Mehr Sparsamkeit wagen

Am Freitagabend zeigte das ZDF erstmals seine neue Polit-Impro «Vier sind das Volk“. Warum sich das Format seines eigenen Potentials beraubt...

Man kann sich ziemlich genau vorstellen, wie die Entwicklung des neuen ZDF-Formats «Vier sind das Volk» abgelaufen ist. Wie es eben nicht in einer Kneipe aus einer Sektlaune oder beim nächtlichen Toilettengang, sondern am Reißbrett konstruiert wurde. Der Auftrag bestand offenbar darin, ein Programm zu finden, das gut zur beliebten «heute-show» passt. Wieder einmal wurde dadurch vom Sendeplatz und nicht vom Inhalt her gedacht. Demzufolge musste das Ergebnis also aktuell, politisch, witzig und natürlich innovativ sein. Dazu muss man wissen, dass die Verwendung des Wortes innovativ in der Regel bedeutet, dass längst ausgetretene Ideen reaktiviert und mit anderen alten Konzepten kombiniert werden. Im aktuellen Fall, erinnerten sich die Macher offenbar daran, dass es vor einigen Jahren einen kleinen Boom an improvisierten Comedy-Shows gab, die nun für frischen Wind am späten Freitagabend sorgen sollten. Glücklicherweise fand man dann im britischen Fernsehen der 90er Jahre mit «If I Ruled the World» sogar ein komplette Reihe, die man vollständig adaptieren konnte, sodass sich wirklich niemand etwas neues einfallen lassen musste.

Doch auch ohne Kenntnis der englischen Vorlage wirkte die Premierenausgabe allzu bekannt, denn sie bestand vollständig aus Versatzstücken, die bereits in früheren deutschen Impro-Shows auftauchten, wobei von der «Schillerstraße» über «Frei Schnauze» und «Voll witzig!» bis zu «Genial daneben» kaum ein Vertreter fehlte. So wurden erneut seichte Popsongs als bedeutungsvolle Reden vorgetragen, skurrile Regieanweisungen spontan in Darbietungen eingebaut und die Bedeutung von zweideutigen Begriffen hergeleitet. Auf dieser Ebene bot die Produktion überhaupt keinen Neuwert. Das war offensichtlich gar nicht gewollt, denn der – für Deutschland – innovative Aspekt sollte sich daraus ergeben, dass die altbekannten Aktionen in ein neues Setting eingebettet wurden. Und hier kommt die «heute-show» ins Spiel.

Anstatt all die bekannten Partyspäße an banalen und spaßigen Themen durchzuexerzieren, wurden sie nämlich auf aktuellpolitische Themen angewandt. Deswegen entstand die Sendung nicht in einem gewöhnlichen TV-Studio, sondern im alten Bonner Wasserwerk, dem ehemaligen Sitz des Deutschen Bundestags. Darüber hinaus gruppierte man die vier improvisierenden Comedians in zwei gegensätzliche Fraktionen, die den politischen Lagern Regierung und Opposition entsprachen, und hielt sie dazu an, die gestellten Aufgaben im typischen Politiker-Duktus zu erfüllen. In der ersten Folge versuchten sich Bernhard Hoëcker und Sebastian Pufpaff sowie Wolfgang Trepper und Philip Simon daran.

Dazu gesellte sich Wigald Boning, der als eine Art Bundestagspräsident das Geschehen leitete sowie die Herausforderungen erklärte und zuteilte. Er tat dies, indem er die Erläuterungen mit eigentlichen recht komischen Überleitungen und Wortspielen kombinierte, diese aber derart starr vom Teleprompter ablas, dass jeglicher Witz verloren ging. Gerade zu Beginn der Auftaktepisode war es so schlimm, dass die peinlichen Pausen deutlich hörbar mit nachträglichen Lachern unterlegt werden mussten. Dabei ist es völlig unerklärlich, wieso in einer Impro-Show überhaupt auf vorgefertigte Texte zurückgegriffen werden muss.

Insgesamt wirkte daher alles bemüht, gehemmt, verkrampft und wenig witzig. Es dominierte ein starrer Rahmen, der kaum Raum für die eigentlich angestrebte Spontanität und Improvisation zuließ. Hinzu kam, dass in der halben Stunde sieben verschiedene Spiele im Eiltempo durchgedrückt wurden, was der Sendung zu allem Überfluss eine enorme Hektik verlieh und die Comedians daran hinderte, mit den ständig wechselnden Situationen oder miteinander warm zu werden.

Trotz all dieser konzeptionellen Mängel und abgegriffenen Ideen bot die Produktion für wenige Augenblicke dennoch Potential für gute Unterhaltung – nämlich immer dann, als die Beteiligten aus dem starren Konzept der Show ausbrachen und frei agieren konnten. Bedauerlicherweise wurden diese Phasen schnell abgewürgt oder im Endschnitt entfernt. In diesen Momenten zeigte sich auch, dass die Aufteilung in zwei Lager durchaus funktionieren kann, wenn man den Beteiligten genügend Raum lässt, sich aneinander zu reiben.

Wie im echten Bundestag müssen die Prinzipien daher künftig Sparsamkeit und Bürokratieabbau lauten. Sparsamkeit ist vor allem bezüglich der Anzahl der Runden geboten. Der Einsatz von Texten und Prompter für Boning kann sogar vollständig wegrationalisiert werden. Bürokratieabbau muss hingegen bei der Starrheit des Regelwerkes und der Maßregelung der Gäste vorangetrieben werden. Bei der Improvisation verhält es sich schließlich wie bei der Demokratie: Je mehr Freiheiten, desto besser.
05.04.2014 11:05 Uhr  •  Christian Richter Kurz-URL: qmde.de/69976