Die Kritiker: «Major Crimes»

Das «The Closer» Spin-Off «Major Crimes» ist ein gelungener Neuaufguss seines Originals, bei dem Neueinsteiger allerdings Schwierigkeiten haben werden.

Inhalt:

Hinter den Kulissen

  • Serienschöpfer: James Duff
  • Serienpremiere (USA): 13. August 2012
  • Staffeln: 3
  • Produktionsstudio: Warner Bros. Television
  • Episodenlänge: 45 Minuten
  • Auszeichnungen: ASCAP Award als "Top Television Series" 2013
Ein Kaufhaus wird von fünf bewaffneten und maskierten Personen überfallen. Die Ermittlerin der Polizei, Detective Amy Sykes, war inkognito mit einem Team hinter ihnen her. Bei ihrem Einsatz können jedoch zwei der Täter flüchten, zwei werden erschossen und der fünfte gibt schließlich auf. Doch als die Ermittler von Major Crimes am Tatort eintreffen und Lieutenant Flynn dem Mann einen Deal anbietet, wird plötzlich das Feuer eröffnet und der Täter kommt im Kugelhagel ums Leben. Wie sich herausstellt, ist die Polizei von Los Angeles der Verbrecherbande schon seit Längerem auf der Spur. Offenbar verfügt sie über automatische Waffen, die von einer Militärbasis gestohlen wurden und die Täter fanden sich bei jedem ihrer Einsätze extrem gut in ihrer Umgebung zurecht. Haben es die Ermittler hier etwa mit ehemaligen Soldaten zu tun? Und wer ist für den Tod des fünften Mannes verantwortlich?
Captain Raydor, die nach dem Weggang von Deputy Chief Brenda Leigh Johnson und der Beförderung von Chief Pope die Führung der Major Crimes-Abteilung übernommen hat, muss mit gewissen Anfangsschwierigkeiten kämpfen: Zum einen hat Lieutenant Provenza sowohl mit ihr als auch mit Assistent Chief Taylor ein schweres Autoritätsproblem. Zum anderen muss Raydor sich auch noch mit dem pubertierenden Jungen Rusty auseinandersetzen, der als Hauptbelastungszeuge gegen den Serienmörder Phillip Stroh in der Obhut von Major Crimes steht.

Bei "Major Crimes" handelt es sich um ein Spin-Off der Erfolgsserie "The Closer", die nach der siebten Staffel ihr Ende gefunden hat. Doch "Major Crimes" bedeutet auch ein Wiedersehen mit den beliebten "The Closer"-Ermittlern Lieutenant Flynn, Provenza und Tao sowie Detective Sanchez. Damit nicht genug, ist auch die bisher etwas unliebsame, weil überkorrekte Captain Raydor dabei, die nach dem Weggang von Chief Pope und Brenda Leigh Johnson die Führung der Major Crimes übernimmt. Von nun an sollen in der Abteilung andere Seiten aufgezogen werden, denn chaotische Zustände, wie sie zu Zeiten von Brenda geherrscht haben, soll es von nun an nicht mehr geben. Ein hartes Stück Arbeit und spannende Fälle liegen vor den Ermittlern.

Darsteller:
Mary McDonnell («Donnie Darko» als Captain Sharon Raydor
G.W. Bailey («Police Academy») als Lt. Louie Provenza
Tony Denison («Little Vegas») als Lt. Andy Flynn
Michael Paul Chan («Falling Down») als Lt. Mike Tao
Raymond Cruz («Training Day») als Detective Julio Sanchez
Kearran Giovanni («Beauty and the Beast») als Detective Amy Sykes
Graham Patrick Martin («The Girl Next Door») als Rusty Beck

Kritik:
Bei TNT waren nach dem Ende von «The Closer» die Prioritäten klar gesetzt. Dem Spin-Off «Major Crimes», das nun bei VOX durchstartet, merkt man an, dass TNT in Sachen Crime-Formaten noch etwas unsicher ist und zu gerne auf Bewährtes setzt als auf riskante Neustarts. Etliche Krimi-Serien schafften es beim Kabelsender nicht zum Hit zu werden, lediglich «Rizzoli & Isles» und eben «The Closer» banden regelmäßig viele Zuschauer an sich. Nach den Abschieden von Hauptdarstellerin Kyra Sedgwick als Deputy Chief Brenda Leigh Johnson sowie J.K. Simmons als Assistant Chief Will Pope und Corey Reynolds als Sergeant David Gabriel war «The Closer» Geschichte. Das erfolgreiche Franchise wollte TNT aber nicht aufgeben und es hieß: „Never change a winning team.“

Bis auf die drei Abgänge blieb der bisherige Cast erhalten. Dadurch kommt die erste Episode von «Major Crimes» weniger als Serien- und viel mehr als Staffelpremiere daher. Das Ziel ist eindeutig: TNT wollte möglichst viele «The Closer»-Fans halten – eine Taktik, die VOX beibehalten muss, nachdem «The Closer» im deutschen Free-TV ebenfalls schon auf über 100 Folgen kommt. Diese Prämisse macht es Neueinsteigern allerdings schwer sich in der neuen Abteilung des Los Angeles Police Departments zurechtzufinden. Die Debütfolge des Spin-Offs enthält zahlreiche Referenzen zum Original, wie zum Beispiel die Hinweise auf Brenda Leigh Johnsons exzessiven Konsum von zuckerhaltigen Leckereien.

Des Weiteren bleibt den Figuren kaum Zeit den Zuschauern ihre Persönlichkeit zu präsentieren, da 45 Minuten einfach zu wenig Zeit sind, um sich auf ein ganzes Team von Ermittlern zu konzentrieren, sodass manchen Charakteren nur einzelne, wenig aussagekräftige Auftritte vergönnt sind – schließlich gilt es zusätzlich einen Fall zu lösen. Ausnahmen hierbei sind die ambitionierte Amy Sykes und der heißblütige Lt. Louie Provenza. Für die Zuschauer von «The Closer» ist fehlende Screen-Time vieler Charaktere kein Problem, sie kennen die Protagonisten schließlich schon. Neueinsteiger fühlen sich hierbei allerdings alleingelassen, dabei hatten die Produzenten doch noch vor dem Start der Serie betont, sich anders als bei «The Closer» nicht nur auf die Hauptdarstellerin zu konzentrieren, sondern aufs ganze Ensemble.

Die Stärken des neuen Hauptcharakters der Captain Sharon Raydor liegen mehr in der Rolle begründet als im Spiel von Darstellerin Mary McDonnell. Zwar wird McDonnell schon seit ihrer Einführung bei «The Closer» von Folge zu Folge stärker, allerdings wirkt ihre Mimik noch viel zu hölzern. Die politische Intelligenz und das realistische Handeln ihrer Figur machen diese leichten Defizite allerdings wieder wett. Die hintergründigen Taktiken gegenüber ihren Kollegen, die angesichts ihrer neuen Vorgesetzten noch skeptisch sind sowie die Ambivalenzen eines zu sagen, dann aber das andere zu tun, erhöhen den Sehgenuss deutlich.

Lediglich der Versuch gleich in der ersten Episode auch mehr auf Raydors menschliche Seite einzugehen, klappt nicht richtig. Raydor muss in der ersten Folge Verantwortung für den als Zeugen vorgeladenen, minderjährigen und ehemals obdachlosen Rusty übernehmen. Angesichts der Spannungen in der Abteilung und ihrem ersten Fall als Abteilungsleiterin, fehlt ihr anfangs dafür jedoch deutlich die Empathie. Dieser Umstand erschwert dem Zuschauer mit der kühl wirkenden Raydor warm zu werden.

Es hätte Sinn gemacht die Laufzeit der ersten Folge von «Major Crimes» zu verdoppeln. Charaktere bleiben wegen zu wenigen Auftritten blass und vor allem der Fall leidet unter den Nebenkriegsschauplätzen von Captain Raydor. Der versuchte Kaufhausraub bietet eigentlich eine interessante Ausgangslage, durch die kurze Zeit die den Ermittlungen eingeräumt wird, wirkt die Wendung um Minute 25 allerdings zu konstruiert, da auf Tathergang und Hintergründe schlicht zu wenig Bezug genommen wird. Erfrischend realistisch erscheinen jedoch die ausgehandelten Deals, die angesichts des amerikanischen Rechtssystems wesentlich authentischer wirken als die actiongeladenen Showdowns vergleichbarer Crime-Formate.

Fans von «The Closer» dürfen aufatmen. Von der hohen Qualität der Originalserie geht bei «Major Crimes» nur wenig verloren. Hinzu kommt ein Wiedersehen mit den meisten Charakteren, sodass das Spin-Off kaum wie eine eigene neue Serie wirkt. Dennoch bietet «Major Crimes» einige Änderungen, die sich vor allem im Charakter von Captain Sharon Ryder niederschlagen und gelungen umgesetzt wurden. Neueinsteiger müssen eventuell mehr als eine Folge dranbleiben, um die Figuren kennenzulernen und beim Format durchzublicken. Es lohnt sich, denn die Spannungen zwischen den eingespielten Figuren angesichts der neuen Chefin sorgen für reichlich Unterhaltung.

Ab dem 22. Januar zeigt VOX die Fälle von «Major Crimes» immer mittwochs um 21:15 Uhr.
21.01.2014 12:00 Uhr  •  Timo Nöthling & Fabian Riedner Kurz-URL: qmde.de/68576