Wenn Fremdenhass und Polizeiwillkür aufeinandertreffen, ereignet sich das, was in der Silvesternacht 2008/2009 an der U-Bahnstation Fruitvale passierte. Damals erschoss ein weißer Polizist einen Schwarzen. Regisseur Ryan Coogler setzt dem Opfer nun sein filmisches Denkmal.
Als Oscar Grant (Michael B. Jordan) am Morgen des 31. Dezember 2008 aufwacht, spürt er, dass etwas in der Luft liegt. Ohne genau zu wissen, was es ist, nutzt er die Gelegenheit, um endlich seine guten Vorsätze in die Tat umzusetzen: Als Vater, Partner und Sohn möchte er ein besserer Mensch werden. Für seine vierjährige Tochter Tatiana (Ariana Neal), die ihn trotz eines zweijährigen Gefängnisaufenthalts noch immer vergöttert, für seine Freundin Sophina (Melonie Diaz), mit der er nicht immer ganz ehrlich war, und für seine Mutter (Octavia Spencer), die an diesem Silvestertag Geburtstag hat. Freunde, Familie und Fremde kreuzen seinen Weg, doch im Laufe des Tages muss Oscar feststellen, dass Schwierigkeiten und Herausforderungen nicht ausbleiben, wenn man sich selbst und sein Leben verändern will. Von seinem Plan, ein besserer Mensch zu werden, will er sich trotzdem nicht abbringen lassen. Aber soweit kommt es nicht: nach einer fröhlichen Silvesternacht in San Francisco gerät er auf seinem Rückweg im Zug in einen Streit. Vollkommen unerwartet wird er von einem weißen Polizisten erschossen – in der U-Bahn-Station Fruitvale.
Zu einer solch intimen Sichtweise trägt vor allem die reduzierte Inszenierung bei. Technische Spielereien hat «Nächster Halt: Fruitvale Station» keine zu bieten. Ludwig Göransson, der bereits Filme wie «Wir sind die Millers» und Serien wie «Community» musikalisch ausstattete, kreiert hier einen solch zurückhaltenden Score, dass er bei all den vielen, emotionalen Eindrücken nahezu untergeht. Passend dazu dreht die so gut wie unbekannte Kamerafrau Rachel Morrison ihren Film fast durchgehend mit der Handkamera. Hochglanzaufnahmen oder ein typischer Hollywoodlook hätten «Nächster Halt: Fruitvale Station» niemals derart gut getan, wie es die unverfälschten, fast dokumentarischen Aufnahmen von Morrison tun. Sogar die obligatorisch gewordenen Aufnahmen von Stadt und Umgebung sind hier keine Lückenfüller, sondern dienen als bewusst gewählte Impressionen der Lebensumstände des Protagonisten. Mit ihrer Kamera stets ganz nah am Geschehen gerät der Einblick in Oscar Grants Leben so nahe und lebensecht, dass einen das Finale umso härter erwischt – auch wenn das Publikum durch Handybilder schon vor dem Vorspann über den Ausgang der Geschichte informiert wird.
Gerade dieser inszenatorische Kniff beraubt «Nächster Halt: Fruitvale Station» jedoch auch um ein klein wenig Spannung. Obgleich die Macher die Kenntnis um die Hintergründe und Konsequezen der Geschichte augenscheinlich voraussetzen, hätte es dem Suspenseaufbau gut getan, auf das sehr frühe Verraten des Story-Ausgangs zu verzichten. So könnte sich ein Teil der Zuschauerschaft möglicherweise um eine Art Überraschungseffekt beraubt fühlen. Trotzdem manövriert Ryan Coogler seinen Cast so stilsicher durch die Geschichte, kehrt die einzelnen Charakterzüge so treffend heraus und setzt solch punktgenaue Plot-Akzente, dass der Schlussakt zu einem ungemein nahegehenden Kinoerlebnis gerät. Ganz so, als hätte man gerade von dem Verlust einer einem persönlich nahestehenden Person erfahren. Zusammen mit der absolut perfekt auf den Punkt gewählten Schwarzblende wirkt die Story auch noch Tage später nach.
Neben Michael B. Jordan agiert der übersichtliche Cast ebenso berührend. Allen voran Melonie Diaz («Save the Date») durchläuft innerhalb der eineinhalb Stunden einen glaubhaften Wandel. Verurteilt sie ihren Lebenspartner zu Beginn noch für dessen Abdriften auf die schiefe Bahn, honoriert sie schließlich dessen Bemühungen darum, ein besserer Mensch zu werden. Das alles innerhalb eines auf knapp neunzig Filmminuten herunter gekürzten Tages glaubhaft darzustellen, ist beachtlich. Nachwuchsaktrice Ariana Neal («Repentance») komplettiert das junge Familienglück,während Octavia Spencer («The Help») als besorgte Mutter für einige der ausdrucksstärksten Szenerien verantwortlich ist. Wenn Spencer um ihren toten Sohn weint, kommt man kaum mehr drum herum, nicht auch die eine oder andere Träne zu vergießen.