Die Kino-Kritiker: «Yves Saint Laurent»

Mit seinem rührenden Portrait «Yves Saint Laurent» erweist der französische Regisseur Jalil Lespert einem ganz Großen der Modebranche die Ehre und erzählt von dessen Leben, seinem Einfluss auf die Modewelt und eine außergewöhnliche Liebesgeschichte.

Filmfacts «Yves Saint Laurent»

  • Kinostart: 17. April 2014
  • Genre: Drama/Biopic
  • Laufzeit: 106 Min.
  • FSK: 12
  • Kamera: Thomas Hardmeier
  • Musik: Ibrahim Maalouf
  • Autor: Jacques Fieschi, Marie-Pierre Huster, Jalil Lespert
  • Regie: Jalil Lespert
  • Darsteller: Pierre Niney, Guillaume Gallienne, Charlotte Le Bon, Laura Smet, Marie de Villepin
  • OT: Yves Saint Laurent (FR 2013)
Manche Projekte brauchen etwas länger, eh sie bei den Filmstudios auf Resonanz stoßen. So erging es auch dem Thema "Yves Saint Laurent Biographie", für das sich in der Vergangenheit gleich zwei Filmemacher einsetzten. Bertrand Bonellos «Saint Laurent» steht für Mitte dieses Jahres auf dem Programm, während Jalil Lespert sein Werk «Yves Saint Laurent» bereits in dieser Woche auf die deutschen Kinobesucher loslässt. In Frankreich bereits Anfang Januar gestartet, entwickelte sich die zwölf Millionen Euro teure Produktion zu einem überraschenden Erfolg. Mit knapp 24 Millionen spielte das sensible Charakterdrama um einen der bekanntesten Modeschöpfer der Welt das Doppelte seiner Produktionskosten wieder ein. Hinter dem aufwühlenden Portrait steht unter anderem der für Publikumserfolge bekannte Weinstein-Konzern, der den Film im Juli auch vereinzelt in US-Amerikanische Kinos bringen wird. Ob dieses Experiment gelingt, steht zwar momentan noch in den Sternen; Doch während nicht nur die Mode des Christian-Dior-Nachfolgers zeitlos ist, ist es auch dieses Leinwand-Portrait, das zu weiten Teilen auf einer Biographie des französischen Journalisten Laurence Benaïm basiert. Möchte man meinen, dass dies dazu führt, dass das Drama aufgrund persönlicher Belange überdramatisiert und die Geschichte des Weltkonzerns verwässert wird, entpuppt sich «Yves Saint Laurent» als zwar nüchtern inszenierte aber melancholisch-liebevoll erzählte Charakterstudie über einen Mann, für dessen Facetten es eigentlich mehr braucht, als ein knapp zweistündiges Biopic .

Paris 1957. Der gerade einmal 21-jährige Yves Saint Laurent (Pierre Niney) ist einer der talentiertesten Nachwuchsdesigner Frankreichs und die rechte Hand des Modeschöpfers Christian Dior (Patrice Thibaud). Als dieser unerwartet stirbt, wird Yves künstlerischer Leiter einer der renommiertesten Modemarken der Welt. Seine erste Kollektion, von der Welt der Haute Couture mit großer Skepsis erwartet, wird für den jungen, genialen Modeschöpfer zu einem triumphalen Erfolg und macht ihn über Nacht weltberühmt. Während einer Modenschau trifft der schüchterne Yves Saint Laurent auf Pierre Bergé (Guillaume Gallienne), eine Begegnung, die sein Leben von Grund auf verändern wird. Die beiden werden Lebens- und Geschäftspartner und gründen keine drei Jahre später unter enormem Risiko ihr eigenes, legendäres Modelabel «Yves Saint Laurent». Doch Yves Kreativität nimmt über die Jahre immer selbstzerstörerische Züge an, die sowohl seine Beziehung zu Pierre, der Liebe seines Lebens, als auch die Zukunft seines Unternehmens gefährden.

Mehr denn sämtliche anderen Genres ist vor allem das Biopic von der Tragweite seines Protagonisten sowie der Verkörperung desselben abhängig. So ist «Yves Saint Laurent» offenkundig eine der einflussreichsten Nobelmarken der Welt; Den Kopf hinter all den stilweisenden Kollektionen kennen hingegen wohl nur Spezialisten auf dem Gebiet Haute-Couture. Augenscheinlich ist der Regisseur und Schauspieler Jalil Lespert («Kein Sterbenswort») sich dessen bewusst und kreiert mit viel Gefühl und ohne allzu große Distanz zu seinen Figuren einen Filmkosmos, der sich schnell auch einem weniger fachkundigen Publikum erschließt. Lesperts Umgang mit den ganz Größen im Modebusiness erweist sich zwar häufig als beiläufig und wenig tiefsinnig (Die Figur Karl Lagerfeld erhält beispielsweise ein kurzes Stelldichein, für eine originalgetreue Verkörperung durch Nikolai Kinski fehlt jedoch sowohl dem Regisseur als auch dem Darsteller das notwendige Fingerspitzengefühl), sein Hauptaugenmerk gilt dafür seinem Schützling Yves sowie dessen Lebenspartner Pierre. Die Lebens- und Liebesgeschichte des Paares ist von einer beeindruckenden Intimität, wofür zu weiten Teilen die formidablen Leistungen beider Schauspieler verantwortlich sind.

Geschickt verwebt Jalil Lespert ebenjene Lebensgeschichte der titelgebenden Hauptfigur mit der Historie des Konzerns. Anders als zuletzt «Inside Wikileaks» oder der US-Amerikanische Kinohit «jOBS» erweist sich «Yves Saint Laurent» in dieser Hinsicht als ausgeglichen. War weder bei «Inside Wikileaks» noch der von Ashton Kutcher getragenen Steve-Jobs-Geschichte eindeutig ersichtlich, ob Unternehmensstudie oder Charakteranalyse im Mittelpunkt stehen, gelingt es dem Regisseur hier, seine Hauptfigur in den Fokus zu rücken und die Entwicklung ebenjener mit der Weiterentwicklung des gleichnamigen Konzerns zu verknüpfen. So erweist sich auch die Titelgebung des Filmes als intelligent: "Yves Saint Laurent" bezeichnet die Marke und den Menschen dahinter zugleich.

An der Verkörperung dieses Menschen ist allen voran Pierre Niney («Die anonymen Romantiker») beteiligt. Mit seinem zurückhaltenden, fast schon schüchternen Spiel verleiht er seinem Yves solch eine Authentizität, dass man bisweilen den Eindruck gewinnen könnte, Yves Saint Laurent höchstpersönlich hätte für sein Portrait Modell gestanden. Zaghaft und grazil bewegt sich Niney durch die Kulissen seines Ateliers, des Appartements oder durch die große weite Welt, als würde er all dies zum ersten Mal entdecken. Gleiches gilt für Guillaume Gallienne («Asterix & Obelix – Im Auftrag Ihrer Majestät»), dessen Charakter zum Teil als Gegenstück zu Saint Laurent funktioniert, insgesamt jedoch wesentlich komplexer anmutet und mit seinem Liebhaber schließlich ein stimmiges Ganze bildet. Nimmt man den beiden in der Anfangsphase noch das hoffnungslos-romantische Verliebtsein ab, gehen einem die Streits und Auseinandersetzungen umso näher. Selten sah man zuletzt solch eine Innigkeit zwischen einem Landwandpaar, das mit seiner Präsenz und einer enormen Würde sämtliche Nebendarsteller blass aussehen lässt.

Unerwartet blass erscheint teilweise auch die Inszenierung, für deren Gelingen unter Anderem der Schweizer Kameramann Thomas Hardmeier («22 Bullets») zuständig ist. Mit seinen nahezu kühlen Aufnahmen unterstreicht Hardmeier nicht wie erwartet die Opulenz der Mode, um die sich alles dreht. «Yves Saint Laurent» wird nicht etwa zum „französischen «Gatsby»“, sondern gewinnt ihre Anziehungskraft aus der Faszination für die Hauptfigur. Die schnörkellosen Bilder helfen dem Film, nicht vom Wesentlichen abzulenken. Während «Yves Saint Laurent» aus Storysicht einen äußerst melancholischen Ton anschlägt, verzichtet der Film darauf, ebenjenes hervorzuheben. Auch der Score kommt ohne epochale Orchesterklänge aus und dient allenfalls als unauffällige Soundkulisse.

So unauffällig wie die technische Gestaltung präsentiert sich auch das Drehbuch. Für die ruhig erzählte Geschichte, passend unterlegt von einem Off-Kommentar Pierre Bergés, der die Ereignisse zeitlich und thematisch einordnet, gab bereits der Autor der Biographie nicht viel auf Leichenfledderei und Skandale. Nahezu dokumentarisch verfolgt der Zuschauer das Leben einer faszinierenden Persönlichkeit, die auch ohne aufbauschende Mittel genug Protagonisten-Potenzial besitzt. Für die Konsumenten üblicher Hollywood-Kost mag die ausgedehnte Laufzeit von knapp zwei Stunden unter diesem Gesichtspunkt befremdlich wirken; Liebhaber des bodenständigen Arthouse-Kinos bekommen dafür ein sensibles Drama serviert, das auf Effekthascherei verzichtet und sich ganz und gar seinen Figuren widmet.

Fazit: «Yves Saint Laurent» erzählt auf einfühlsame Weise vom Leben und Schaffen des gleichnamigen Modeschöpfers. Dabei erfindet Regisseur Jalil Lespert zwar das inszenatorische Rad nicht neu, durch das Vertrauen in seine Figuren gerät sein Einblick hinter die Kulissen des Modezirkus jedoch umso intimer.

«Yves Saint Laurent» ist ab dem 17. April in ausgewählten deutschen Kinos zu sehen.
15.04.2014 10:00 Uhr  •  Antje Wessels Kurz-URL: qmde.de/70114