Raimund Köhler: ‚Bei der Null zeigt sich das Dilemma des Panels“

Der Motorvision.TV-Chef spricht in den Sonntagsfragen über die Grenzen der Quotenmessung, die neue Ordnung seines Senders und die aktuellen Expansionspläne.

Zur Person: Raimund Köhler

Der Jurist, dessen Spezialgebiet Medien- und Urheberrecht ist, wurde am 25.02.1973 geboren. Zwischen 2000 und 2003 arbeitete er als Deputy Head of Legal & Business Affairs bei der Helkon Media AG. Ab 2003 und bis 2008 war Köhler "Director Legal and Business Affairs" bei RTV Family Entertainment AG, wo er auch Mitglied der Geschäftsführung war. Seit 2008 war er zunächst Managing Director bei der Motorvision Group, aktuell arbeitet er dort als Chief Executive Officer (CEO).
Herr Köhler, vor eineinhalb Jahren kündigten Sie an, bei Motovision TV für eine neue Ordnung sorgen zu wollen. Ist jetzt alles ordentlich?
Die neue Ordnung ist da – und sie hat sich etabliert. Dienstags zeigen wir zum Beispiel Oldtimer-Themen, der Donnerstagabend steht ganz im Zeichen von Motorrädern, sonntags haben wir Motorsport im Programm. Auch Neuvorstellungen und Messeberichte haben nun mittwochs einen festen Platz bei uns. Hinzu kommen große Themenabende, die sich auch mal an gesellschaftspolitische Fragen wagen. Meist programmieren wir diese am Wochenende ein.

Drei davon sind schon gelaufen, unter anderem eine „lange V8-Nacht“.
Wir haben mit einer großen Dokumentation rund um Le Mans begonnen, die Strecke und deren Geschichte beleuchtet und über die Rückkehr von Porsche in die höchste Rennklasse berichtet. Das war ein fünfstündiger Themenabend bei uns, der auf viel positives Feedback gestoßen ist. Dann hatten wir einen US-Road-Trip im Programm und eben die «lange V8-Nacht», die auf sehr positiv aufgenommen wurde.

Wie geht es weiter?
Wenn der Chase, also die finalen Saisonläufe des NASCAR-Sprint Cups am 14. September beginnt, werden wir schon am Sonntagnachmittag mit einem NASCAR Themen-Special starten. Wir zeigen dann eine «Top Gear»-Folge, in der ein NASCAR Rennen in Amerika besucht wird. Wir haben Dokus mit den besten Finishes und den spektakulärsten Unfällen der NASCAR-Geschichte im Programm, bevor es dann um 19:00 Uhr Live mit dem ersten Finalrennen losgeht. Am 27. September zeigen wir in einem Marathon noch einmal die Zusammenfassung aller Rennen der „Isle of Man Tourist Trophy 2014“, dem gefährlichsten Motorrad-Straßenrennen der Welt. Im Oktober werden wir historisch und blicken in einem Car History-Dokumarathon auf Sportwagen-Legenden wie den Porsche 911 und den Jaguar E-Type, Luxus-Marken wie Ferrari und Lamborghini und werden zudem mal an einem Dienstag auch in einer dreistündigen Sendung den 30. Geburtstag des Opel Kadett feiern und andere Opel-Modelle wie den Admiral würdigen.

Sie lassen nun seit mehr als einem Jahr Quoten messen. Wie gefallen Ihnen die Zahlen?
Es ist richtig, dass wir seit mehr als einem Jahr Teil der GfK sind. Wir tun uns aufgrund der Gestaltung der Quotenmessung und insbesondere der Anzahl Panelboxen allerdings schwer, die Abbildung zu erhalten, die uns gerecht werden würde. Wir sind exklusiver Sky-Partnersender und haben somit eine sehr geringe Fallzahl im Panel.

Heißt: Sie lesen ganz oft die Null in den Quotentabellen?
Wenn dann in der Nacht von Sonntag auf Montag mehr als 1000 unterschiedliche Nutzer an uns schreiben, am nächsten Morgen aber eine Null bei der Reichweiten-Messung herauskommt, dann zeigt sich das Dilemma des Panels, wenn man an Nischenthemen kommt, die eben kein großes Publikum erreichen. Je kleiner die Fangruppe ist, desto geringer ist die Chance, diese Gruppe über das AGF-Panel zu erreichen.
Motorvision TV-Chef Raimund Köhler
Da steht schon öfter mal eine Null, das ist richtig. Wir erreichen aber auch mal höhere fünfstellige Zuschauerzahlen mit unseren Sendungen. Die Werte sind nur öfter einfach nicht nachvollziehbar. Ein Beispiel: Bei unseren NASCAR-Liveübertragungen haben die Zuschauer die Möglichkeit, unseren Kommentatoren Fragen zu stellen und mit ihnen via Facebook oder E-Mail zu interagieren. Wenn dann in der Nacht von Sonntag auf Montag mehr als 1000 unterschiedliche Nutzer an uns schreiben, am nächsten Morgen aber eine Null bei der Reichweiten-Messung herauskommt, dann zeigt sich das Dilemma des Panels, wenn man an Nischenthemen kommt, die eben kein großes Publikum erreichen. Je kleiner die Fangruppe ist, desto geringer ist die Chance, diese Gruppe über das AGF-Panel zu erreichen.

Wo Sie gerade von Live-Sport sprechen: Ist da, über die NASCAR hinaus, noch mehr geplant?
Wir wollen den Live-Sport bei Motorvision TV weiter ausbauen, das steht fest. Wir schauen uns momentan sämtliche Rennserien an. Konkretes kann ich aber noch nicht sagen.

Weil wir gerade bei dem Thema sind: Die Formel 1-
Das ist eine Formel1-Müdigkeit. Wir merken bei unseren Zuschauern, dass der Sound eine enorm wichtige Rolle spielt. Und der geht bei den neuen Formel1-Triebwerken nun einmal ziemlich verloren.
Motorvision TV-Chef Raimund Köhler
Zuschauerzahlen gingen zuletzt zurück. Ist das eine Formel1-Müdigkeit in Deutschland oder eine allgemeine Motorsport-Übersättigung?

Ich glaube, das ist eine Formel1-Müdigkeit. Wir merken bei unseren Zuschauern, dass der Sound eine enorm wichtige Rolle spielt. Und der geht bei den neuen Formel1-Triebwerken nun einmal ziemlich verloren. Ich glaube übrigens sogar, dass das Interesse an Motorsport in Deutschland weiter ansteigt. Schauen Sie mal ins Free-TV: neue Sender wie RTL Nitro oder ProSieben Maxx springen auf diesen Zug auf…

Und auch weltweit könnten sich Optionen bieten. Sie sind derzeit weltmeisterlich im Expandieren…
Darüber freuen wir uns sehr. Seit September sind wir bei NOS, Portugals größtem Pay-TV-Anbieter, zu sehen. Wir starten zeitgleich bei ZAP in Angola und Mosambik. Motorvision TV ist auch in Malaysia und Australien gestartet. Der Launch des Senders in Zypern steht an. Motorsport ist in allen Ländern der Welt ein Thema, auch wenn es nur ein Bestandteil unseres vielfältigen Programmangebotes darstellt. In allen Regionen wollen wir auch Motorsport zeigen, müssen uns allerdings nach den verfügbaren Lizenzen richten. Wir werden wohl auch auf regionale Serien zurückgreifen. Beispiel: Die NASCAR- Sprint Cup Series ist in über 150 Ländern schon lizensiert, da ist es schwer, für eine Vielzahl an Ländern sich die Rechte zu sichern.

Wenn ich Sie als privaten Zuschauer anspreche: Welche TV-Trends gefallen Ihnen besonders gut?
Ich versuche mir einen breiten Überblick zu verschaffen und schaue sowohl große Shows als auch Dokumentationen. Heißt: Bei mir läuft sowohl «The Voice», als auch «Promi Big Brother» oder der Dschungel. Auch historische Stoffe und Spielfilme oder gute Serien sehe ich gerne.

Eine letzte Frage: Sie haben in einem früheren Interview über das Nischen-Dasein von Motorvision gesprochen. Wie viel Nische darf es denn künftig sein? Eher mehr oder weniger?
Natürlich versuchen wir, aus der Nische heraus zu wachsen. Dass aber ein Sender, der sich primär mit Mobiltät, mit LKWs, Motorrädern und Autos beschäftigt, nur eine gewisse Zuschauerschaft an sich binden kann und nicht die ganz breiten Bereiche erreicht, ist klar. Auf der anderen Seite betrifft Mobilität jeden Bürger, weshalb wir natürlich auch weitere Publikumsbereiche ansprechen wollen. Ich denke da zum Beispiel an mehr Lifestyle orientierte Formate, die auch Frauen interessieren. Grundsätzlich aber fühlen wir uns in unserer Nische sehr wohl.

Danke für das Gespräch.
07.09.2014 11:27 Uhr  •  Manuel Weis Kurz-URL: qmde.de/72871