Der TV-Markt im August: ProSieben und Sat.1 auf RTL-Jagd

Die Hiobsbotschaften für RTL reißen nicht ab: Im August war der Abstand zu ProSieben in der Zielgruppe erneut historisch gering. Beim Gesamtpublikum pirschte sich Sat.1 heran.

Auch im August dominierten wieder Fußball und die Sonntagskrimis im Ersten die Reichweiten-Bestenliste. Ganz oben stand diesmal der neue «Tatort» aus Österreich mit 8,96 Millionen und der «Polizeiruf 110: Morgengrauen» mit 7,98 Millionen Zuschauern, während das Spitzenspiel Dortmund gegen Bayern zwar "nur" 7,26 Millionen Zuschauer erreichte, aber mit 33,8 Prozent auf einen herausragenden Marktanteil gelangte. Dies ist vor allem auf die frühere Sendezeit um 18 Uhr zurückzuführen. Auch das Bundesliga-Auftaktmatch sowie zwei «Tatort»-Wiederholungen schlugen sich mit weit über sechs Millionen exzellent. Bei den Privaten knackten gerade einmal drei Ausstrahlungen die Vier-Millionenmarke: Das Formel-1-Rennen aus Belgien mit 4,59 Millionen und spektakulären 30,1 Prozent sowie das «Highspeed-Special» von «Wer wird Millionär?» mit 4,20 Millionen und 15,8 Prozent punkteten bei RTL in besonderem Maße, ProSieben verbuchte mit der Free-TV-Premiere von «Men in Black 3» herausragende 15,4 Prozent bei 4,13 Millionen.

In der werberelevanten Zielgruppe war der ProSieben-Film mit 2,80 Millionen und 28,7 Prozent Marktanteil sogar die stärkste Ausstrahlung der vergangenen Wochen, bevor mit «Wir kaufen einen Zoo» (2,36 Millionen, 22,9 Prozent) und «Captain America: The First Avenger» (2,11 Millionen, 18,1 Prozent) zwei weitere Blockbuster des Privatsenders folgten. Der wohl nachhaltigste Erfolg kam allerdings von Sat.1, wo «Promi Big Brother» zwei Wochen lang für exzellente Werte garantierte. Die zuschauerstärkste Folge war die allererste mit 1,79 Millionen 14- bis 49-Jährigen, der höchste Marktanteil (22,4 Prozent) kam hingegen bei der ersten Donnerstagsausgabe zustande. Bei den drei kleineren Sendern kam neben zwei «Harry Potter»-Filmen nur eine einzige Primetime-Ausstrahlung auf einen zweistelligen Marktanteil: Die zweite Folge der neuen VOX-Show «Die Höhle der Löwen» verbuchte 10,1 Prozent bei 1,08 Millionen jungen Zuschauern.

Alle Zuschauer (August 2014)
ALLE ZUSCHAUER (AUGUST)
11,3
15,0
11,6
14,8
9,0
9,0
3,9
3,6
5,4
4,8
8,7
7,7
6,0
5,2
4,0
3,6
Marktanteile in %  |  August 2014 gegenüber Juli 2014

Die Zahl der Sender mit Potenzial zu zweistelligen Werten schrumpft merklich: Noch vor zwei Jahren kamen vier Kanäle auf über zehn Prozent, inzwischen hat sich die Zahl halbiert. Erneut konkurrierten Das Erste und das ZDF um die Vorherrschaft, wobei sich die Mainzer mit 11,6 gegenüber 11,3 Prozent durchsetzten. Wirklich zufrieden können die Programmverantwortlichen aber nicht sein, denn erstmals seit September 2012 rutschte das Zweite unter die Zwölf-Prozentmarke. Auch der Mitbewerber präsentierte sich zuletzt nur im April mit 11,4 Prozent ähnlich schwach, ansonsten verbuchte er seit Oktober 2012 stets mindestens 11,7 Prozent. Die deutlichen Verluste gegenüber dem Vormonat sind in erster Linie der Tatsache geschuldet, dass die Fußball-Weltmeisterschaft die Quoten nicht mehr hochtreibt.

Spannend ist jedoch vor allem die Entwicklung von RTL und Sat.1, die im August komplett konträr verlief. Während die Kölner überhaupt nicht vom Ende der WM profitierten und mit 9,0 Prozent einen ähnlich desaströsen Wert verbuchten wie im Juli, steigerte sich der private Hauptkonkurrent um rund einen Prozentpunkt von 7,7 auf 8,7 Prozent. Weniger als 0,3 Prozentpunkte Divergenz zwischen den beiden Angeboten gab es seit der Saison 2003/04 (seither liegen uns konkrete Monatswerte vor) niemals, im abgelaufenen TV-Jahr positionierte sich RTL meist um mehr als zwei Prozentpunkte vor Sat.1. Seit Ende 2012 kam der Bällchensender nie mehr über 8,6 Prozent hinaus.

Keine Rolle im Kampf um die Vorherrschaft der Privaten spielt ProSieben, das mit seinen 6,0 Prozent aber dennoch sehr zufrieden sein darf. Seit Juni (4,6 Prozent) steigerten sich die Münchener somit um über einen Prozentpunkt – und lagen auch noch klar oberhalb des Saisonschnitts von 5,7 Prozent. Auch VOX kann sehr zufrieden sein, nachdem zuletzt zweimal in Folge die Fünf-Prozentmarke verfehlt wurde. Mit 5,4 Prozent ist man nun wieder auf gewohnt hohem Niveau unterwegs. Bei den beiden kleinsten Angeboten ist bemerkenswert, dass sich kabel eins mit 4,0 Prozent vor RTL II hat schieben können, das nur auf 3,9 Prozent gelangte. Seit Mai 2012 kam dies zuvor nur ein einziges Mal vor: Im März dieses Jahres.

Historisches tat sich auch wieder im Hinblick auf den kumulierten Wert der acht Vollprogramme: Nur noch 59,9 Prozent standen zu Buche, nachdem die Fußball-WM zuletzt noch für ein kleines Plus sorgte. Erst im April wurde ein historischer Tiefpunkt von 61,8 Prozent generiert, im Saison-Schnitt wurden zuletzt 63,7 Prozent verzeichnet. Die Segmentierung des deutschen Fernsehens setzt sich also weiter in erstaunlicher Geschwindigkeit fort – es sei denn, große Sport-Ereignisse ziehen die Massen in den Bann.

14-bis 49-Jährige (August 2014)
14- BIS 49-JÄHRIGE (AUGUST)
6,1
10,8
5,6
9,6
12,0
11,5
6,4
6,1
7,2
6,2
10,0
8,2
11,8
10,5
5,8
5,3
Marktanteile in %  |  August 2014 gegenüber Juli 2014

Man kann beim Blick auf die nackten Zahlen erahnen, welch Verzweiflung in der Chefetage von RTL inzwischen vorherrschen dürfte. Mit gerade einmal 12,0 Prozent steigerte man sich zwar gegenüber den 10,6 und 11,5 Prozent im Juni und Juli, doch den Ansprüchen des jahrelangen Marktführers dürfte dieser Wert nicht einmal im Ansatz genügen – schließlich waren schon die 13,4 bis 13,9 Prozent des letzten Drittels des abgelaufenen TV-Jahres herbe Klatschen. Zudem schrumpfte erneut der Abstand zum privaten Hauptkonkurrenten ProSieben auf ein historisch niedriges Niveau: Mit 11,8 Prozent steigerte sich dieser gegenüber dem Vormonat deutlich und liegt somit nur noch 0,2 Prozentpunkte hinter den Kölnern. Nie zuvor lag weniger als ein Prozentpunkt zwischen RTL und ProSieben, schon im Juli kam man sich also nah wie nie zuvor.

Allen Grund zum Jubel hat endlich auch einmal wieder Sat.1, das sich mit 10,0 Prozent tatsächlich wieder in die Zweistelligkeit zurückkämpfen konnte. Zuletzt wurde die magische Marke im November 2012 mit 10,1 Prozent geknackt, abgesehen davon liegt man seit über zwei Jahren zumeist knapp oberhalb der Neun-Prozentmarke. Nicht ganz unschuldig an diesem erstaunlichen Erfolg dürfte die Show-Sommeroffensive sein, bei der vor allem «Promi Big Brother» herausragt. Weit abgeschlagen ist VOX, was aber keineswegs der Schwäche des Senders geschuldet ist: Mit 7,2 Prozent kam man wieder auf ein solides Quoten-Niveau, nachdem die WM die Werte zuletzt auf gerade einmal 5,7 und 6,2 Prozent hatte schrumpfen lassen.

In der zweiten Hälfte der Rangliste ergab sich ein spannender Vierkampf, aus dem letztlich RTL II als Sieger hervorging. Mit 6,4 Prozent konnte man dennoch nicht völlig zufrieden sein, von allen Privatsender steigerte man sich nämlich am wenigsten gegenüber dem Juli. Für kabel eins bedeuteten die 5,8 Prozent hingegen den zweitbesten Wert der vergangenen zwölf Monate, einzig im Mai standen noch minimal bessere 5,9 Prozent zu Buche. Das Erste lag zwar mit 6,1 Prozent ein Stück weiter vorne in der Zuschauergunst, verlor aber nicht nur deutlich gegenüber den beiden WM-Monaten, sondern auch im Vergleich zur Hauptsaison: 6,8 Prozent erreichte man zwischen September und Mai. Noch weniger zufrieden dürfte das ZDF mit seinen 5,6 Prozent gewesen sein, zum dritten Mal in den vergangenen sechs Monaten verpassten die Mainzer die Sechs-Prozentmarke.

Wie beim Gesamtpublikum stand für die "Big Eight" ein neuer Allzeit-Tiefstwert zu Buche: Gerade einmal 64,9 Prozent aller Fernsehenden erzielten die größten Sendestationen, nie zuvor waren es weniger. Damit wurde der Negativtrend der ersten fünf Monate dieses Kalenderjahres fortgeführt: Zwischen Januar und Mai fiel man kontinuierlich von 68,2 auf 65,7 Prozent, einzig die Fußball-Weltmeisterschaft sorgte danach wieder für einen Anstieg auf 70,9 bzw. 68,2 Prozent.

Alle Zuschauer (Fernsehjahr)
ALLE ZUSCHAUER (GESAMTES JAHR)
12,3
12,1
13,0
12,9
10,5
11,0
4,0
4,0
5,3
5,3
8,2
8,2
5,6
5,7
3,8
3,8
Marktanteile in %  |  Sep 2013 – Aug. 2014 gegenüber Sep. 2013 – Mai 2014

Von den drei Sommermonaten profitierten vor allem die öffentlich-rechtlichen Sender, die auf 13,0 Prozent (ZDF) bzw. 12,3 Prozent (Das Erste) gelangten. Gleichzeitig hielten sich jedoch die Verluste für die privaten Sendestationen durch die Bank weg in sehr überschaubaren Grenzen – mit einer großen Ausnahme: RTL. Die ohnehin schon enttäuschenden 11,0 Prozent des Fernsehjahres verschlechterten sich noch einmal drastisch auf gerade einmal noch 10,5 Prozent und stellen die Programmverantwortlichen vor große Herausforderungen. Seit Jahren befindet sich der einst so strahlende Privatsender in einer gefährlichen Abwärtsspirale, aus der man augenscheinlich derzeit keinerlei Ausweg weiß. Nachdem man zuletzt dreimal in Folge die Zweistelligkeit deutlich verpasste, stellt sich für die nun beginnende Saison die Frage, wie man die Kehrtwende schaffen möchte. Schließlich kam man bereits zwischen Februar und Mai nur noch auf keineswegs überzeugende 10,4 bis 10,6 Prozent.

14- bis 49-Jährige (Fernsehjahr)
14- BIS 49-JÄHRIGE (GESAMTES JAHR)
7,7
6,8
6,9
6,3
13,5
14,2
6,5
6,7
6,9
7,1
9,2
9,4
11,1
11,4
5,5
5,6
Marktanteile in %  |  Sep 2013 – Aug. 2014 gegenüber Sep. 2013 – Mai 2014

Erneut geht RTL unterm Strich als deutlicher Marktführer der vergangenen zwölf Monate hervor, doch die Sommermonate dürften die Programmplaner dennoch ein weiteres Mal hart treffen: Statt 14,2 Prozent stehen gerade einmal noch 13,5 Prozent auf dem Papier. Immerhin schwächelte auch die Konkurrenz zuletzt ein wenig: ProSieben verlor gegenüber der Hauptsaison um 0,3 Prozentpunkte auf 11,1 Prozent, Sat.1 gab 0,2 Prozentpunkte auf 9,2 Prozent ab. Auch die kleineren Privatsender verloren ausnahmslos, wenn auch nur leicht. Profitiert haben zuletzt ARD und ZDF, die sich mit 7,7 bzw. 6,9 Prozent beide um knapp einen Prozentpunkt steigerten. Nachhaltig dürfte das Plus allerdings kaum sein, ohne Schützenhilfe der WM gab man schließlich im August erheblich ab.
01.09.2014 09:19 Uhr  •  Manuel Nunez Sanchez Kurz-URL: qmde.de/72806