Europäisches Favoritensterben gefährdet die Quote

Das Ausscheiden der großen europäischen Fußballnationen sorgt für ungewohnte und frische Konstellationen bei der WM. Ist es auch dem Zuschauerinteresse zuträglich?

„Bei dieser WM kann alles passieren.“ Ein Satz, der seit dem Turnierstart der Fußball-Weltmeisterschaft 2014 in Brasilien sehr oft Verwendung findet. Kein Wunder: Mit Spanien, England, Uruguay oder auch Italien verabschiedeten sich gleich vier ehemalige Weltmeister bereits in der Vorrunde aus dem Turnier, die sonst prinzipiell vor jedem großen Turnier als Mitfavoriten gelten. Stattdessen rückten Überraschungsteams wie Costa Rica und Algerien in die Runde der letzten 16, von denen die meisten Beobachter noch Anfang Juni angenommen hatten sie würden die Gruppenphase abgeschlagen auf dem 4. Rang abschließen. So kommt es beim Sportgroßereignis zu exotischen Konstellationen, die Fußballfans wohl kaum für möglich gehalten hätten: Costa Rica gegen Griechenland? Deutschland gegen Algerien? Frankreich gegen Nigeria? Und das im Achtelfinale?

Zumindest brauchen sich die Zuschauer nicht länger über die Eintönigkeit der Turniere beklagen, in denen in der Vergangenheit oft die gleichen Nationen in die K.O.-Phase vorrückten. Aus der Sicht der ausstrahlenden Sender könnte sich durch das Favoritensterben jedoch eine Gefahr ergeben, schließlich waren die favorisierten Teams auch die quotenstärksten und locken nun nicht mehr länger die Zuschauer an. Die Final-Revanche von 2010 zwischen Spanien und der Niederlande erreichte zur Primetime am 13. Juni grandiose 14,58 Millionen Zuschauer und begeisterte mit einem Torreigen 52,8 Prozent der 14- bis 49-Jährigen. Ohnehin interessierte sich das Fernsehpublikum in der Vorrunde am stärksten für den amtierenden Weltmeister von der iberischen Halbinsel, der nach der WM 2010 auch den Europameisterschaftstitel 2012 errang. Das zeigte sich auch in der Auseinandersetzung der „Furia Roja“ mit Chile - ein vorentscheidendes Duell für den Weltmeister, das die reichweitenstärkste Partie der Gruppenphase darstellte, sieht man von Spielen mit deutscher Beteiligung ab. 15,29 Millionen Menschen sahen am 18. Juni das Turnier-Aus von Iniesta und Co. und generierten dadurch 51,4 Prozent bei den Zuschauern ab Drei und 53,6 Prozent bei den jungen Zuschauern, bevor die ARD das letzte Gruppenspiel von Spanien gegen Australien und damit das Duell zweier bereits ausgeschiedener Mannschaften auf einsfestival verbannte.

Auch Italien, der Weltmeister von 2006, überstand die Gruppenphase nicht. Dennoch sorgte mit Italien, wie bei Spanien, eine weitere favorisierte südeuropäische Mannschaft für tolle Werte bei den Öffentlich-Rechtlichen. Zum Turnierauftakt gegen England schalteten ab Mitternacht immer noch 7,49 Millionen Menschen ein, was in den höchsten Marktanteilen der Vorrunde resultierte, die Deutschland-Spiele ausgenommen. Ein ausgeglichenes Spiel und einen knappen italienischen Sieg sahen zu Beginn des 15. Junis 56,6 Prozent des Gesamtpublikums. Der Marktanteil beim jungen Publikum belief sich auf 58,0 Prozent. Auch das zweite Spiel der Mannschaft von Trainer Cesare Prandelli war sehr gefragt: Am 20. Juni verfolgten 10,20 Millionen Fernsehende den knappen Sieg Costa Ricas über das große Italien. Die Folge war ein Gesamtmarktanteil von fantastischen 47,7 Prozent und 51,8 Prozent Sehbeteiligung bei den Jüngeren. Schließlich ging es am 24. Juni für Italien gegen Uruguay um alles – nur eine der beiden Mannschaften konnte ins Achtelfinale vorrücken. 10,39 Millionen Menschen verfolgten ab 18 Uhr, wie sich Südamerika gegen Südeuropa durchsetzte. Beim wohl letzten WM-Einsatz von gestandenen Nationalspielern wie Andrea Pirlo waren 47,3 Prozent aller Fernsehenden und 45,3 Prozent der Zuschauer zwischen 14 und 49 live dabei.

Nach der gefragten Partie gegen Italien verstand es auch England die Fernsehzuschauer anzulocken. Das Spitzenspiel gegen Uruguay erreichte am 19. Juni ab 21 Uhr 14,66 Millionen Fußball-Fans. 47,1 Prozent aller und 50,6 Prozent der jungen Zuschauer sahen den Triumph des wieder vollständig genesenen Luis Suarez gegen ein England, das lange gut mithielt, dessen Turnier-Aus nach diesem Spiel jedoch besiegelt war. Uruguay stellte ebenfalls einen Quotengaranten dar, das bewiesen die Südamerikaner in den Top-Spielen gegen Italien und England im Zuge der Gruppenphase. Suarez, Cavani und Co., das Team, das vor der WM von vielen Experten als möglicher Finalist gehandelt wurde, musste sich im Achtelfinale jedoch Kolumbien geschlagen geben und verzeichnete am 28. Juni mit 10,65 Millionen Interessierten ab 22 Uhr noch einmal eine ausgezeichnete Reichweite.

Zum Glück für ARD und ZDF ist es der Natur des Turniers zu verdanken, dass das Zuschauerinteresse mit fortschreitender Zeit ansteigt und im Finale gipfelt. So können eventuell auch die Quotenverluste, die mit dem Ausscheiden von gleich vier Mitfavoriten einhergehen, verschmerzt werden. Die Achtelfinals zwischen den von der Reputation her weniger attraktiven Nationen Kolumbien und Uruguay sowie Costa Rica und Griechenland präsentierten sich jedoch mit Gesamtmarktanteilen von jeweils 45,3 Prozent sogar schwächer als ein Durchschnittspiel der Gruppenphase: Das Erste und das ZDF verzeichneten im Mittel 46,3 Prozent der Zuschauer ab Drei im Zuge der Partien zwischen dem 12. Und 26. Juni. Mit 46,5 Prozent, beziehungsweise 44,8 Prozent lagen beide Partien auch unter dem Durchschnitt in Bezug auf die jungen Zuschauer, wo in der Vorrunde im Schnitt 48,0 Prozent gemessen wurden. Hoffen ARD und ZDF im Rahmen der restlichen Achtelfinals deshalb auf die Favoriten Frankreich, Deutschland, Argentinien und Belgien?



Der Quotenmeter.de-WM-Fahrplan:
Montag, 30. Juni 2014 (ZDF)
Übertragungsbeginn: 17.05 Uhr. Durch den Tag führen Oliver Welke, Rudi Cerne und Oliver Kahn

Achtelfinals:
Ab 18.00 Uhr: Frankreich–Nigeria
Mit Wolf-Dieter Poschmann

Ab 22.00 Uhr: Deutschland–Algerien
Mit Béla Réthy



Dienstag, 01. Juli 2014 (ZDF)
Übertragungsbeginn: 17.05 Uhr. Durch den Tag führen Oliver Welke, Rudi Cerne und Oliver Kahn

Achtelfinals:
Ab 18.00 Uhr: Argentinien–Schweiz
Mit Oliver Schmidt

Ab 22.00 Uhr: Belgien–USA
Mit Thomas Wark



Freitag, 04. Juli 2014 (Das Erste)
Übertragungsbeginn: 17.05 Uhr: Durch den Tag führen Matthias Opdenhövel und Mehmet Scholl.

Viertelfinals:
Ab 18.00 Uhr: Noch unbekannt-Noch unbekannt

Ab 22.00 Uhr: Brasilien–Kolumbien



Samstag, 05. Juli 2014 (ZDF)
Übertragungsbeginn: 17.05 Uhr. Durch den Tag führen Oliver Welke, Rudi Cerne und Oliver Kahn

Viertelfinals:
Ab 18.00 Uhr: Noch unbekannt–Noch unbekannt

Ab 22.00 Uhr: Niederlande–Costa Rica


30.06.2014 09:37 Uhr  •  Timo Nöthling Kurz-URL: qmde.de/71567