CIA-Analystin, die privat so gar nicht staatsmännisch ist. Über eine US-Serie, die nach ihrer Relevanz sucht…

Cast & Crew

  • Hauptdarsteller: Katherine Heigl («Grey's Anatomy»), Alfre Woodard («12 Years a Slave»), Adam Kaufman, Sheila Vand, Cliff Chamberlain, Tommy Savas, David Harbour
  • Ausführende Produzenten: Katherine Heigl, Joe Carnahan («The Blacklist»), Robert Simonds («Das gibt Ärger») u.a.
  • Erfinderin: Alexi Hawley (Produzentin «The Following»)
Es ist fast schon eine One-Woman-Show, die Katherine Heigl in «State of Affairs» gibt, so sehr fokussiert sich die neue Dramaserie auf ihre Figur. Heigl spielt eine CIA-Analystin, und als solche hat sie auf den ersten Blick deutlich mehr Befugnisse, als ihr zustehen: Täglich unterrichtet sie der US-Präsidentin im morgendlichen Briefing, welche Entscheidungen anstehen, wie sich globale Bedrohungen entwickeln. Diese CIA-Analystin, Charleston „Charlie“ Tucker, hat aber mehr als eine berufliche Beziehung zur Präsidentin: Sie war auch ihre Schwiegertochter, verlobt mit deren Sohn. Bis dieser vor einem Jahr bei einer Mission in Kabul starb.

Richtig gelesen: Ein bisschen fühlt sich diese Prämisse an wie aus einer billigen Soap gegriffen, zum Glück fasst «State of Affairs» das Thema einigermaßen glaubwürdig an. In der ersten Folge wird ein Video von islamischen Terroristen veröffentlicht, die einen amerikanischen Arzt gefangen halten. Dieser hat verblüffende Ähnlichkeit mit Charlies verstorbenem Verlobten, mit dem Sohn der Präsidentin. Ob er es wirklich ist, wird offengelassen; es ist das erste Mysterium der Serie. Charlie muss immer wieder über den Vorfall in Kabul – den sie am eigenen Leib miterlebte – nachdenken, sich wieder und wieder fragen, ob ihre Erinnerungen sie täuschen und was sie vergessen hat. Alles erinnert ein wenig an «Homeland», an Carrie Mathison, deren Satz uns nachhallt: „I missed something once before…“

Und auch sonst hat «State of Affairs» einige Parallelen zum hochgelobten Polit-Thriller: Charlie hat, ähnlich wie Carrie, psychische Probleme. Seit dem Tod ihres Verlobten ist sie in Behandlung, ertränkt ihre Trauer im Alkohol und stürzt sich in One-Night-Stands. Die Charakterisierung ihrer Figur nimmt in Folge zwei Fahrt auf, nachdenkliche und ruhige Passagen werden eingestreut – homöopathisch wohlgemerkt. Denn sonst rauscht die Serie in Hochgeschwindigkeit am Zuschauer vorbei, manchmal so schnell, dass er inhaltlich kaum mitkommt. Bisweilen ist das Ganze anstrengend, sodass man zwangsweise an den Punkt kommt, an dem man über die Relevanz des Dramas nachdenkt: Warum dieses schauen, wenn es «Homeland», aber auch «Scandal» und «Madam Secretary» gibt?

Zunächst wäre da das schnelle Erzählen, das einige Zuschauer begeistern könnte – zumal es durchaus gewollt ist: Man will den politischen (Außer-)Alltag beim CIA mitreißend und authentisch abbilden, und zeitweise vergisst man dabei wirklich die Storyschwächen, die diese Authentizität dann wieder zunichtemachen: Da gibt es plötzlich einen Eindringling, der bis in den siebten Stock des CIA-Hauptquartiers gelangen kann. Da gibt es eben diese Charlie Tucker, die immer ins Oval Office hineinspazieren kann, wann sie will. Und schließlich gibt es einen mysteriösen Stalker, der Charlie ständig kryptische SMS schickt, und der über den Kabul-Vorfall Bescheid weiß. «Pretty Little Liars» auf politisch. Und ein bisschen lächerlich.

Zu gefallen weiß auch ordentliche Charakterisierung der Figur Charlie Tucker, für die man sich im Laufe der ersten beiden Folgen immer mehr Zeit nimmt. Katherine Heigl liefert hier eine gute Performance ab. Die ansonsten schnelle Erzählweise geht aber auf Kosten der Nebenfiguren, die größtenteils blutleer und nicht erwähnenswert sind. Einzig Alfre Woodard als energische US-Präsidentin (Foto unten) weiß zu überzeugen.

«State of Affairs» ist außerdem sehr stark inszeniert, zum Beispiel mit Außenszenen im Nahen Osten. Immer wieder werden beeindruckende Lichteffekte oder visuelle Überraschungen, beispielsweise eine Nachtsichtkamera, eingesetzt. Und wenn man einige Plotholes und einen großen Klecks Pathetik ausblenden kann, sind auch die ersten beiden Missionen durchaus mitreißend. In der ersten Folge geht es um die Frage, ob man einen gesuchten Top-Terroristen ermorden will oder die verfügbaren Einsatzkräfte dafür einsetzt, den gekidnappten Arzt aus der Hand fanatischer Kämpfer zu befreien. Entsprechende Geiselvideos sind derzeit nahe an der Realität (die Folge wurde vor den Enthauptungen des IS gedreht). In Folge zwei hat ein russisches U-Boot eine Informationsleitung mit streng vertraulichen Informationen angezapft und Charlies Team muss einen Weg finden, dass diese Informationen nie das Boot verlassen.

Dass «State of Affairs» in Folge zwei deutlich zulegt und sich möglicherweise zu einem starken Neustart entwickelt, könnte schon fast zu spät sein: Innerhalb einer Woche hat die Serie ein Drittel ihrer Zuschauer verloren und liegt in der Gunst der werberelevanten jüngeren Zuseher bereits weit hinten. Richtig bedauerlich ist das aber nicht.
28.11.2014 12:14 Uhr  •  Jan Schlüter Kurz-URL: qmde.de/74747