In den USA entwickelte sich Peter Bergs knallhartes Bleigewitter zum Kassenschlager und Nummer-eins-Hit. Wie empfänglich wird das deutsche Publikum für «Lone Survivor» sein?
Seither blieb es still um den Regisseur, Schauspieler und Autor Peter Berg, der zwischen «Battleship» und seinem neusten Streifen «Lone Survivor» lediglich einen Fernsehfilm drehte sowie sich als Produzent an der TV-Serie «The Fight Game with Jim Lampley» beteiligte. Mit seinem zweifach Oscar-nominierten Kriegsfilm «Lone Survivor» begibt sich Berg einmal mehr ins Fahrwasser seines Kollegen Michael Bay, beschränkt sich dabei jedoch vornehmlich auf die technische Gestaltung seines Werks. In Sachen Figurenzeichnung und Storytelling ist Berg seinem Kollegen – so mag man kaum glauben – haushoch unterlegen. Angesichts der auf eine Briefmarke passenden Geschichte sämtlicher «Transformers»-Filme sowie der dazugehörigen Charaktere ist dieses zweifelhafte Kunststück schon bemerkenswert. Noch erstaunlicher ist dabei allerdings, dass diese Schwachpunkte bei «Lone Survivor» kaum ins Gewicht fallen. Immerhin ist die Produktion nicht viel mehr als ein filmgewordenes Ballerspiel vor recht imposanter Kulisse. Doch diesmal scheint der Filmemacher den Nerv des US-amerikanischen Publikums getroffen zu haben: Dort spielte der Streifen knapp 140 Millionen Dollar ein – fast das Vierfache seiner Produktionskosten.
Hollwoodstar Mark Wahlberg («Ted») scheint wie gemacht für die Rolle des Anführers Marcus Luttrell, auf dessen Erzählungen „Lone Survivor“ basiert. Nicht nur, dass der demnächst in «Transformers 4» zu sehende Schönling auch privat nur selten mit seinem überschäumenden Patriotismus hinterm Berg hält, seine Affinität zu Waffen und die Freude am rasanten Schusswechsel sieht man dem 42-jährigen Mimen in jeder Sekunde an. Viel mehr haben weder er noch seine prominenten Kollegen wie Emile Hirsch («Into the Wild») und Taylor Kitsch («Savages») in «Lone Survivor» zu tun – als „realer Ego-Shooter“ ist eine Story kaum existent; auch auf die Hintergründe der Figuren wird nicht näher eingegangen. Und das, wo der Film doch eigentlich auf wahren Ereignissen beruht. Während einige Diskussionen über eventuelle Taktiken und Aufnahmen der harten Rekruten-Ausbildung innerhalb der ersten Szenen ein loses Handlungsgerüst vortäuschen, bestehen die restlichen 100 Minuten aus knallharten Mann-gegen-Mann-Gefechten, deren kompromisslose Inszenierungen beeindruckend sind. Die beiden Oscar-Nominierungen für den Besten Ton und den Besten Tonschnitt kommen nicht von ungefähr: Die Verantwortlichen für das Sounddesign lassen Knochen knacksen und Gewehrkugeln einschlagen. Vor allem die Geräuschkulisse des Waldes ist von enormer Intensität und lässt dem Publikum den Eindruck, dieses befände sich Seite an Seite mit den Navy-SEALs. Ein weiterer Pluspunkt geht an das überaus gelungene Effekt-Make-Up: In zum Teil schmerzhaften Nahaufnahmen bekommt der Zuschauer verbrannte Gesichter, amputierte Gliedmaßen und blutüberströmte Verletzungen aller Art zu sehen – die fehlende Academy-Award-Nominierung in dieser durchaus auch weniger anspruchsvolle Filme berücksichtigenden Kategorie ist unverständlich.
Leider lässt Peter Berg sein Publikum darüber im Unklaren, mit welcher Intention er «Lone Survivor» gedreht hat. Immer wieder überschneidet sich der knüppelharte, aufgrund seiner visuellen Brutalität teils nur schwer erträgliche Antikriegsfilm mit einem pathetischen Militär-Werbespot in Spielfilmlänge. Während die im Kugelhagel entstehenden Verletzungen im Close-Up ausgekostet werden und der Regisseur nicht darauf verzichtet, seine Darsteller psychische wie physische Qualen leiden zu lassen, bringen patriotische Schlachtrufe sowie romantisierende Bilder vor abnormal intensiven Sonnenuntergängen diese beinharte Stimmung immer wieder aus dem Rhythmus. Auch die makellose Kameraarbeit von Bergs Stamm-Kameramann Colby Parker Jr. («Battleship») wirkt innerhalb des anarchischen Bleigewitters wie ein Fremdkörper, liefert dieser doch auf Hochglanz polierte Bilder, welche die knallharte Kriegsszenerie nicht zu unterstreichen wissen. Zudem verzichtet der Regisseur, der auch das Drehbuch schrieb, darauf, näher auf den Feind einzugehen. Peter Berg präsentiert dem Publikum einen Bösewicht, den es nicht zu hinterfragen hat. Es wird Zeuge eines klaren Gut-gegen-Böse-Kampfs – ob Gut wirklich gut und Böse wirklich böse ist, erfährt der deutsche Zuschauer nicht. Dass lediglich in buchstäblich aller letzter Sekunde angedeutet wird, dass nicht jeder Afghane automatisch ein Terrorist ist, entpuppt sich aufgrund seiner zeitlichen Platzierung innerhalb des Films als ärgerlich; scheint Berg dieses Statement so doch lediglich um des lieben Friedens willen eingebaut zu haben.