Für einen Bäcker aus der Normandie wird Fiktion zur Wirklichkeit: Im Nachbarhaus zieht eine Frau ein, die seinem Lieblingsbuch entsprungen scheint. Daraus entsteht eine originelle Komödie mit einer wundervollen Gemma Arterton.
Obwohl Gemma Arterton die Titelfigur verkörpert, erzählt die «Tage am Strand»-Regisseurin Fontaine diese entzückende Geschichte aus der Perspektive des literaturversessenen Bäckers Martin Joubert (Fabrice Luchini). Dieser traut seinen Ohren und Augen nicht, als er seine neuen Nachbarn kennenlernt: Charlie (Jason Flemyng) und Gemma Bovery, ein junges Ehepaar aus England, das ein neues Leben anfangen will und sich daher in der Normandie niederlässt. Martin kann nicht anders, als dabei an sein Lieblingsbuch denken: Gustave Flauberts Meilenstein „Madame Bovary“ über die liebreizende, wenngleich von ihrem Leben gelangweilte Ehebrecherin Emma Bovary. Martins Gattin Valérie (Isabelle Candelier) tut dies als albernen kleinen Zufall ab, aber der belesene, nachdenkliche Bäcker glaubt, immer mehr Gemeinsamkeiten zwischen der fiktiven Emma und der in all ihrer Schönheit neben ihm lebenden Gemma zu entdecken.
Ganz gleich, wie groß die Literaturkenntnisse des Zuschauers sein mögen: Der schelmische Bäcker Martin ist ein überspitzter Archetyp und da diese Komödie aus seiner Sicht erzählt wird, ist der gesamte Film mit dezenten Skurrilitäten durchsetzt. Fabrice Luchini balanciert dies wundervoll mit einer bodenständigen Grundeinstellung aus, gleichzeitig verleiht er dem Erzähler, der in vollem Maße die Vorzüge der Normandie genießt, einen ansprechende intellektuelle Aufgewecktheit. Während die weiteren männlichen Akteure in «Gemma Bovery» nicht an Luchini heranreichen, muss sich die französische Kinoikone seiner britischen Kollegin Gemma Arterton klar geschlagen geben.
Es ist bereits bemerkenswert, wie es ihr selbst nach einer Vielzahl an Filmen verschiedenster Genres weiterhin gelingt, die unverbrauchte Ausstrahlung einer Neuentdeckung vorzuweisen. Darüber hinaus skizziert Gemma Arterton die Titelfigur, scheinbar völlig mühelos, als unbeschwerte junge Frau, die sich ihrer Attraktivität vollauf bewusst ist, ohne dadurch ihre unschuldige Aura zu verlieren. Zudem meistert die 28-Jährige den Balanceakt, ihre Rolle zwar intelligent anzulegen, sie dennoch aufgrund mangelnder Lebenserfahrung sehr fehlbar zu machen. Die Inszenierung Fontaines trägt ihr Scherflein dazu bei: Wann immer Arterton das Bild betritt, wird sie mit solch verzaubertem Blick eingefangen, dass es schwer fällt, ihrer Rolle etwaige Fehltritte übelzunehmen. Kameramann Christophe Beaucarne unterstützt diese Wirkung, indem er die Szenerie in warmes, schmeichelnd-malerisches Licht taucht und ihr so eine große Sinnlichkeit verleiht – nie war Brotbacken verführerischer! Für die nötige Verankerung dieser in Cinemascope-Ausmaßen daherkommenden Bilder sorgt derweil der wohl bedachte Einsatz von Handkameras, der Martins naiv gemeintes Stalking gewitzt unterstreicht.