Die Kino-Kritiker: «Irre sind männlich»

Kaum ein Genre ist so mit Vorurteilen belastet wie die deutsche Komödie. Anno Saul schickt sich mit «Irre sind männlich» nun an, einen erneuten Angriff auf die Lachmuskeln der hiesigen Kinogänger zu starten. (Fast) ganz ohne Schweiger und Schweighöfer.

Filmfacts «Irre sind männlich»

  • Kinostart: 24. Mai 2014
  • Genre: Komödie
  • Laufzeit: 93 Min.
  • FSK: 12
  • Musik: Peter Horn, Andrej Melita
  • Autor: Ilja Haller, Philip Voges
  • Regie: Anno Saul
  • Darsteller: Fahri Yardim, Milan Peschel, Marie Bäumer, Peri Baumeister, Josefine Preuß
  • OT: Irre sind männlich (D 2014)
Die deutsche Komödie befindet sich fest in der Hand der beiden großen SCHs. Während Til Schweiger konsequent sein Ding durchzieht und spätestens seit «KeinOhrHasen» Filme des immer selben Stils auf die Leinwand bringt, ist Matthias Schweighöfer dabei, seinem Kollegen nach und nach den Rang abzulaufen. Auch wenn sich Letzterer in puncto Regie weiterhin beweisen muss – immerhin: «Vaterfreuden» stellte nach «What a man» und «Schlussmacher» den bislang gelungensten seiner Filme – scheint der Erfolg des sympathischen Filmemachers ungebrochen. Da ist es wenig verwunderlich, dass der neuste Streifen von Anno Saul («Die Tür») mit einem Kurzauftritt ebenjenes Matthias Schweighöfer beginnt. Ein Schelm, wer hinter diesem genialen Schachzug knallhartes PR-Kalkül vermutet. Doch, man mag es unter dem Wust an schwachen deutschen Durchschnitts-Comedies der letzten Jahre gar nicht mehr vermuten: Eine derartige Platzierung des blonden Publikumsmagneten hätte «Irre sind männlich» gar nicht nötig. Hinter der Psycho-Variante von «Die Hochzeitscrasher» verbirgt sich eine der besten deutschen Komödie des laufenden Jahrzehnts.

Als Daniel (Fahri Yardim) wegen seiner krankhaften Eifersucht von Mia (Josefine Preuß) verlassen wird, legt sie ihm eine Therapie nahe. Sein bester Freund Thomas (Milan Peschel) nimmt aus Solidarität mit ihm an einer Familienaufstellung teil und entdeckt dabei einen willkommenen Nebeneffekt: Mit falschem Namen und erfundenen Problemen lassen sich von den beiden Therapietouristen reihenweise Frauen abschleppen. Auf einem Wochenendworkshop der Psycho-Koryphäe Schorsch Trautmann (Herbert Knaup) kommt die therapiesüchtige Anwältin Sylvie (Marie Bäumer) den beiden auf die Schliche. Von nun an werden die Sitzungen zur postkoitalen Belastungsprobe und das erklärte Ziel, die bekannte Schauspielerin Bernadette (Peri Baumeister) flach zu legen, rückt immer mehr in weite Ferne.

Zugegeben: Einen Originalitätspreis hat weder das Skript von Ilja Haller und Philip Voges («Wo ist Fred?»), noch die damit einhergehende Skizzierung sämtlicher Figuren verdient. Allen voran die Hauptcharaktere, der Frauenaufreißer Thomas sowie sein bodenständiger Freund Daniel, entsprechen einem Schwarz-Weiß-Schema, das üblicherweise auf eine der zig Durchschnittskomödien schließen lassen. Doch bereits an dieser Stelle hat Anno Saul die Darsteller auf seiner Seite. Fahri Yardim, Dauer-Sidekick von «Tatort»-Komissar Til Schweiger alias Nick Tschiller, ist nicht nur mit Herzblut bei der Sache, sondern genießt es sichtlich, seine Figur über die Stränge schlagen zu lassen. Gerade in den offensichtlich improvisierten Passagen sitzt Yardims komödiantisches Timing; jede einzelne Pointe wird mit Genuss zelebriert. Auch Milan Peschel scheint sich von seiner Rohrkrepierer-Performance aus «Schlussmacher» wieder erholt zu haben. Seine Figur des Thomas lässt trotz des rebellischen Grundtons und einer gewissen Lebens-Naivität nie seine sympathischen Seiten missen. Voller Spontanität und Wortwitz ergeben Peschel und Yardim ein harmonisches Duo, von dessen Dynamik manche ihrer Kollegen nur träumen können.

Wenn sich besagtes Duo von nun an durch die einzelnen Therapiesitzungen schläft, ist anarchischer Humor nicht weit. Zeitgleich punktet «Irre sind männlich» mit einer beeindruckenden Ehrfurcht vor der Prämisse: Obgleich die Psychotherapien jeweils das Grundgerüst für die Handlung bilden, vor allem aber als Vorlage diverser sketchartiger Einschübe dienen, beweist der Regisseur nicht nur Fingerspitzengefühl, sondern auch einen bemerkenswerten Respekt vor der Thematik. Trotz grobschlächtigem Schenkelklopfer-Humor – etwa wenn Patienten in einer Therapiesitzung in die Rolle von Geschlechtsteilen schlüpfen müssen – stellt sich nie die Frage, ob psychologische Behandlungen in dieser Form tatsächlich von Nutzen sind. Anno Saul macht sich nicht lustig oder stellt Menschen mit psychologischem Problem per se als Idioten dar. Und trotzdem gelingen dem Filmemacher einige über alle Maßen komische Szenerien. Hier beweist sich die humoristische Qualität, die «Irre sind männlich» von der breiten Masse an 08 15-Komödien abhebt.

Die klassische Liebesgeschichte, um die auch «Irre sind männlich» selbstverständlich nicht herumkommt, kennzeichnet sich durch einige, durchaus überraschende Wendungen. Dabei orientieren sich die Macher zwar an den Erwartungen des Publikums, allerdings nur, um diese schließlich geschickt zu unterwandern. Für eine Persiflage auf die Durchschnitts-RomCom reicht es zwar nicht ganz, doch die augenzwinkernden Einschübe versorgen den Film mit frischem Wind. Plötzlich abbrechende, zuvor dramatisch anschwellende Musik und ein Zeitraffer-Happy-End für Thomas und seine Liebste sind nur zwei Beispiele dafür, dass Anno Saul genau weiß, wie eine Romantikkomödie üblicherweise funktioniert. So gelingt es ihm geschickt, sein Publikum mit der eigenen Erwartungshaltung zu konfrontieren und sorgt so für einige zusätzliche Lacher. Da verzeiht man dem Film auch einige formelhaftere Entwicklungen: So sei das Klischee-Finale der etwas überdramatischeren Art den Figuren gegönnt.

Für Lacher sorgt derweil auch die weibliche Darstellerriege. Josefine Preuß («Die Hebamme») spiegelt überspitzt „die moderne Frau von heute“ wider, während Marie Bäumer («Der Schuh des Manitu») – zeitweise das Beste am Film – so großartig biestig ist, dass ihr die lautesten Lacher zuteilwerden. Als psychisch angeknackste Anwältin, die mehr denn alle anderen in derartige Therapie-Gruppen passt, steht ihr das Overacting verdammt gut. Zusammen mit Milan Peschel ergibt sich eine herrliche Eigendynamik, der selbst der Regisseur zeitweise nicht ganz gewachsen scheint. Die zuckersüße Peri Baumeister («Russendisko») geht bei so viel Temperament fast ein wenig unter. Charmant ist sie dennoch. Des Weiteren ist der selbstironische Auftritt des ehemaligen «Alarm für Cobra 11»-Mannes Tom Beck eine Erwähnung wert. Wie sich der athletische Strahlemann hier auf die Schippe nimmt, ist ganz großes Comedy-Gold.

Fazit: «Irre sind männlich» weiß gekonnt mit den Konventionen der Durchschnitts-RomCom zu kokettieren. Zusammen mit den Darstellern ergibt sich so das Bild einer deutschen Komödie, wie es sie nur alle Jubeljahre mal auf der Leinwand zu sehen gibt.

«Irre sind männlich» ist ab dem 24. April in den deutschen Kinos zu sehen.
21.04.2014 14:00 Uhr  •  Antje Wessels Kurz-URL: qmde.de/70228