«Wetten, dass..?»: Die Luft ist raus

Eine wunderbar nahbare Diane Keaton war das einzige Highlight in einer Show, die von Lanz weitgehend emotionslos runtergespult wurde. Da half auch das große Star-Aufgebot nicht.

Gäste der Show (Auswahl)

  • Musik: Lenny Kravitz, Bryan Adams
  • Couch: Wolfgang Joop, Diane Keaton, Ralf Schmitz, Christine Urspruch, Megan Fox
  • Musik und Couch: Tokio Hotel
Diverse Male haben die Verantwortlichen von «Wetten, dass..?» in den gerade einmal zwei Jahren unter Markus Lanz versucht, dem Format mit konzeptionellen Veränderungen neues Leben einzuhauchen. Den Mut, sich selbst die Fehlbesetzung auf dem Moderationsposten einzugestehen und das Show-Urgestein durch ein neues Gesicht zu retten, hatte man letztlich allerdings nicht. Und so gehen wir nun mit großen Schritten dem Ende einer Fernsehära entgegen, denn die am Samstagabend live aus Erfurt ausgestrahlte Show soll die drittletzte sein, die es von der jahrzehntelang wegweisenden Kreation von Frank Elstner geben wird. Doch wer darauf hoffte, dass sich nun endlich Lanz' psychischer Knoten lösen und er zu einem befreiten Showmaster avancieren würde, sah sich bitter getäuscht. Doch auch sonst gab es in der knapp dreistündigen Ausstrahlung kaum etwas, das nachhaltig in Erinnerung blieb - trotz vieler großer Namen (siehe Infobox).

Immerhin aus den hochnotpeinlichen Versuchen, Lanz zu Beginn der Show einen Standup-Part zu bescheren, in dem er ganz alleine im Fokus steht und die größten Knaller seines umfassenden Pointen-Repertoires zum Besten gibt, hat man gelernt. Stattdessen beginnt nun das Lanz'sche Schema des möglichst schnellen Abhakens möglichst vieler Programmpunkte schon unmittelbar nach der Begrüßung. Erster Eintrag: Die Fußball-Weltmeisterschaft. Die ist zwar schon fast drei Monate her, nimmt aber dennoch über eine halbe Stunde Sendezeit ein - was gerade auf die weniger fußballbegeisterten Zuschauer abschreckend gewirkt haben dürfte. Ohnehin gestalten sich die Talks mit einem aktuellen Weltmeister (Benedikt Höwedes) und einem Weltmeister von 1954 (Horst Eckel) reichlich unspektakulär und glanzlos, das arg verkitschte «Wunder von Bern»-Musical stimuliert zeitweise sogar sehr dazu, doch mal eben zu schauen, was gerade so beim «Supertalent» zu sehen ist. Doch zumindest die Kinderwette überzeugt an diesem Tag und rettet einen ansonsten sehr statischen WM-Teil.

Die ersten großen Stars sind anschließend Megan Fox und Will Arnett, die ihren «Ninja Turtles»-Film promoten. Doch die Show gewinnt durch die beiden nur nominell, da gerade Fox sichtlich lustlos und unmotiviert wirkt. Ein guter Showmaster könnte einen solchen Gast vielleicht ein wenig entkrampfen, ein weniger guter spricht den Hollywood-Star mehrfach auf seine Schwangerschaft an und wirft zusammenhanglos ein "Benedikt Höwedes hat damit nichts zu tun. Nicht, dass da komische Gerüchte entstehen." in den Raum. Nach einem peinlichen Moment der kollektiven Stille lächelt der Fußballer unbeholfen, Fox negiert, dass irgendwer in diesem Saal darin involviert sei. Nachdem Ralf Schmitz die Schauspielerin durch devote Kniefälle und starrende Blicke in ihre Richtung endgültig verstört hat, darf sie das Studio auch schon in Richtung Flieger verlassen. Der übereifrige Comedian sitzt nun alleine mit Lanz und Höwedes auf dem Sofa - und ein weiterer Programmpunkt ist abgehakt.

Viel mehr Unterhaltungswert bringen anschließend auch Christine Urspruch, Tokio Hotel und Wolfgang Joop nicht zustande, Lanz und die Sendung schleppen sich durch die letzte Stunde. Doch immerhin einen Volltreffer kann man den Verantwortlichen der Show attestieren: Diane Keaton, die Grand Dame Hollywoods, bringt zeitweise ein Stück weit den Glanz zurück, der vor einigen Jahren noch regelmäßig für große TV-Momente sorgte. Sie entkrampft die Sendung, wirkt zu jedem Zeitpunkt aufgeschlossen und nahbar und zeigt einem sich inzwischen vorwiegend auf ein breites Dauergrinsen beschränkenden Lanz, wie große Unterhaltung vor einem Millionenpublikum geht, ohne dabei überkandidelt oder kalkulierend zu wirken. Bei all dem verliert sie dennoch zu keinem Zeitpunkt an Würde und Größe - nur die ZDF-Dolmetscherin kommt einige Male gehörig ins Schwitzen.

Wettkönig dieser Sendung

So gut die Mausefallen-Wette beim Studio-Publikum auch ankam, das Publikum vor den TV-Geräten platzierte sie bei der Abstimmung zum Wettkönig lediglich auf einem enttäuschenden vierten Platz. Weit vorne sah man die Außenwette Surfen, die 30 Prozent aller Stimmen erhielt.
Hinzu kommt, dass gerade Keaton auch noch Wettpatin beim mit Abstand charismatischsten Kandidaten des Abends ist. Ein Mausefallenliebhaber wettet, 30 Fallen nur anhand ihres Zuschnappgeräuchs zu erkennen - und amüsiert nebenbei mit einigen gelungenen Sprüchen und einem leicht skurrilen Auftreten. Die ansprechende musikalische und optische Inszenierung der Wette tun ihr Übriges, um das Publikum bei Laune zu halten, wenngleich die Wettidee als solche nicht gerade herausragend kreativ daherkommt. Nach ausgiebiger Liebkosung von Lanz, Schmitz, Höwedes und ihrem erfolgreichen Wettkandidaten verlässt sie dann aber auch die Couch in Richtung Flieger - und die Show verliert ihren einzigen Funken Glamour.

Im Arbeitsnachweis von Markus Lanz stehen letztlich die altbekannten Mängel, die bereits ausschweifend in den vergangenen Monaten zur Sprache kamen: Ihm fehlt es vor allem an der Begabung, besondere Momente in seiner Show zu kreieren. Ja, man muss fast schon glücklich sein, wenn er diese nicht durch sein steifes Auftreten oder einen misslungenen Gag im Keim erstickt, sollten derartige Situationen anderweitig entstehen. Man vermisst bei ihm die Begeisterung dabei, die größte Show des Landes präsentieren zu dürfen. Er langweilt mit hohlen Phrasen, empfindet ständig alles als "sensationell" und "hochinteressant" - zumindest verbal, während er durch Mimik und Gestik oft exakt gegensätzliches vermittelt. Er lacht ausgiebig in Situationen, die außer ihm (so gut wie) niemand als lustig empfindet. Und er verweist bei nahezu jeder Wette auf die Proben, was inzwischen auch längst zur Phrase verkommen ist.

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Doch das Dilemma von «Wetten, dass..?» nur auf Lanz zu beschränken, würde viel zu kurz greifen. Die Zusammenstellung der Gäste war diesmal zwar nominell sehr stark, doch große Namen wie Megan Fox, Wolfgang Joop oder der zum Playback seiner bereits seit Wochen bekannten Single "The Chamber" posierende Lenny Kravitz entpuppten sich in der Show viel zu oft als kaum unterhaltsam. Auch die Wetten haben im Laufe der vergangenen Jahre an Magie verloren. Nach der Oktober-Ausgabe aus Erfurt steht man alles in allem ein wenig ratlos vor der Frage, warum das Format erneut enttäuscht hat - und vor allem, ob sich daran etwas ändern würde, hätte es einen Showmaster, der sein Handwerk versteht. Vielleicht muss man sich einfach der Wahrheit stellen, die bereits viele Millionen Menschen angenommen haben: Das Ende naht zurecht, denn die Luft ist raus.
05.10.2014 01:00 Uhr  •  Manuel Nunez Sanchez Kurz-URL: qmde.de/73562