Einst war er eine tragische Schauergestalt, nun ist aus Frankensteins Monster ein cooler 3D-Actionheld geworden. Wie sich dies auf einen Film mit ihm als Hauptfigur auswirkt, erklärt Antje Wessels in ihrer Kritik.
Stuart Beatties («Tomorrow, When the War Began») zweiter Ausflug auf den Regiestuhl ist ein mitreißender Fantasy-Actioner im Stil von «Underworld» und Co. geworden. Die spannende Hintergrundgeschichte um Victor Frankenstein findet dabei allerdings keinerlei Beachtung. Dennoch ist «I, Frankenstein» kein qualitativer Flop geworden. Die Produktion ist sich ihrer Stärken, die vor allem auf technischer Ebene zu finden sind, überaus bewusst und zelebriert hochwertige Effekte, tolles Make-Up und ansprechend choreographierte Kampf-Szenen im Minutentakt. Sogar der Instrumentalscore von Reinhold Heil und Johnny Klime («Cloud Atlas») ist für einen auf dem Papier durchschnittlichen Action-Blockbuster erstaunlich einprägsam und verleiht «I, Frankenstein» bisweilen eine schaurige Eleganz.
Auf Seiten der Besetzung beweist Beattie ebenfalls Fingerspitzengefühl. Aaron „Two-Face“ Eckhart gibt eine eindringliche Variante von Frankensteins Monster ab und brilliert vor allem im Zusammenspiel mit Bill Nighy («The Worlds End»), der sichtlich Freude daran hat, einmal aus seinem gewohnt bodenständigen Rollen-Beuteschema auszubrechen. Miranda Otto («Blessed») verleiht ihrer wichtigen Anführer-Rolle eine enorme Würde und «Dexter»-Star Yvonne Strahovski überzeugt als Wissenschaftlerin, die ihre Figur mit der genau richtigen Mischung aus Naivität und Intelligenz verkörpert.
Ganz außer Acht lassen kann man die alles in allem recht maue Story jedoch nicht. Auch wenn «I, Frankenstein» nie den Fehler begeht, sich ernster und wichtiger zu nehmen, als er ist und somit nicht in die Fremdscham-Falle tappt, ist der stiefmütterliche Umgang mit den Hintergründen und Figurenzeichnungen sämtlicher Beteiligter ärgerlich. Stuart Beattie, der nicht nur die Regie übernahm sondern auch das auf einer Graphic Novel basierende Drehbuch schrieb, lässt das enorme Potenzial der Ursprungshandlung von Mary Shelley fast vollständig beiseite und geht lediglich in kurzen Rückblenden auf Victor Frankenstein und dessen Gesinnung ein. Die Flashback-Szenen zeigen rasch, wie viel eindringlicher «I, Frankenstein» auf Seiten der Handlung hätte werden können, würde sich Beattie mehr um seine Charaktere und deren Background scheren. So sind die jeweils nur wenige Sekunden einfordernden Rückblenden einprägsamer als die gesamte Story von Anfang bis Ende.
«I, Frankenstein» ist modernes Fantasykino vor beachtlich authentischer Kulisse, die durch eine hervorragende Kameraarbeit seitens Ross Emery («Wolverine: Weg des Kriegers») perfekt zur Geltung kommt. Die Darsteller haben sichtlich Spaß an ihrem Spiel und Aaron Eckhart gefällt einmal mehr in der Rolle des grimmig-dreinschauenden Bösewichts. Die doppelbödige Ausgangslage des Gruselklassikers muss dabei stark arrangierter Action weichen, was den Film für die jeweilige Zielgruppe zwar ansprechend macht, Liebhaber der Originalvorlage jedoch unweigerlich vor den Kopf stoßen wird.