Sport1.fm: Eine vielversprechende Hinrunde

Im Gespräch mit den Verantwortlichen von Sport1.fm ziehen wir ein Zwischenfazit bezüglich der Performance des Internet-Radios innerhalb der ersten Bundesliga-Hinrunde.

Seit Juli 2013 berichtet Sport1.fm nun über allerlei Geschehnisse aus der Sportwelt. Das Internetradio trat damit das Erbe des Leipziger Hörfunksenders 90elf an, das sich in seiner Berichterstattung nur auf den Fußball beschränkte. Nach dem Erwerb der Audio-Rechte für die deutsche Fußball-Bundesliga galt es für Sport1.fm binnen kurzer Zeit ein attraktives Angebot aus dem Boden zu stampfen. Dabei bestand von Anfang ein großer Vorteil, dass die Nachfrage von Beginn an groß war – anders als einst beim neuen 90Elf.

In Sachen Sport ist der Fußball in Deutschland nämlich nach wie vor noch das Höchste der Gefühle. Millionen von Fans wollen während der Saison auf dem Laufenden bleiben – am liebsten natürlich live. Vor einigen Jahren stellte sich noch die Frage: Was macht man, wenn man kein Sky hat und auch nicht bis zur «Sportschau» warten will? Die öffentlich-rechtlichen Radiosender bleiben schließlich auch nicht die ganzen 90 Minuten am Ball, sondern nur bruchstückhaft und dann auch noch hauptsächlich fokussiert auf die Teams aus dem Verbreitungsgebiet. Diesen Umstand machte sich ab der Bundesliga-Saison 2008/2009 noch der frisch gegründete Leipziger Privat-Hörfunksender 90elf zunutze, der erstmals für ein derartiges Angebot auch deutschlandweit über das Internet empfangen werden konnte. Ein schneller Aufstieg des Senders folgte: Seit der Rückrunde 2009 bot 90elf eine iPhone-App an, 2011 folgte die deutschlandweite Verbreitung im Digitalradio über DAB+ Standard und der Gewinn des deutschen Radiopreises.

Die Erfolgsgeschichte hielt so lange an bis sich auch die DFL auf die lukrativen Audio-Rechte konzentrierte. Im Dezember 2012 kündigte die Deutsche Fußball-Liga an diese erstmals auszuschreiben. So musste sogar die ARD um die Verbreitung der Bundesliga über „Audio Broadcast“ zittern. Beim Paket „Audio Netcast“ für die Verwertungsrechte für Web und Mobile kristallisierten sich schnell die zwei ernstzunehmendsten Aspiranten heraus: Der bisherige Vorreiter 90elf und der neu etablierte, noch weitgehend konzeptlose Radiosender von Sport1, dem ohne die Fußball-Rechte wichtige Inhalte fehlen würden. Das Wettbieten entschied letztlich Sport1 für sich, nachdem 90elf „an die Grenzen des wirtschaftlich machbaren“ gegangen war, wie 90elf-Geschäftsführer Florian Fritsche betonte.

Durch unsere Entscheidung, eine werktäglich live-moderierte Sportshow anzubieten, in der umfassend über das relevante Sportgeschehen weltweit berichtet wird, hält sich der Rückgang der Reichweite im Vergleich zu Liveübertragungen von Sportereignissen in Grenzen.
Thomas Deissenberger
Am 19. Juli 2013 startete schließlich Sport1.fm als Sportradio durch, das sich, anders als 90elf nicht ausschließlich auf Fußball, sondern auch auf andere Sportarten wie Handball oder Basketball konzentrierte, was es noch wesentlich einfacher machte die Sendezeiten zu füllen, die sogar der thematisch umfangreiche Fußball nicht abdecken konnte. Vor allem in den Sommer –und Winterpausen entstanden für 90elf in diesem Zusammenhang noch Probleme: „Die Saisonalität des Sportjahres betrifft Sport1.fm wie andere Sportmedien auch und ist natürlich entsprechend eingeplant. Durch unsere Entscheidung, eine werktäglich live-moderierte Sportshow anzubieten, in der umfassend über das relevante Sportgeschehen weltweit berichtet wird, hält sich der Rückgang der Reichweite im Vergleich zu Liveübertragungen von Sportereignissen allerdings in Grenzen. Der internationale Sportkalender kennt keine Pause – das kommt uns zugute“, erklärt Thomas Deissenberger, Vorsitzender der Geschäftsführung der Constantin Sport Marketing GmbH, gegenüber Quotenmeter.de. Trotzdem sendet Sport1.fm vor allem abends noch häufig Spielwiederholungen über Partien, die zu diesem Zeitpunkt in den meisten Fällen schon im Fernsehen zu begutachten waren und daher wenig attraktiv wirken.

In Sachen Fußball konnte Sport1.fm dennoch vom Vorgänger 90elf profitieren: Mit Konstantin Winkler, Markus Herwig, Ralf Bosse oder Andreas Mann gingen beispielsweise Kommentatoren von 90elf zu Sport1.fm über und brachten auch in Sachen Abläufen einiges an Erfahrungen mit, was in der hektischen Anfangszeit für Sport1.fm in vielen Bereichen nützlich sein sollte. „Zunächst galt es, innerhalb von nur vier Monaten mit unseren Dienstleistern die redaktionellen und technischen Strukturen und Prozesse aufzusetzen. Ein Sportradio, das sieben Tage die Woche 24 Stunden on-air ist – so etwas hatte es in Deutschland schließlich noch nicht gegeben“, betont Olaf Schröder, Geschäftsführer der Sport1 GmbH im Dialog mit Quotenmeter.de.

Inwiefern unterscheiden sich also Sport1.fm und 90elf? Vergleichbar ist dabei nur der Fußballbereich. Vor allem der Live-Kommentar einzelner Spiele kommt sehr ähnlich daher und weicht nur wenig vom 90elf-Angebot ab. Ein Herzstück von 90elf bildete von Dienstag bis Donnerstag die interaktive Talkshow «Bolzplatz» mit Markus Herwig und Alexander Ibenhain, während der auch einzeln Spiele der UEFA Champions League, der UEFA Europa League oder des DFB-Pokals in voller Länge übertragen wurden. «Bolzplatz» schenkte seinen Hörern beispielswiese Sternstunden wie die letzten vier Minuten der Zitterpartie zwischen Borussia Dortmund und Malaga, deren Kommentar zum Happy End auf deutscher Seite in den Tagen darauf von zahlreichen Medien aufgegriffen wurde. Das etwas sachlichere Pendant, der «Mobilat Fantalk», welcher auch im Fernsehen ausgestrahlt wird, schaffte es allerdings auch binnen kurzer Zeit eine größere Anhängerschaft um sich zu versammeln, während der ebenfalls durch das Fernsehen etablierte «Volkswagen Doppelpass» (Foto) mit namhaften Experten den Spieltag analytisch aufarbeitet.

Auch Übertragungen von Handball und Basketball bieten einen Mehrwert und sind für Live-Übertragungen vor allem durch ihr schnelles Wesen attraktiv. Durch die Übertragungen aller Spiele der Fußball-Bundesliga, der 2. Fußball-Bundesliga, des DFB-Pokals sowie der Handball und Basketball-Bundesliga erwartet die Hörer eine umfassende Berichterstattung über das deutsche Sportgeschehen, die 90elfs Grundidee nochmal deutlich erweitert. Unter der Woche berichtet zudem «Sport1.fm aktuell» von 11 bis 23 Uhr als Mix aus News-Show und Expertenrunde über allerlei aktuelle Sportnews. Des Weiteren findet sich im «Sportradio 360» eine wechselnde Talkrunde wieder, die ihre Fokus je nach Anlass auf verschiedene Sportarten legt.

Sport1.fm erhält bislang von allen Seiten ein sehr positives Feedback – auch von Fußballfans, die vorher 90elf gehört haben. Es kam auch gut an, dass zahlreiche Moderatoren und Reporter von 90elf zu uns gewechselt sind.
Olaf Schröder
Trotzdem: Viele ehemalige 90elf-Hörer stehen Sport1.fm immer noch skeptisch gegenüber. Der Vorwurf des Ideen-Raubs kommt dabei immer wieder auf. Am 6. Januar fragte Quotenmeter „90elf vs. Sport1.fm – Wer ist der Sieger?“ 52,87 Prozent schlugen sich seitdem auf die Seite von 90elf, nur 15,52 Prozent hielten für Sport1.fm, während 31,61 Prozent bei keinem der beiden deutliche Vorteile sahen. Anders nahm Olaf Schröder die Hörerresonanz auf: „Sport1.fm erhält bislang von allen Seiten ein sehr positives Feedback – auch von Fußballfans, die vorher 90elf gehört haben. Wie viele frühere 90elf-Hörer nun Sport1.fm nutzen, können wir zwar nicht genau beziffern, registrieren diese
Reaktionen aber in Form von Anrufen und E-Mails sowie auf Facebook und Twitter. Es kam auch gut an, dass zahlreiche Moderatoren und Reporter von 90elf zu uns gewechselt sind. Einen Mehrwert bieten wir allen sportinteressierten Hörern vor allem durch den Ausbau der Live-Berichterstattung im Bereich Fußball – zusätzlich mit den WM-Qualifikationsspielen des DFB-Teams und Partien aus der Regionalliga – und die Erweiterung auf andere Sportarten wie Handball und Basketball.“

Was Werbezeiten angeht, muss Sport1.fm allerdings noch aufholen. Von verschiedenen Seiten wurden immer wieder Gerüchte laut, die besagen Sport1.fm habe Schwierigkeiten Werbezeiten zu verkaufen. Thomas Deissenberger räumt gegenüber Quotenmeter.de ein: „Natürlich ist es mit Blick auf den Werbezeitenverkauf generell eine Herausforderung, einen neuen Radiosender mit so kurzem Vorlauf zu starten, angesichts der Bekanntgabe des Rechteerwerbs im März und des Starts im Juli. Das liegt daran, dass die Budgets der werbetreibenden Unternehmen meist jährlich geplant werden und deshalb zu einem großen Teil schon vergeben waren. Hinzu kommt, dass Mediaagenturen und Kunden einen neuen Radiosender in der Regel erst über einen längeren Zeitraum hören wollen, bevor sie dort einbuchen.“

Dennoch zieht der für den Inhalt verantwortliche Schröder nach dem ersten Halbjahr ein positives Zwischenfazit: „Wir sind mit dem Start von Sport1.fm sehr zufrieden – besonders mit der Verbreitung unseres neuen digitalen 24/7-Sportradios und der positiven Resonanz auf Hörerseite, die wir insbesondere über unsere Social-Media-Kanäle erhalten haben. Das Konzept der Sport1.fm- Redaktion um unseren Ressortleiter Audio Netcast, Alexander Ibenhain, kam bei unserer Zielgruppe vom Start weg sehr gut an.“ Nach Zahlen der IDAS und der IVW wurde bis Ende Dezember 2013 die Sport1.fm-App für Android und iOS schon rund 880.000 Mal heruntergeladen. Kumuliert beliefen sich die Abrufe des Sport1.fm-Streams auf über 12 Millionen Abrufe zwischen dem 19. Juli und dem 31. Dezember 2013, so Schröder. Zum Vergleich: Innerhalb von 12 Spieltagen verzeichnete 90elf rund 1,2 Millionen männliche Hörer zwischen 14 und 59 Jahren, durchschnittlich 390.000 männliche Nutzer.

Sport1.fm ist bislang eine sinnige Erweiterung zum Programm des Vorgängers 90elf, bei dem auch Handball- und Basketballfans nicht zu kurz kommen. Die Ablehnung des neuen Radioangebotes von Sport1 seitens vieler ehemaliger 90elf-Hörer liegt dabei wohl Unmut über die zwangsläufige Verdrängung des ehemaligen Fußballradios begründet und nicht in qualitativen Diskrepanzen von Sport1.fm. Insbesondere während der Fußball-Übertragungen zeigen sich große Ähnlichkeiten zu 90elf mit einer Berichterstattung, die kaum zu wünschen übrig lässt. Durch die Radio-Übertragung von Inhalten, die zusätzlich im Fernsehen angeboten werden, besteht bei Sport1.fm allerdings die Gefahr von aufkommender Redundanz. Nach der gut überstandenen Anfangszeit würden sich Überlegungen bezüglich exklusiver Radioformate eventuell lohnen, um die wenig attraktiven Spielwiederholungen zu ersetzen. Für Fans, die es nicht bis zur zu den Zusammenfassungen im Free-TV aushalten, ist das Internetradio die erste Anlaufstelle.

05.02.2014 10:10 Uhr  •  Timo Nöthling Kurz-URL: qmde.de/68836