Wolfgang Joop hebt sich als neues Jury-Mitglied deutlich von seinen Vorgängern ab und sorgt indirekt dafür, dass auch Klum den Models näher ist als zuvor. Kurios ist, dass er überhaupt Teil des Formats wurde...
Schon ab Staffel fünf fand sich in Klum die einzige wahre Autorität in der Jury wieder, was den Sehgenuss immer mehr schmälerte und Gefahren für das Format eröffnete, auch wenn dies im Gegensatz zu Claudia Schiffers sehr hintergründiger Performance bei «Fashion Hero» noch die bessere Alternative darstellte. Letztendlich können die Verantwortlichen nämlich nie wissen, ob die Wahl der Teilnehmerinnen auch der Unterhaltung zugutekommt – sollte dies nicht der Fall sein, müssen sich die starken Charaktere in der Jury wiederfinden. Einen solch vermeintlich starken Charakter verpflichtete die RedSeven-Produktion für Staffel neun. Der international renommierte deutsche Modedesigner Wolfgang Joop stieß entgegen der Paradiesvogel-Konvention zur Jury hinzu, womit man den Fokus klar auf mehr Seriosität und fachliche Kompetenz richten wollte, obwohl auch Joops Auftritte teilweise schrill daherkommen. Diese Seriosität postulierte Heidi Klum bereits vor Staffel acht und wurde von RedSeven schon dort nicht enttäuscht, als die Produktionsfirma wusste, wie sie beispielsweise die Charaktere der Kandidatinnen besser zur Entfaltung bringen kann. Nichtsdestotrotz ist «GNTM» natürlich noch weit davon entfernt, als Qualitätsfernsehen zu gelten, befindet sich aber auf einem besseren Weg als zuvor.
Steckt hinter Joops Teilnahme an «GNTM» also vielleicht der Plan, die Show ordentlich aufzumischen und die pädagogische Verantwortung gegenüber den Mädchen hochzuhalten, die er selbst in der Vergangenheit betonte? Wie sehr integriert sich der Designer in die Show und wie viel Präsenz zeigt Joop angesichts seines wohl vollen Terminkalenders? Bei den Castings fiel der prominente Potsdamer zumindest vorwiegend positiv auf: Joop artikulierte gut, was er in den einzelnen Modelaspirantinnen sah und überzeugte meist durch faire, konstruktive Kritik, die Heidi in den bisherigen acht Staffeln des Öfteren vermissen ließ. Ein paar Anmerkungen Joops, beispielsweise das problematische Verhältnis zwischen „Boobs“ und Kopf einer Kandidatin, sorgten jedoch wohl vereinzelt für Fragezeichen auf Seiten der Zuschauer. Man merkte an der ersten Episode des neunten Durchlaufs klar, dass Joop kein Juror sein wird, der sich Jury-Oberin Heidi Klum unterordnen will, so wie es nahezu alle Juroren vor ihm taten. Trotzdem wirken einige seiner Darbietungen selbstdarstellerisch, etwa die Zeichnungen der Kandidatinnen, von denen er sagte, diese seien nur wenigen Models vergönnt, nur um im weiteren Verlauf noch etliche Male draufloszuzeichnen und seine Werke der Kamera zu präsentieren. Darunter litt in Teilen auch seine Aufmerksamkeit auf die Teilnehmerinnen, da er oft nur noch Augen für seine Zeichnungen hatte.
Und siehe da: Zum ersten Foto-Shooting nach den abgeschlossenen Castings begleitete nicht nur Thomas Hayo die Teilnehmerinnen, sondern auch Heidi Klum, die diese Aufgabe in den vergangenen Staffeln lieber an ihre Jurykollegen weitergab. ProSieben zeigte Klum im Folgenden beim Döner-Essen, bei der Begutachtung des Shootings sowie gemeinsamen Autofahrten mit Thomay Hayo. Inwiefern sich Wolfgang Joop in ein etwas intensiveres Coaching der Kandidatinnen verwickeln lässt, werden die weiteren Folgen zeigen. Nach jetzigem Stand ist noch unklar, ob sich Joop auch der näheren Betreuung der Models widmen wird. Dass diesen Part auch „Modelmama“ Heidi Klum einmal wieder einnimmt, sorgt jedenfalls zunächst für etwas Abwechslung, welche ja schon in Staffel acht durch die Konzeptänderungen der neuen Produktionsfirma RedSeven gegenüber Tresor TV nicht zu kurz kamen. Bereits ab letztem Jahr bewegte sich das Format in eine qualitativ bessere Richtung – Wolfgang Joop und die neue Dynamik in der Jury könnten ein weiterer Baustein sein, um neben der großen Zuschauerresonanz auch bald wieder auf wohlwollendere Kritik der Journaille zu hoffen, die in der «GNTM»-Geschichte zu oft ins Negative abglitt.