Josefine Preuß: 'Traurig, was in Deutschland mit Serien passiert'

Sonntagsfragen: Im Interview mit Quotenmeter.de spricht Josefine Preuß über den ZDF-Zweiteiler «Die Pilgerin» und die Missstände in der deutschen Serienlandschaft.

Zur Person

Josefine Preuß, die am 13. Januar 1986 in Zehdenick geboren wurde, ist eine deutsche Schauspielerin, welche vor allem durch ihre Rolle als "Lena" in der ARD-Serie «Türkisch für Anfänger» zu Bekanntheit gelangte. Ihre Karriere startete sie vor allem mit ihrem Engagement in der Kinderserie «Schloss Einstein». Mittlerweile ist sie neben ihren großen Rollen in TV-Filmen auch in einigen Kinoproduktionen wie «Rubinrot» zu sehen.
Frau Preuß, 2014 wird ein aufregendes Jahr für Sie. Sie spielen die Hauptrollen in gleich zwei großen TV-Events (ZDF: «Die Pilgerin» & Sat.1: «Die Hebamme»). Beide Produktionen sind nicht zuletzt historische Stoffe. Was fasziniert Sie daran in die Vergangenheit einzutauchen?
Dass man in einer Zeit spielen darf, in der man selbst nicht existiert hat. Das sind aber natürlich auch zwei Filme, die sicherlich ein anderes Genre haben. «Die Pilgerin» sehe ich eher als Abenteuerfilm, als eine Art Roadmovie und Coming-Of-Age-Geschichte. Da weiß man, dass dieser Charakter eine Entwicklung durchgeht, natürlich auch mit diesem religiösen Hintergedanken. Aber «Die Hebamme» ist natürlich als Thriller angelegt und auch düster erzählt, was sehr ungewöhnlich für Sat.1 werden wird, glaube ich. Mich reizt immer eine Figur, wenn sie so weit weg wie möglich von der privaten Josefine ist.

Die von ihnen verkörperte, namensgebende Pilgerin Tilla hat nicht zuletzt eine religiöse Motivation und ist eine äußerst starke Persönlichkeit. Inwiefern können Sie diesen Charakter denn auf sich selbst beziehen, wenn Sie sagen, dass Figuren Sie reizen, die mit ihnen wenig gemeinsam haben?
Religiös bin ich gar nicht. Da bin ich anders erzogen worden. Ich bin kein Freund, aber auch kein Feind der Religion. Jeder darf an das glauben, was ihm hilft, ich finde Kirche, oder Religion generell, brauch kein Gebäude und keine Kirchensteuer. Ich habe natürlich total was gegen fanatische Idioten, die Religion für sich ausnutzen. Ich verstehe Tillas Beweggründe aber umso mehr, denn in der damaligen Zeit hatte die Kirche noch einen ganz anderen Stellenwert. Damals war es wirklich noch so, dass es hieß: ‚Wenn du dich nicht gut verhältst, dann kommst du ins Fegefeuer oder in die Hölle‘. Es hatte viel mehr Gewicht, weil damals der Glaube denke ich noch sehr viel essenzieller für die Leute war.

Für «Die Pilgerin» zeichnete das Kreativ-Team des TV-Films «Unsere Mütter, unsere Väter» verantwortlich, der in diesem Jahr auf großen Anklang stieß. Wie war die Zusammenarbeit mit dem Team?
Ganz toll, ein sehr professionelles Team. Es ist natürlich immer hilfreich, wenn sich das Team schon kennt und so ein großes Projekt wie «Unsere Mütter, unsere Väter» schon zusammen gestemmt hat. Man weiß, was man vom anderen erwarten kann, man kennt sich und man kommt in eine sehr gut organisierte, sehr professionelle Produktion. Das ist die halbe Miete, um so ein Projekt zu bewältigen. Und bei vier Monaten Rumreiten in Tschechien brauch man eine sehr gute Organisation - die war bei diesem Projekt absolut gegeben.

Das hört sich sehr anstrengend an.
Ja, na klar. Das war der körperlich anstrengendste Dreh, den ich je hatte, aber an meine Grenzen bin ich noch lange nicht gekommen. Und wenn, dann nutzt man alles: Sei es, dass man friert oder dass man schwitzt oder dass man einfach das Holzkreuz nicht mehr tragen kann, weil es so schwer ist – das ist zum Spielen ja auch super. Ich sage immer: ‚Lieber echt fühlen als schlecht spielen.‘

Wie hart war das Training denn, das Sie für die Rolle absolvieren mussten?
Ach, das war gar nicht hart – das war ein Abenteuerspielplatz. Gerade beim Stunt- und Reittraining durfte man kurz mal reinschnuppern und sich körperlich gut auf die Rolle vorbereiten. Ich durfte Bogenschießen lernen, wobei ich wirklich Blut geleckt habe - das mache ich auch privat weiter. So ein Glück haben wir in der Vorbereitungszeit. Gerade diese Kampfszenen würden nicht so toll aussehen, hätten die Jungs da nicht monatelang dran trainiert.

Wie lange dauert denn so ein Vorbereitungstraining?
Das ist ganz unterschiedlich. Ich hab angefangen mich Monate vorher schon vorzubereiten. Bei den Jungs weiß ich es nicht genau, aber Sie hatten definitiv, gerade was das Stunttraining angeht, eine längere Vorbereitung.

Für ihre Filmrolle ließen Sie sich die Haare kurz schneiden. Dieser Tage magern sich Schauspieler für Rollen regelrecht ab oder essen sich einen dicken Bauch an. Wie weit würden Sie mit sich selbst gehen, um eine Rolle zu verkörpern?
Alles was das Aussehen angeht, zum Beispiel Frisur oder Haarfarbe, mache ich gerne. Bitte macht mich so unterschiedlich wie möglich für eine Rolle, weil ich will nicht immer aussehen wie Lena aus «Türkisch für Anfänger» und ich will als «Die Hebamme» nicht aussehen wie Tilla, «Die Pilgerin». Aber alles, was die Gesundheit betrifft – gerade diese drastischen Körperzu- oder abnahmen - auf keinen Fall. Das ist mir keine Rolle wert, da gibt es genug andere Tricks: mit Fat-Suit, Dünner-Schminken oder wie man das Licht setzt. Alles, solange es nicht die Gesundheit belastet.

Bereits zum zweiten Mal spielen Sie in einem Mehrteiler zum ZDF-Jahresauftakt mit. Sowohl bei «Das Adlon» als auch bei «Die Pilgerin» wirkten einige namhafte Schauspieler mit. Von wem konnten Sie am meisten lernen?
(lacht) Ja, ist jetzt weiterhin Bedingung. Nur noch Jahresauftakt, nur noch ZDF, nur noch Mehrteiler, nur noch Frauenrollen. Lernen konnte ich aber von Allen. Bei solchen Ensembles, von denen insbesondere ein Mehrteiler lebt, waren alle großartig. Ich könnte wirklich alle aufzählen. Ich habe mich so gefreut mit Dietmar Bär spielen zu können. Dann fand ich es so toll und so lustig, dass Uwe Preuß meinen Papa spielt. Ein ganz toller Darsteller, der zum Glück für wenige Drehtage zugesagt hat, da er ja ganz am Anfang stirbt. Und auch die ganze Pilgergruppe: Dass man diese Typen alle gefunden hat – die passen ja alle wie ‚Arsch auf Eimer‘.

Sie beschränkten sich in jüngerer Vergangenheit vor allem auf Spielfilmengagements. Können Sie sich nach dem Erfolg von «Türkisch für Anfänger» in Zukunft wieder eine Hauptrolle in einer Serie vorstellen?
Ich finde es sehr traurig, was in Deutschland mit Serien passiert. Denen wird ja kaum eine Chance gegeben mal eine Fanbase aufzubauen. Nach der dritten Folge wird entschieden, ob man die restlichen Folgen ausstrahlt oder ob man es bei der einen Staffel belässt, wenn die Marktanteile nicht reichen. Mir geht dieses ganze Rumgequatsche so auf den Sack. Dafür machen wir ja keine Filme oder Serien.
Josefine Preuß
Wenn es gute Angebote gibt, ja. Ich finde es sehr traurig, was in Deutschland mit Serien passiert. Denen wird ja kaum eine Chance gegeben mal eine Fanbase aufzubauen. Nach der dritten Folge wird entschieden, ob man die restlichen Folgen ausstrahlt oder ob man es bei der einen Staffel belässt, wenn die Marktanteile nicht reichen. Mir geht dieses ganze Rumgequatsche so auf den Sack. Dafür machen wir ja keine Filme oder Serien. Klar kriegen wir nicht solche Produktionen gestemmt, wie es zum Beispiel in Amerika bei HBO der Fall ist, aber das ist qualitativ tolles Fernsehen und eigentlich haben wir auch die richtigen Macher und Schreiber dafür. Aber im Moment funktionieren Serien in Deutschland nicht so richtig. Wenn, dann funktioniert es nur, wenn es lustig ist, wie «Der letzte Bulle», «Danni Lowinski» oder eben «Türkisch für Anfänger». Aber so ein Angebot muss auch erstmal kommen. Heute weiß man, wenn man ein Serienangebot bekommt: Wahrscheinlich ist es nur ein Job für ein halbes Jahr und danach wird’s abgesetzt. Es wird keine Chance mehr gegeben, dass die Leute etwas kennenlernen und sich darauf einlassen. Das ist sehr sehr schade!

Oder es wird eine Krimiserie für das ZDF.
Ja, oder so. Nein, ich bin ja sehr froh gerade bei meinem Haus- und Hof-Sender ZDF. «Lotta» ist ja auch eine Reihe geworden und das war damals überhaupt nicht der Plan. Wir haben nach einer Romanvorlage einen Film gemacht und nächstes Jahr drehen wir schon den vierten und fünften Teil. Und das ist ganz toll, einfach mal was laufen zu lassen. Manchmal muss es sich rumsprechen, auch bei «Türkisch für Anfänger». Ich erinnere mich: Unsere Quoten waren beschissen. Der Sender hat nach jeder Staffel gesagt er macht nicht weiter. Dann war es aber die enorme Fanbase, die Unterschriftaktionen im Internet gemacht hat, um die Serie zu erhalten. Sonst hätten wir auch nur eine Staffel gedreht und dann wäre es auch niemals zu diesem Kinofilm gekommen. Manchmal muss man was wagen und manchmal sollte man sich nicht nur auf die Quoten konzentrieren, das ist ganz schön schade. Das könnt ihr in der Führungsetage besprechen, aber das hat uns Filmemacher vor, unter und neben der Kamera eigentlich nicht zu interessieren. Wir machen Produktionen, damit sie gesehen werden. Aber eigentlich ist egal, ob 20 oder 200 Menschen zuschauen.

Ihr Kollege Elyas M'Barek feierte 2013 mit «Fack Ju Göhte» einen Riesenerfolg. Welche Kinoproduktionen mit ihnen dürfen Filmfans auf keinen Fall verpassen?
Ich hab auch dieses Jahr für Constantin eine Kinokomödie gedreht mit Farid Yardim und Milan Peschel - «Irre sind männlich». Der kommt nächstes Jahr und außerdem bin ich sehr auf die Fortsetzung von «Rubinrot» gespannt, die «Saphirblau» heißt und auch abgedreht ist. Und dann mal gucken. Immer wieder im Raum steht ja «Türkisch für Anfänger 2». Man hört immer mal wieder was piepsen, aber bis jetzt gibt’s noch kein Buch. Ich halte dich auf dem Laufenden.

Sie spielten 2013 in «Das Adlon» mit und mit «Unsere Mütter, unsere Väter» inszenierte ihr Regisseur Philipp Kadelbach eine weitere hochqualitative Produktion. Was war ihr Lieblingsprogramm 2013?
«Das Adlon» und «Unsere Mütter, unsere Väter»

Was sind ihre Vorsätze für 2014? Gibt es da neue Richtungen, die Sie einschlagen wollen?

Nein, ich durfte mich jetzt so austoben. Ich durfte bei «Adlon» eine 50-Jährige spielen, jetzt in der «Pilgerin» darf ich mich als Junge verkleiden. Bitte zeigt alle Mut und erzählt schöne Geschichten. Und wenn das so weitergeht, dann brauch ich keine Vorsätze, weil dann ist alles super und ich versuche einfach weiterhin Menschen zum Lachen oder Weinen zu bringen, denn das ist mein Job.

Vielen Dank für das Gespräch.
05.01.2014 10:30 Uhr  •  Timo Nöthling & Fabian Riedner Kurz-URL: qmde.de/68248