Popcorn und Rollenwechsel: Inszenierende Kameramänner

Ob Wally Pfister oder Barry Sonnenfeld: Einige angesehene Kameramänner zieht es mit aller Macht auf den Regieposten ...

Die Wege Hollywoods sind unergründlich. Während zahlreiche Schauspieler im Laufe ihrer Karriere den Schritt hinter die Kamera wagen und sich als Regisseur versuchen (darunter Ben Affleck, Joseph Gordon-Levitt und Chris Evans), und auch einige Drehbuchautoren letztlich auf dem Regiestuhl Platz nehmen (etwa Charlie Kaufman, Shane Black und Joss Whedon), so bleiben Filmschaffende einer gewissen Profession zumeist in ihrem Metier: Kameramänner. Dabei tragen sie zur Inszenierung und zum Look eines Films sehr viel bei und sind, anders als Schauspieler, die Arbeit hinter der Kamera per se gewohnt.

Ein Blick auf die miesen US-Kritiken, die der Sci-Fi-Film «Transcendence» erhält, lässt mutmaßen, dass es guten Grund haben wird, weshalb die Riege an Kameramännern, die sich als Regisseur ausprobieren, so klein ist. Aber nicht allen Kameramännern ergeht es wie Christopher Nolans Dauerkollaborateur Wally Pfister – einige wenige wurden mit einer gelungenen Zweitkarriere beschert. Auf manche dieser Glücklichen wollen wir nachfolgend blicken. Und wer weiß? Pfisters zweite Regiearbeit könnte noch immer furios ankommen …

Jack Cardiff
Kinolegende Jack Cardiff gehörte zu den ersten seiner Zunft, die mit Technicolor arbeiteten und verlieh unter anderem Filmen wie «African Queen» und «Die roten Schuhe» mittels seiner minutiösen ihren unverwechselbaren Look. 1958 wechselte Cardiff auf den Regieposten, jedoch gilt sein Debüt «Intent to Kill» trotz eines starken Spannungsbogen generell als wenig denkwürdig. Spätere Filme Cardiffs ernteten wesentlich mehr Achtung: Das Drama «Söhne und Liebhaber» etwa erntete sechs Oscar-Nominierungen und der erotische Liebesfilm «Nackt unter Leder» erarbeitete sich in den späten 60ern und frühen 70ern eine Kult-Fangemeinde. In späteren Jahren kehrte Cardiff zu seiner alten Profession zurück und filmte unter anderem «Conan der Zerstörer» und «Rambo 2 – Der Auftrag».

Barry Sonnenfeld
Ehe die Coen-Brüder in Roger Deakins ihren Lieblingskameramann fanden, arbeiteten sie drei Mal mit Sonnenfeld zusammen, darunter beim für seine ikonische Bildsprache gefeierten Gangsterfilm «Miller's Crossing». Außerdem filmte der New Yorker, der kein Geheimnis daraus macht, seinen Karrierebeginn als Kameramann bei Pornofilmen gemacht zu haben, den Romantikklassiker «Harry und Sally» sowie den Thriller «Misery». 1991 folgte dann sein Regiedebüt «Die Addams Family», bei dem Sonnenfeld sein Faible für einen quirligen Look ausleben konnte. Die Kritiken waren zumeist verhalten positiv, das Einspiel wiederum groß genug, um eine Fortsetzung in die Wege zu leiten, die Sonnenfeld ebenfalls inszenierte. Sonnenfelds größten Hits sind aber die drei «Men in Black»-Filme. Mittlerweile ist Sonnenfeld vor allem als Produzent und Serienschöpfer tätig – so verantwortete er die kultige, wenngleich gefloppte Serie «Pushing Daisies».

Ernest R. Dickerson
Während Sonnenfeld im Fernsehen weitestgehend als Produzent tätig ist, schwingt sich Dickerson weiterhin häufig auf den Regiestuhl und inszenierte einige der populärsten Folgen solcher Kritikerlieblinge wie «The Wire», «Treme» oder «The Walking Dead». Im Kino schlug sich Dickerson nicht ganz so gut: Nach seinem sehr positiv besprochenen Ghetto-Drama «Juice – City-War» folgten weniger gefragte Produktionen wie «Never Die Alone» mit Rapper DMX. Vorab arbeitete der mittlerweile 62-Jährige als Kameramann an vielen Spike-Lee-Werken wie «Do the Right Thing» oder «Malcolm X» mit.

Nicolas Roeg
Der 1928 geborene Brite verdiente sich seine Sporen als Kameramann solcher Kriminalfilme wie «Der Dicke von Scotland Yard», außerdem wirkte er an der beliebten Komödie «Toll trieben es die alten Römer» und dem Sci-Fi-Klassiker «Fahrenheit 451» mit. 1970 feierte er dann an der Seite des Regisseurs Donald Cammell beim visuell überdrehten Drogendrama «Performance», das bis heute die Kritiker spaltet. Es folgten solche unvergesslichen Filme wie der Horror-Meilenstein «Wenn die Gondeln Trauer tragen», der Sci-Fi-Kult «Der Mann, der vom Himmel fiel» oder die Komödie «Hexen hexen». Mittlerweile wurde es wieder ruhiger um Roeg, was wohl auch seiner ungewöhnlichen Themenwahl geschuldet ist: 1995 etwa griff er mit dem Drama «Two Deaths» über einen Gebildeten, der zu Beginn der osteuropäischen Revolution ein folgenschweres Abendessen mit seinen Freunden begeht, dem aktuellen Trend solcher kammerspielartigen Diskussionsdramen wie «Gott des Gemetzels» vor. 2007 folgte mit «Puffball» ein surrealistischer Thriller mit feministischen Elementen Positive Kritiken erhalten Roegs Filme dennoch regelmäßig und Regisseure wie Steven Soderbergh, Tony Scott, Christopher Nolan und Danny Boyle bezeichnen ihn als wichtigen Einfluss auf ihre Arbeit.
21.04.2014 00:50 Uhr  •  Sidney Schering Kurz-URL: qmde.de/70246