Deutsche Dramedy auf ZDFneo – und das gar nicht so schlecht

TV Lab goes Fiction: Im ersten der drei Formate versucht eine Agentur ihren Klienten Alibis zu verschaffen. Unsere Kritik.

Cast & Crew

Vor der Kamera:

Matthias Weidenhöfer («Frauenherzen») als Mark Eisen, Marleen Lohse («Maria, ihm schmeckt's nicht!») als Linda Falk, Friderikke-Maria Hörbe als Patrizia Rapp, Folke Renken als Daniel Spix, Friedrich Liechtenstein («Supergeil») als Hermann Ahrens, Isabell Polak («Vaterfreuden») als Sarah Engel, Sila Sahin («KDD – Kriminaldauerdienst») als Schwester Selma, Helge Bechert als Dr. Paul, Mona Schild als Charlotte, Rüdiger Evers als Werner


Hinter den Kulissen:

Regie: Erik Schmitt, Buch: Kirsten Ittershagen, Inka Thelen, Musik: Johannes Repka, Kamera: Timon Schäppi, Schnitt: Digmar Dick, Produktion: UFA Serial Drama

Auf nur drei Formate beschränkt sich die diesjährige Auflage des TV Lab von ZDFneo. Mehr als verständlich wird diese Entscheidung, so man sich zu Gemüt führt, dass alle Sendungen fiktionaler Art sind und es somit deutlich aufwändiger ist, diese herzustellen, als bei den meisten Produktionen aus den Vorjahren. Den Auftakt macht 2014 der Pilot zu «Alibi Agentur – Bei uns sind ihre Geheimnisse sicher!». Im Mittelpunkt steht Agenturchef Mark Eisen und seine Firma Eisen Consulting. Die Agentur mit Sitz in Berlin bietet ihren Kunden alles an, was benötigt wird, um ein Doppelleben zu führen – oder zumindest, um ein Geheimnis zu verstecken. Doch die perfekte Lüge zu entwickeln, ist eben nicht so einfach und ein glaubhaftes Alibi zu finden ebenso wenig. Aber Agenturchef Eisen macht klar: Moralische Bedenken darf es nicht geben, sonst kann das gesamte Vorhaben nicht funktionieren.

Innerhalb der Pilotfolge schaffen es die Autoren dann tatsächlich einen kleinen Serienkosmos entstehen zu lassen, was für eine Laufzeit von nicht einmal einer halben Stunde recht beeindruckend ist. Die Figuren werden in einem atemberaubendem Tempo, zugleich aber ohne große Eile, eingeführt und in ein Verhältnis zueinander gesetzt. Dabei allerdings kommt die Charakterzeichnung phasenweise ein wenig zu kurz. So gibt es ganz stereotyp den faulen und nicht weniger sarkastischen Computerfreak, dem die Autoren als Gegenspieler den einfach gestrickten Kollegen verpasst haben, der mehr Tollpatsch denn Kompetenzwunder ist. Weil aber das Zusammenspiel der beiden im Speziellen und das des Ensembles im Allgemeinen recht gut harmoniert, ist das nicht weiter schlimm. Passabel führt sich Friedrich Liechtenstein in die Darstellerriege ein, der bis dato keine große, aber eine umso wichtigere Rolle inne hat. Er jedenfalls ist nicht Schuld daran, dass so manche Pointe billig oder überzogen wirkt. So ist es vielleicht etwas zu einfach den riesigen Lacher zu erwarten, wenn der Shredder als Digitalisierungsmaschine bezeichnet und vermeintlich wichtige Unternehmensdaten kurzum klein gehäckselt werden.

Den eigenen Konflikt herauszuarbeiten, gelingt der Serie hingegen besonders gut. Es geht eben nicht nur um die Frau, die betrogen werden soll, sondern auch um eine, die ihrer Familie ihre Krebserkrankung verheimlichen will. Und um die Beziehung, die zwischen den verschiedenen Charakteren besteht. So entspinnt sich im Laufe der Handlung ein enges Netz zwischen den Figuren, Dispute entwickeln sich zwischen den verschiedenen Personen und zeitgleich bestehen eben auch innere Konflikte. Das wiederum trägt dazu bei, dass auch die Mischung aus Comedy- und Drama-Elementen sehr angenehm ist, von wenigen schon genannten Kalauern einmal abgesehen. So beweist die Serie zum Auftakt eine gewisse Haltung, ohne dabei aber die Moralkeule zu schwingen.

An manchen Stellen aber, und das darf durchaus als Vorwurf verstanden werden, wartet man als Zuschauer nur darauf, das endlich etwas Unerwartetes passiert. Als dann aber der Chef kurz davor steht seine Angestellte zu küssen, mit der er sich doch eigentlich zuvor überhaupt nicht verstanden hat, ist das vielleicht doch ein wenig zu soapig. Schwierigkeiten macht auch die Tatsache, dass die Verantwortlichen in die knapp 28 Minuten eventuell ein bisschen zu viel Handlung hineinpacken wollten. Dies mag der Furcht geschuldet sein, dass die Autoren nach Folge eins gleich schon wieder Schluss machen müssen, eine wirkliche Rechtfertigung ist das aber kaum.

Sehr deutlich wird in dem Format, dass die Agentur, eine Einrichtung, die sich sicher mancher Zuschauer im echten Leben wünschen würde, nicht in der Lage ist, das eigentliche Problem zu überwinden: Den Betrug an der betroffenen Person oder den betroffenen Personen, selbst wenn der nur geschieht um den jeweiligen Gegenüber zu schützen. Auf der anderen Seite ist man aus Agentursicht näher als beabsichtigt daran, Aktivitäten zu decken, um die man sich eigentlich nicht kümmern will. Gerade diese Konflikte bieten noch viel offenen Handlungsspielraum für eine mögliche Serienproduktion. Für den Piloten lässt sich dann aber vor allem sagen, dass die Episode mit glaubwürdigen Darstellern aufwartet und auf ein sehenswertes Finish hinarbeitet. Die angenehm vertrackte Erzählstruktur lässt dann ganz absichtlich noch einige Fragen offen und kreiert einen Cliffhanger, der trotzdem nicht allzu erzwungen wirkt.

Auch wenn das Geheimnis der Personen, anders als es Agenturchef Eisen verspricht, nicht immer in besten Händen ist, so überzeugt das, was der Zuschauer zu sehen bekommt, wahrlich. Dramedy aus Deutschland ist ein Produkt, dass man auf solch gelungene Art und Weise tatsächlich recht selten sieht. Insofern hat das erste Format des TV Labs gleich ordentlich vorgelegt.



«Alibi Agentur – Bei uns sind ihre Geheimnisse sicher!» ist am Donnerstag, 28. August um 21.45 Uhr bei ZDFneo zu sehen. Online ist das Format – wie auch die anderen beiden Sendungen des TV Labs – ab dem 22. August verfügbar.
21.08.2014 12:32 Uhr  •  Frederic Servatius Kurz-URL: qmde.de/72553