Mit seinem rührenden Portrait «Yves Saint Laurent» erweist der französische Regisseur Jalil Lespert einem ganz Großen der Modebranche die Ehre und erzählt von dessen Leben, seinem Einfluss auf die Modewelt und eine außergewöhnliche Liebesgeschichte.
Paris 1957. Der gerade einmal 21-jährige Yves Saint Laurent (Pierre Niney) ist einer der talentiertesten Nachwuchsdesigner Frankreichs und die rechte Hand des Modeschöpfers Christian Dior (Patrice Thibaud). Als dieser unerwartet stirbt, wird Yves künstlerischer Leiter einer der renommiertesten Modemarken der Welt. Seine erste Kollektion, von der Welt der Haute Couture mit großer Skepsis erwartet, wird für den jungen, genialen Modeschöpfer zu einem triumphalen Erfolg und macht ihn über Nacht weltberühmt. Während einer Modenschau trifft der schüchterne Yves Saint Laurent auf Pierre Bergé (Guillaume Gallienne), eine Begegnung, die sein Leben von Grund auf verändern wird. Die beiden werden Lebens- und Geschäftspartner und gründen keine drei Jahre später unter enormem Risiko ihr eigenes, legendäres Modelabel «Yves Saint Laurent». Doch Yves Kreativität nimmt über die Jahre immer selbstzerstörerische Züge an, die sowohl seine Beziehung zu Pierre, der Liebe seines Lebens, als auch die Zukunft seines Unternehmens gefährden.
Mehr denn sämtliche anderen Genres ist vor allem das Biopic von der Tragweite seines Protagonisten sowie der Verkörperung desselben abhängig. So ist «Yves Saint Laurent» offenkundig eine der einflussreichsten Nobelmarken der Welt; Den Kopf hinter all den stilweisenden Kollektionen kennen hingegen wohl nur Spezialisten auf dem Gebiet Haute-Couture. Augenscheinlich ist der Regisseur und Schauspieler Jalil Lespert («Kein Sterbenswort») sich dessen bewusst und kreiert mit viel Gefühl und ohne allzu große Distanz zu seinen Figuren einen Filmkosmos, der sich schnell auch einem weniger fachkundigen Publikum erschließt. Lesperts Umgang mit den ganz Größen im Modebusiness erweist sich zwar häufig als beiläufig und wenig tiefsinnig (Die Figur Karl Lagerfeld erhält beispielsweise ein kurzes Stelldichein, für eine originalgetreue Verkörperung durch Nikolai Kinski fehlt jedoch sowohl dem Regisseur als auch dem Darsteller das notwendige Fingerspitzengefühl), sein Hauptaugenmerk gilt dafür seinem Schützling Yves sowie dessen Lebenspartner Pierre. Die Lebens- und Liebesgeschichte des Paares ist von einer beeindruckenden Intimität, wofür zu weiten Teilen die formidablen Leistungen beider Schauspieler verantwortlich sind.
An der Verkörperung dieses Menschen ist allen voran Pierre Niney («Die anonymen Romantiker») beteiligt. Mit seinem zurückhaltenden, fast schon schüchternen Spiel verleiht er seinem Yves solch eine Authentizität, dass man bisweilen den Eindruck gewinnen könnte, Yves Saint Laurent höchstpersönlich hätte für sein Portrait Modell gestanden. Zaghaft und grazil bewegt sich Niney durch die Kulissen seines Ateliers, des Appartements oder durch die große weite Welt, als würde er all dies zum ersten Mal entdecken. Gleiches gilt für Guillaume Gallienne («Asterix & Obelix – Im Auftrag Ihrer Majestät»), dessen Charakter zum Teil als Gegenstück zu Saint Laurent funktioniert, insgesamt jedoch wesentlich komplexer anmutet und mit seinem Liebhaber schließlich ein stimmiges Ganze bildet. Nimmt man den beiden in der Anfangsphase noch das hoffnungslos-romantische Verliebtsein ab, gehen einem die Streits und Auseinandersetzungen umso näher. Selten sah man zuletzt solch eine Innigkeit zwischen einem Landwandpaar, das mit seiner Präsenz und einer enormen Würde sämtliche Nebendarsteller blass aussehen lässt.
So unauffällig wie die technische Gestaltung präsentiert sich auch das Drehbuch. Für die ruhig erzählte Geschichte, passend unterlegt von einem Off-Kommentar Pierre Bergés, der die Ereignisse zeitlich und thematisch einordnet, gab bereits der Autor der Biographie nicht viel auf Leichenfledderei und Skandale. Nahezu dokumentarisch verfolgt der Zuschauer das Leben einer faszinierenden Persönlichkeit, die auch ohne aufbauschende Mittel genug Protagonisten-Potenzial besitzt. Für die Konsumenten üblicher Hollywood-Kost mag die ausgedehnte Laufzeit von knapp zwei Stunden unter diesem Gesichtspunkt befremdlich wirken; Liebhaber des bodenständigen Arthouse-Kinos bekommen dafür ein sensibles Drama serviert, das auf Effekthascherei verzichtet und sich ganz und gar seinen Figuren widmet.