Die Kino-Kritiker: «Der Hobbit – Smaugs Einöde»

Trotz nahezu gleicher Laufzeit flotter und dynamischer erzählt: «Der Hobbit – Smaugs Einöde» übertrifft seinen Vorgänger und lässt den Zauber Mittelerdes mit nur geringen Einschränkungen zurückkehren.

Hinter den Kulissen

  • Regie: Peter Jackson
  • Produktion: Peter Jackson, Carolynne Cunningham, Zane Weiner und Fran Walsh
  • Kamera: Andrew Lesnie
  • Schnitt: Jabez Olssen
  • Musik: Howard Shore
  • Drehbuch: Fran Walsh, Philippa Boyens, Peter Jackson und Guillermo del Toro
Peter Jacksons «Herr der Ringe»-Trilogie gehört zu den unbestrittenen Meilensteinen der Filmgeschichte – und zumindest finanziell war auch der Beginn der kommendes Jahr endenden «Hobbit»-Reihe ein immenser Erfolg. Mehr als eine Milliarde Dollar nahm «Der Hobbit – Eine unerwartete Reise» weltweit ein, und dies allein unter Berücksichtigung der Kinoauswertung. Aus künstlerischer Sicht wiederum säte der Beginn einer neuen Mittelerde-Filmreihe dagegen wesentlich mehr Zwietracht, als es die «Herr der Ringe»-Verfilmungen je vermochten. Viele Zwerge- und Hobbit-Freunde jubilierten, weil die von ihnen geliebten Schöpfungen unter der Obhut Peter Jacksons einen opulenten Leinwandausflug spendiert bekamen. Gleichwohl bemängelten zahlreiche Kritiker die ausgedehnte Erzählweise des Films. Der generelle Konsens lautete mehr oder minder: Gut gemacht, doch der Inhalt rechtfertigt keineswegs die bombastische Umsetzung – für solch einen Umfang ist die Handlung letztlich zu überschaubar.

Mit dem Mittelteil der «Hobbit»-Trilogie stellt sich nun dagegen Besserung ein. Sind Trilogie-Mittelparts im Normalfall am ehesten vom Problem befallen, dass sie ohne Beginn und ohne Ende einfach nur von Zwischenpassage zu Zwischenpassage stolpern, haucht Peter Jackson seiner Hobbit-Quest nach dem überdehnten Beginn neues Leben ein. Dies auch dank zahlreicher neu erfundener Begegnungen, mit denen Jackson und seine Co-Autoren die vom Umfang her relativ dünne Vorlage gekonnt ausschmücken, statt erneut jedes Detail der Buchvorlage in massiver Breite zu schildern.

Da «Der Hobbit – Eine unerwartete Reise» bereits die Figureneinführung übernahm und auch allerlei andere Exposition bot, kann sich der zweite Teil zudem ziemlich rasch ins Geschehen stürzen. Eine kurze Rückblende konnte sich Peter Jackson zum Einstieg in den Film zwar nicht verkneifen, danach aber widmet er sich sogleich Bilbo Beutlin (Martin Freeman), Gandalf (Ian McKellen) und der Zwergenbande, die sich seit Mitte des ersten Films ungebrochen auf der Flucht vor den Orks befinden. Mit Hilfe eines grantigen Formwandlers ist es der Truppe allerdings möglich, etwas an Land zu gewinnen. Die Probleme, die sich den Abenteurern auf dem Weg zum Einsamen Berg stellen, nehmen derweil keinen Abbruch: In einem finsteren Wald müssen sie sich einer Schar gigantischer Spinnen stellen, darüber hinaus entdeckt Bilbo immer mehr die Vorteile, die ihm der Meister-Ring bringt – gleichwohl machen sich auch dessen Schattenseiten immer stärker bemerkbar.

Kurz darauf werden die Zwerge von den Waldelben gefangen genommen, was Peter Jackson als Gelegenheit wahrnimmt, für ein (sich von der Buchvorlage entfernendes) Wiedersehen mit dem agilen Bogenschützen Legolas (Orlando Bloom) zu sorgen. Darüber hinaus fügen Jackson, Fran Walsh, Philippa Boyens und Guillermo del Toro der Tolkien-Welt eine neue, galant-bestimmte Kämpferin in Form der Elbin Tauriel (Evangeline Lilly) hinzu, die zudem Klassengrenzen in Frage stellen darf, ehe die Zwerge gemeinsam mit Bilbo gen Seestadt aufbrechen, wo ein gieriger, sich wie ein König gebender Bürgermeister sein gutmütiges Menschenvolk ausbeutet. Derweil macht sich Gandalf auf die Spuren des Necromancers, weshalb sich ihm eine Bedrohung offenbart, die selbst den garstigen Drachen Smaug in den Schatten stellt, mit dem Bilbo und die Zwerge ihre Kräfte messen müssen, um die verlorene Zwergenheimat zurückzugewinnen …

Tolkien-Puristen, die bereits beim «Herr der Ringe» über zu große Differenzen zwischen Buch und Film klagten, dürften angesichts der zahlreichen Freiheiten, die sich Peter Jackson erlaubte, um aus dem kleinen Hobbit-Buch ein «Hobbit»-Filmepos zu machen, nun endgültig den Adaptionen des neuseeländischen Regisseurs abschwören. Jene Kinogänger aber, die sich von der «Hobbit»-Trilogie ein spannendes, ausschweifendes Abenteuer erhoffen, das sich stilistisch den legendären «Herr der Ringe»-Filmen annähert, kommen in dieser Fortsetzung voll auf ihre Kosten.

Zwar ist weiterhin auffällig, welche Szenen neu hinzuerfunden oder gestreckt wurden, da selbst kleinste Scharmützel ein, zwei kleine Wendungen umfassen und sich Gandalfs Sidequest tonal viel näher an «Herr der Ringe» orientiert als am Rest des Films, allerdings ist Jacksons Inszenierung viel dynamischer und die Erzählweise wesentlich straffer als noch im ersten «Hobbit»-Abenteuer. Somit fällt die Dehnung des Ausgangsmaterials nicht mehr gravierend auf, zumal einige der Neuerungen zu den spannenderen Elementen des Films zählen. Insbesondere der unfreiwillige Aufenthalt von Bilbo, Thorin Eichenschild (Richard Armitage) und Gefolge bei den Elben gewinnt dank Leogolas und Tauriel an Würze, ebenso sorgt ein kleines Liebesdreieck, so vorhersagbar es sich auch entwickelt, dank der engagierten und charismatischen Performances für eine gefühlvolle Note und eine größere Fallhöhe, die sich den Figuren erbietet.

Die Dramatik des Films wird zudem durch die einfallsreich inszenierten Actionszenen gestützt. Einerseits punkten Sequenzen wie der schaurige Kampf gegen Riesenspinnen, eine turbulente Gefängnisflucht in Stromschnellen durchquerenden Weinfässern sowie Bilbos atmosphärische Begegnung mit dem majestätischen, furchteinflößenden Smaug mit spielerischen Kamera-Choreographien, andererseits haben diese Ereignisse auch inhaltliche Konsequenzen. Diese hält Peter Jackson zwar etwas in Zaum, um Stoff für das Trilogie-Finale übrig zu haben, dennoch wächst Bilbo als Figur, was Martin Freeman erlaubt, die Rolle komplexer und eindrucksvoller zu gestalten. Ebenso wird die in Teil eins noch relativ homogene Zwergentruppe etwas ausdifferenzierter dargestellt, da immer mehr Figuren abseits von Richard Armitages eitlem Thorin Eichenschild eigenes Material erhalten.

Etwas zu kurz kommen dagegen die Menschen – Peter Jackson deutet in der fantastisch gestalteten Fischerstadt nahe des Einsamen Berges eine interessante Gesellschaftsstruktur an und lässt Luke Evans («Die drei Musketiere») als Bard eine komplexe Performance geben, die aus dem grimmig guckenden Händler einen schwer durchsichtigen Helden macht. Allerdings bleibt es hinsichtlich des Aufbaus der Hafenstadt bei einer oberflächlichen Sozialkritik und Bard verschwindet zu Gunsten der Zwerge im finalen Akt etwas zu lange von der Bildfläche – an diesen Stellen muss der dritte Teil weiter ausholen, um dies wieder gut zu machen. Alternativ hätte es in der Kinofassung von «Der Hobbit – Smaugs Einöde» auch getan, Smaug einen Monolog weniger zu geben, Gandalfs Abstecher nach Dol Guldor etwas zu straffen (kaum ein Zuschauer wird nicht wissen, wie diese Nebenhandlung ausgeht) und der einen oder anderen Actionszene etwas flotter ihren Höhepunkt zu spendieren. Dann wäre bei rund 170 Minuten Laufzeit dennoch mehr Raum für den „menschlichen Aspekt“ der Handlung gegeben, ohne dem Rest des Abenteuers zu schaden.

All zu schwerwiegend ist dieser Aspekt aber nicht, ebenso wie das abrupte Ende nur negativ auffällt, wenn zum Vergleich die runden Finalmomente der ersten beiden «Herr der Ringe»-Filme herangezogen werden. Insgesamt ist «Der Hobbit – Smaugs Einöde» dank besserer Charakterisierungen, einer strafferen Dramaturgie sowie aufpolierter Computereffekte ein würdiges «Herr der Ringe»-Prequel, das eine qualitative Brücke zwischen dem ersten «Hobbit»-Film und Jacksons Meilensteinen der Jahre 2001 bis 2003 darstellt.

«Der Hobbit – Smaugs Einöde» ist a dem 12. Dezember 2013 in zahlreichen deutschen Kinos zu sehen – in 2D, 3D und 3D HFR.
11.12.2013 11:00 Uhr  •  Sidney Schering Kurz-URL: qmde.de/67862