Die öffentlich-rechtliche Straßenfeger-Macht

Ob «Schlag den Raab» oder «DSDS»: Das Privatfernsehen kann sich selbst mit seinen größten Hits kaum mit den Reichweiten von ARD und ZDF messen.

Marktanteile beim Gesamtpublikum

  • ARD 2011/2012: 11,8%
  • ARD 2012/2013: 12,0%
  • ZDF 2011/2012: 12,1%
  • ZDF 2012/2013: 12,7%
Samstagabend. Bei ProSieben läuft «Schlag den Raab» und die webaffine Fernsehnation diskutiert mit: Die Wettbewerbsshow schafft es bei Twitter locker in die Trending Topics, allein im Qtalk-Forum werden über 250 Beiträge zur Show geschrieben und auch der Feuilleton diverser Online-Magazine kommentiert die XXL-Show. Doch so groß der Mitteilungsdrang der «Schlag den Raab»-Zuschauer sein mag: Mit weniger als drei Millionen Fernsehenden spielt das Format beim Gesamtpublikum nicht einmal die zweite Geige. Die März-Ausgabe 2014 etwa unterlag in der um 20.15 Uhr beginnenden Programmschiene sowohl RTL mit «Deutschland sucht den Superstar», als auch dem Quiz «Frag doch mal die Maus» im Ersten und dem ZDF-Krimi «München Mord».

Die junge Zielgruppe hat sich, vom «Tatort» abgesehen, schon längst von den großen Straßenfegern verabschiedet. Während Sendungen wie «Schlag den Raab» oder «The Voice of Germany» mit jeder einzelnen Ausgabe online zum Tagesgespräch aller Fernsehliebhaber werden und großartige Marktanteile bei den Umworbenen erzielen, holen völlig andere Programme die richtig hohen Reichweiten: Die ZDF-Samstagskrimis,das «Traumschiff», «Polizeiruf 110» oder auch Musiksendungen im Ersten wie «Das Adventsfest der 100.000 Lichter». Und selbst die hohe Gesamtzahlen schreibenden Formate, die auch hervorragend bei den 14- bis 49-Jährigen laufen, sind in öffentlich-rechtlicher Hand – sei es der besagte Klassiker «Tatort» oder die Champions League im ZDF.

Die Zeiten, in denen auch private Anstalten enorme Reichweiten erzielten, gehören der Vergangenheit an: «Wer wird Millionär?» kommt selten auf mehr als sechs Millionen Ratefüchse, für «Deutschland sucht den Superstar» sind mittlerweile selbst fünf Millionen Interessenten ein fantastischer Wert und ProSieben kommt am Sonntagabend nur in absoluten Ausnahmefällen auf mehr als fünf Millionen Filmzuschauer. Es muss schon das Dschungelcamp laufen, damit im privaten Fernsehsektor die Reichweiten an der Allmacht von ARD und ZDF rütteln können. Kurzum: Die Publikumsspaltung spiegelt sich nicht nur darin wieder, dass Sendergruppen ihre Gesamtmarktanteile nicht zuletzt dank ihrer Nischensender aufrecht erhalten, sondern auch darin, dass sich die Zuschauer über 50 Jahren wieder verstärkt von den privaten Sendern fernhalten.

Aber es ist nicht so, als sehnten sich die Privaten wie einst nach enormen Reichweiten. Viel mehr werden die Kräfte bei zahlreichen Formaten darauf konzentriert, die Zielgruppe an den Mattscheiben zu halten und nicht an die Konkurrenz zu verlieren – seien es Konkurrenzsender oder andere mediale Angebote. «The Voice of Germany», «Germany's Next Topmodel» oder auch die RTL-Castings etwa stärkten in den vergangenen Staffeln ihre digitalen Zusatzangebote und verlegten somit ihren Fokus noch intensiver auf die „Digital Natives“. Und ProSiebens Dauerrenner «Schlag den Raab» zeigt schon seit jeher keinerlei Bemühungen, seine Zugkraft beim Gesamtpublikum auszubauen – weshalb auch? Die Marktanteile in der Zielgruppe stimmen, und welchen Zweck hätte es, auf einem von Werbegeldern finanzierten Sender abseits der kommerziell interessanten Zuschauer auf Publikumsfang zu gehen, und dabei womöglich Gefahr zu Laufen, bei der „Entjüngung“ der Show die wichtigen Umworbenen zu verlieren?
18.04.2014 11:45 Uhr  •  Sidney Schering Kurz-URL: qmde.de/70208