Der Fernsehfriedhof: Kommissar Ex

Christian Richter erinnert an all die Fernsehformate, die längst im Schleier der Vergessenheit untergegangen sind. Folge 282: Ein schrulliger TV-Ermittler, der auch ohne Vierbeiner an seiner Seite überzeugte.

Liebe Fernsehgemeinde, heute gedenken wir eines der wenigen deutschen Serien-Ablegers.

«Stockinger» wurde am 23. Oktober 1996 in Sat.1 geboren und entstand zu einer Zeit, als der Sender mit den ersten beiden Staffeln seiner deutsch-österreichischen Koproduktion «Kommissar Rex» bis zu acht Millionen Zuschauer pro Folge anlocken konnte. Neben dem titelgebenden Polizeihund erfreute sich darin vor allem der schräge und oft überforderte Kriminalinspektor Ernst Stockinger einer großen Beliebtheit beim Publikum. Was lag daher näher, als diese Figur aus der Serie herauszulösen und sie in ein eigenes Format zu packen, um auf diese Weise den bisherigen Erfolg zu verlängern? Solche sogenannten Spin-Offs hatten damals im US-amerikanischen Fernsehen längst Tradition, waren in Deutschland aber noch unüblich.

Erklärt wurde der Ausstieg von „Stocki“ damit, dass seine Ehefrau Karin (Anja Schiller) von ihrem verstorbenen Vater ein Haus samt Zahnarztpraxis erbte, wodurch das Paar von Wien nach Salzburg zog. Dort übernahm Stockinger eine Stelle beim Landesgendarmeriekommando und klärte Mordfälle fortan ohne einen Hund an seiner Seite auf. Obwohl es keine direkten Crossover-Momente zwischen Original und Ableger gab, wurden zahlreiche kleinere Anspielungen auf das frühere Leben des Ermittlers eingebaut. Ohne diese funktionierte das Ergebnis allerdings genauso gut.

In der Alpenkulisse bekam es der Kriminalist mit seinen skurrilen Ermittlungsmethoden nun mit erschossenen Schokoladenfabrikanten, verstorbenen Kurgästen, toten Gräfinnen, leblosen Hotelbesitzern und ermordeten Kunstfälschern zu tun. Unterstützung erhielt er dabei von seinen Partnern Antonella Simoni (Sandra Cervik) und Michael Fuchs (Herbert Fux). Letzter lief Stockinger nicht nur bei der Arbeit über den Weg, sondern war zugleich Stammkunde in der Arztpraxis seiner Frau.

Der Theaterschauspieler Karl Markovics, dem die „neurotische Ausstrahlung eines Woody Allen“ bescheinigt wurde, schlüpfte erneut in seine Paraderolle und verlieh ihr wieder die charakteristische „unfreiwillig komische Ernsthaftigkeit“. Zu dieser schrulligen Hauptfigur wurden weitere kuriose Menschen arrangiert, wodurch die Serie einen amüsanten Grundton erhielt. Außerdem war sie eher zurückhaltend sowie ohne größere Stunts und Effekte inszeniert, wodurch sie sich deutlich von den zu jener Zeit sehr beliebten Action-Konkurrenten «Alarm für Cobra 11» und «SK Babies» abhob.

Um dem Neustart einen möglichst guten Anschub zu geben, wurde der Pilotfilm im Doppelpack mit einer Ausgabe aus dem Mutterformat programmiert. Von den 5,79 Millionen «Kommissar Rex»-Zuschauern blieben dann noch 4,90 Millionen für den ersten Fall des ehemaligen Assistenten übrig. In den nachfolgenden Wochen erreichte die Krimireihe am Mittwochabend um 21.15 Uhr auch ohne Rückenwind sehr konstante Werte um 4,5 Millionen Zuschauer. Damit blieb sie zwar hinter den Zahlen der Ursprungssendung zurück, war aber – vor allem angesichts der eigenwilligen Umsetzung - ein großer Erfolg. Ebenso in Österreich, wo die Folgen vor durchschnittlich 1,3 Millionen Menschen beim ORF ausgestrahlt wurden, fiel die Resonanz erfreulich aus.

Weil darüber hinaus das Echo in der Presse sehr positiv geriet, war Sat.1 an einer Fortsetzung der Dreharbeiten äußerst interessiert. Für eine solche ließ sich Hauptdarsteller Markovics indessen nicht erweichen. „Ich hatte für mich entschlossen, dass ich genug Serie gedreht hatte. Drei Staffeln lagen hinter mir, zwei «Kommissar Rex», eine «Stockinger». Drei Jahre Zeitspanne, in denen ich nur für den Beruf da war. Ich kam am Wochenende nach Hause - und hatte die Rolle im Kopf, war nicht frei. Irgendwie hatte ich das Gefühl, ich würde mich selbst der Wirklichkeit berauben“, sagte er später in einem Interview mit DigitalVD. Er ging darin sogar so weit, dass er ausschloss, innerhalb der nächsten zehn Jahre in einer weiteren Serie mitzuspielen.

Da eine Fortführung ohne Markovics nicht denkbar war, bedeutete dies das Ende für die Produktion. Dennoch wurde die einzige Staffel in den nachfolgenden Jahren mehrfach zu unterschiedlichen Zeiten innerhalb und außerhalb der Primetime wiederholt. Unter anderem ersetzte sie im Herbst 2004 den mittwöchigen Sendeplatz der abgesetzten Show «Anke Late Night».

«Stockinger» wurde am 07. Februar 1997 beerdigt und erreichte ein Alter von 13 Folgen plus Pilotfilm. Die Serie hinterließ den Hauptdarsteller Karl Markovics, der anschließend wieder vermehrt am Theater auftrat sowie mit «Unknown Identity», «Die Vermessung der Welt» und «Grand Budapest Hotel» an einigen internationalen Erfolgen mitwirkte. Seinen meistbeachteten Auftritt hatte er im Jahr 2007 im Streifen «Die Fälscher», der mit einem Oscar für den besten ausländischen Film ausgezeichnet wurde. Seine Kollegin Anja Schiller blieb später dem Krimigenre treu und übernahm zwischen 2006 und 2009 die Hauptrolle in «SOKO Wien». Übrigens, das ZDF schickte mit «Solo für Sudmann» fast zeitgleich ein Spin-Off zum Dauerbrenner «SOKO 5113» auf den Schirm, das es ebenfalls nur auf eine Staffel brachte.

Möge die Serie in Frieden ruhen!

Die nächste Ausgabe des Fernsehfriedhofs erscheint am kommenden Donnerstag und widmet sich dann einem traurigen Casting-Abklatsch vom ZDF.
03.04.2014 11:05 Uhr  •  Christian Richter Kurz-URL: qmde.de/69933