Der fast vergessene Präsident

Mit «Landauer» erzählt das Erste die Geschichte des ehemaligen FC Bayern-Präsidenten, die nicht nur Fußballfreunde fesseln dürfte.

Cast & Crew

Vor der Kamera:
Josef Bierbichler («Verbrechen nach Ferdinand von Schirach») als Kurt Landauer, Jeanette Hain («Dreileben») als Maria Baumann, Herbert Knaup («Go West – Freiheit um jeden Preis») als Siggi Hermann, Andreas Lust («Eine ganz heiße Nummer») als Conny Heidkamp, Andrea Wenzl («Zappelphilipp») als Inge Streicher, Johannes Lechner als Martin Möllinger, Eisi Gulp («Dampfnudelblues») als Radschuweit


Hinter den Kulissen:
Regie: Hans Steinbichler, Buch: Dirk Kämper, Musik: Alex Komlew, Kamera: Bella Halben, Schnitt: Wolfgang Weigl, Produktion: Zeitsprung Pictures und Michael Souvignier

Noch vor wenigen Jahren dürfte den allerwenigsten Menschen im Land der Name Kurt Landauer etwas gesagt haben. Inzwischen sind es vermutlich ein paar mehr, die mit seiner Person etwas anfangen können. Dennoch, in der breiten Masse ist er noch immer nicht angekommen. Das aber Landauer überhaupt wieder auf der Tagesordnung angelangte, darf man einer Organisation verdanken, die in weiten Teilen der Republik eher wenig beliebt ist: Der Schickeria. Die Schickeria ist die Ultragruppe des FC Bayern München und als solche Teil der von Fans anderer Clubs gerne als Operettenpublikum verschrienen Münchener Südkurve. Eben jenem Kurt Landauer widmet das Erste nun den Spielfilm «Landauer – Der Präsident».

Was aber hat dieser Mann überhaupt geleistet? Der Filmtitel dürfte all jenen, die nicht ohnehin Bescheid wussten, einen entscheidenden Hinweis gegeben haben. Kurt Landauer war Präsident. Nicht irgendein Präsident, sondern der Präsident des frühen FC Bayern und als Solcher nicht unerheblich an der Professionalisierung des Fußballs in Deutschland beteiligt. Bis es allerdings soweit war, musste er den Roten zunächst einmal zu sportlichem Erfolg verhelfen. Das gelang ihm zwar nicht als Spieler, obwohl Landauer schon im Jahre 1901 für die Mannschaft kickte. Auch in seinen ersten Amtszeiten als Präsident, von 1913 bis 1914 und 1919 bis 1921, blieben die großen Triumphe noch aus. Erst 1932, in Landauers dritter Amtsperiode, folgte der erste deutsche Meistertitel für den heutigen Rekordmeister.

Nun wäre alleine das zwar ein schöner sportlicher Erfolg, dem eine nicht weniger erfolgreiche Vereinsgeschichte folgen sollte. Um aber einen abendfüllenden Spielfilm mit Unterhaltungsanspruch über den Personenkreis von außerordentlich Fußballbegeisterten hinaus zu schaffen, wäre das dennoch zu wenig. Relevant ist die Person Landauer noch viel mehr, weil er als deutscher Jude sein Präsidentenamt im Jahr 1933 abgeben musste – zuvor verlor er auch seinen regulären Job. Kurz nach der Reichspogromnacht wurde Landauer ins Konzentrationslager Dachau gebracht, aus dem man ihn nach etwa zwei Monaten entließ, woraufhin er in die Schweiz floh. Vier seiner Geschwister wurden jedoch durch die Nazis umgebracht. Nach dem überstandenen Krieg wollte Landauer dann nach New York auswandern.

Auf der Durchreise wird er allerdings in München aufgehalten. Genau an dieser Stelle setzt die Geschichte des Films an. Eigentlich nämlich ist der ehemalige Präsident überzeugt davon, Deutschland für immer den Rücken kehren zu wollen, zumal es nicht mehr wirklich viel gibt, das ihn in München halten könnte. Doch als er die Mitgliederversammlung des FC Bayern besucht, brechen die Anwesenden in Jubel aus. Und seine alte Liebe kann Landauer nicht so einfach loslassen. Jedoch muss er feststellen, das mit Kriegsende eben nicht alle antisemitischen Gedanken auf einmal aus den Köpfen verschwunden sind und das noch immer viel Misstrauen herrscht. Außerdem ist es nicht wirklich einfach das Stadion an der Grünwalder Straße wieder aufzubauen und die Lizenz für den Verein von den amerikanischen Besatzern zu bekommen. Und die meisten Menschen haben in der Nachkriegszeit ohnehin ganz andere Sorgen als den Fußball. Dabei ist Landauer, wie viele seiner Wegbegleiter, sicher: Der Fußball ist ein Weg die Menschen zu versöhnen – und das gleich in vielerlei Hinsicht.

Zwar hat man so anfangs den Verdacht, Landauer soll als Philanthrop und Idealist vor dem Herren dargestellt werden. So eindimensional ist die Charakterisierung der ohne Zweifel eindrucksvollen Persönlichkeit aber kaum. Landauer wird auch kritisch eingeordnet und nicht glorifiziert, wie es unter Umständen zu befürchten gewesen wäre. Dennoch wird sein Wirken insgesamt positiv dargestellt, was sicherlich berechtigt ist. Geht man als unbedarfter Zuschauer in die Geschichte, so mag man sich als Solcher zu Beginn durchaus Fragen, ob die Story es wirklich Wert ist, erzählt zu werden. Falls man dies zu Beginn tatsächlich denkt, so dürften diese Sorgen aber bald aus der Welt geschafft werden.

Lobenswert zu erwähnen ist die Tatsache, dass die Machtergreifung und der Krieg als Themen bewusst ausgelassen werden. Die erzählten Grundpfeiler der Geschichte werden somit gekonnt hervorgehoben. Was die Themensetzung innerhalb des gewählten Zeitausschnitts anbelangt, so hat Autor Dirk Kämper die Geschichte aber schonungslos gestaltet: Harte Themen wie Sex oder Gewalt werden nicht außen vor gelassen. In einigen emotionalen Momenten dürfte der Zuschauer zudem der Gänsehaut nahe sein.

Es wäre vermutlich zu schön, wenn dann alles perfekt wäre. So mancher Nebencharakter wirkt einfach zu stumpf und simpel geschrieben. Und dann ist da noch Conny Heidkamp. Heidkamp stand im Kader, als der FC Bayern 1932 den ersten Titel errang. Von 1943 bis 1945 war er dann erneut bei den Münchenern tätig, diesmal als Spielertrainer. Zwar wird auch seine Rolle, wie die vieler anderer Charaktere kontrovers diskutiert. Wirklich zu Ende erzählt wirkt sein Handlungsstrang aber nicht. Hier hätte man die Handlung ein wenig weiter führen müssen, um über die guten Ansätze hinauszukommen.

Der Bürgermeister von München macht in einer Szene recht deutlich, was die Geschichte sagen will. Er meint zu Landauer, dass es mehr Menschen wie den Präsidenten des FC Bayern bräuchte. Menschen die es einfach anpacken, in der Überzeugung, dass es gut gehen wird. Und so ist «Landauer – Der Präsident» eben viel mehr, als nur eine Geschichte für interessierte Fußballhistoriker. Der Film ist ein Statement für die Gleichbehandlung. Es geht nicht allein um den Ballsport, sondern um Leben und um Freiheit. Dafür wird sich zur Not sogar mit dem Feind verbündet. Wenn es zum Äußersten kommt, sogar mit 1860.

«Landauer – Der Präsident» ist am Mittwoch, 15.Oktober ab 20.15 Uhr im Ersten zu sehen.
15.10.2014 09:42 Uhr  •  Frederic Servatius Kurz-URL: qmde.de/73737