Alexander Bukow aus dem Rostocker «Polizeiruf» war bisher oft eine Glorifizierung des Überkommenen. Heute Abend ist das anders. Das tut der Reihe unglaublich gut.
Cast & Crew
Vor der Kamera:
Charly Hübner als Alexander Bukow
Anneke Kim Sarnau als Katrin König
Andreas Guenther als Anton Pöschel
Fanny Staffa als Vivian Bukow
Josef Heynert als Volker Thiesler
Uwe Preuss als Henning Röder
Andreas Schmidt als Arne Kreuz
Hinter der Kamera:
Produktion: filmpool
Drehbuch und Regie: Eoin Moore
Kamera: Jonas Schmager
Produzentinnen: Iris Kiefer und Ilka FörsterBadass-Cop Bukow aus Rostock ist im Allgemeinen ja
nicht viel zuzutrauen. Eine harte Schale mit dem weichen Kern soll er sein, ein Typ, der gerne die Regeln bricht, der bürokratische Vorschriften hasst und dem rechtsstaatliche Prinzipien, die ihm zwangsläufig die Arbeit erschweren, ein furchtbarer Dorn im Auge sind. So weit, so undifferenziert geht es in Meck-Pomm meistens zu, wenn «Polizeiruf»-Zeit ist.
Umso überraschender, dass das diesmal anders ist. Das hat in erster Linie mit der emotionalen Schwere des Falls zu tun, der dem Zuschauer deutlich mehr zumutet, als das dem Ersten im Regelfall so lieb ist: Jeanette Kreuz hat sich von ihrem Mann Arne getrennt und lebt nun mit den drei gemeinsamen Kindern alleine. Arne ist psychisch gestört, die Ehe war geprägt von seiner Herrschsucht und seinem Kontrollzwang. Die Trennung hat ihn ziemlich mitgenommen, der Rausschmiss aus seiner guten Position bei einer renommierten Firma und der damit einhergehende Statusverlust samt finanziellen Problemen tun ihr Übriges.
Für den Fall, dass seine Frau nicht zu ihm zurückkommt, ist er zum Äußersten bereit. Eines Abends kreuzt er in ihrer Wohnung auf und will ihr „eine letzte Chance geben“. Sie lehnt ab, er ersticht sie und bringt anschließend eines der gemeinsamen Kinder um. Ruhig, bedacht und strukturiert.
Als Alexander Bukow mit Kollegin Katrin König und weiteren Beamten am Tatort eintrifft, ist der Schock riesig. Schnell stellt sich heraus, dass die anderen beiden Kinder bei Jeanettes Eltern sind. Es ist davon aufzugehen, dass Arne auch sie im Rahmen eines erweiterten Suizids umbringen will.
Angesichts eines so dichten Drehbuchs bleibt wenig Zeit für Bukows krude Ansichten, für das forcierte Darstellen seiner Entrücktheit, für seine klischeehaften
Man’s Man-Attitüden. Auch wenn sich der Krimi-Plot etwas arg überzogen in seinem Privatleben spiegeln soll: Bukows Frau hat seit längerem eine Affäre mit seinem Kollegen – und in „Familiensache“ kriegt der knallharte Ermittler das endlich mal spitz. Aber auch an diesem Punkt zeigt sich die aktuelle Folge sensibler, vielschichtiger als die meisten anderen der Rostocker Reihe: Wo man stumpfes Getobe erwartet hätte, bekommt man feiner entworfene Szenarien gezeigt. Das hätte man dieser Reihe gar nicht zugetraut.
Es ist ein intensiver Film geworden, einer, der Klischees weitgehend zu vermeiden versucht, was ihm oft auch gelingt. Trotzdem will man auf das Plakative so ganz nicht verzichten: „Unsere Gesellschaft hat für Versager nur den Platz unter der Brücke“, muss der Plot didaktisch zusammengefasst werden, während Andreas Schmidt den psychopathischen Mörder zumeist sehr eindringlich, stellenweise aber auch zu deutlich an manchem Klischeebild orientiert gibt. Doch diese einzelnen nicht so richtig überzeugenden Momente schmälern den guten Eindruck des ansonsten spannenden dramaturgischen Konstrukts kaum. Endlich hat Charly Hübner mit diesem Drehbuch die Grundlage dafür, seinen Bad-Ass-Bukow mit einer weit größeren emotionalen Bandbreite darzustellen. Allein deshalb sieht man gerne zu.
Das Erste zeigt «Polizeiruf 110 – Familiensache» am Sonntag, den 2. November um 20.15 Uhr.