Die Kritiker: «Dampfnudelblues»

In Bayern lief «Dampfnudelblues» sogar im Kino und lockte dort gut eine halbe Million Zuschauer an. Zurecht? Antje Wessels sah den Eberhofkrimi vorab.

Inhalt

Stab des Films

  • Regie: Ed Herzog
  • Drehbuch: Christian Zübert
  • Romanvorlage: Rita Falk
  • Produktion: Kerstin Schmidbauer
  • Musik: Martin Probst
  • Kamera: Sebastian Edschmid
  • Schnitt: Stefan Essl & benjamin Hembus
Für den bayerischen Polizeihauptmeister Franz Eberhofer ist derzeit nicht an Entspannung zu denken, und das, obwohl ihm seine Ruhe heilig ist. Seine in der Küche talentierte, doch in Terminfragen überaus penible und zudem sehr schwerhörige Großmutter nervt, und auch sein Vater kostet ihm jede Menge Geduld. Schließlich redet er unentwegt über die Beatles und züchtet zudem selber Cannabis – da Papa Eberhofer und der junge Polizist unter einem Dach leben, handelt es sich dabei nicht gerade um eine harmonische Angelegenheit. Und beruflich wird es für Franz auch mehr als nur stressig: Erst wird er vom Schuldirektor Höpfl aufgrund einer Hauswand gerufen, die mit „Stirb du Sau“ beschmiert wurde – vermeintlich ein harmloser Fall. Aber bald darauf verschwindet der im Ort unbeliebte Einzelgänger, wenig später wird gar seine Leiche unter einem abgestellten Güterzug wiedergefunden.

Klar, dass dieser rätselhafte Fall höchste Konzentration fordert. Dumm nur, dass Franz derzeit Babysitter spielen muss und einen kleinen Schreihals zu hegen und zu pflegen hat …

Darsteller
Sebastian Bezzel («Schwere Jungs») als Franz Eberhofer
Simon Schwarz («Die Siebtelbauern») als Rudi Birkenberger
Ilse Neubauer («Die Hausmeisterin») als Oma Eberhofer
Eisi Gulp («Pastewka: Der Trip») als Franz Eberhofer
Gerhard Wittmann («Tod in den Bergen») als Leopold Eberhofer
Chi Le («Mord ist mein Geschäft, Liebling») als Panida
Lisa Maria Potthoff («Trau niemals deiner Frau») als Susi
Sigi Zimmerschied («Eine ganz heiße Nummer») als Dienststellenleiter Moratschek

Kritik
Was soll ein Krimifreund nur schauen, wenn ihm der «Tatort» zu düster-komplex und selbst «Hubert und Staller» zu rasant erzählt ist? Für Anhänger der gemütlichen Kriminalkost bietet das deutsche Fernsehen Serien wie «Die Garmisch-Cops» sowie gelegentliche Lokalkrimis in der ARD, die vor allem in den südlichen Regionen der Bundesrepublik angesiedelt sind. Im Kinosommer 2013 hatten die Freunde der zelebrierten Antriebslosigkeit sogar guten Grund, ins Kino zu gehen: Rita Falks trockener Bajuwarenkriminalroman «Dampfnudelblues» wurde auf die Leinwand gebracht und lockte dort rund 500.000 Besucher an – und dies einzig und allein im Freistaat Bayern. Im Rest Deutschlands hat sich die Filmbranche gar nicht erst getraut, diese Provinz-Ermittlergeschichte in die Lichtspieltheater zu bringen. Für all jene, die nicht aus der Heimat der weiß-blauen G'schichten stammen, erbietet sich daher erst mit der Fernsehausstrahlung der Romanverfilmung die Möglichkeit, die bayerische Kinosensation zu begreifen.

Für viele wird es wohlgemerkt sicherlich auch nur beim Versuch bleiben. Zwar stehen hinter diesem kleinen Krimiphänomen mit Regisseur Ed Herzog («Tatort», «Polizeiruf 110») und Drehbuchautor («Neue Vahr Süd») versierte Profis, die regelmäßig ein breites Publikum ansprechen, allerdings kommt diese Produktion fast durchgehend wie eine bajuwarische Selbstbeweihräucherung daher. Nördlich des so genannten Weißwurstäquators dürften gemächliche Leberkäs-Pausenmahlzeiten, gutgeheißene Alltags-Langeweile und Polizisten, die bloß wenige Stunden am Tag arbeiten müssen, nämlich nur auf wenig Verständnis stoßen.

Bloß gelegentlich geht in «Dampfnudelblues» das Konzept eines augenzwinkernden Lokalkrimis auf, nur ausnahmsweise führt die Gegenüberstellung von provinzieller Weltanschauung und der „großen, überfordernden“ Welt zu einem schwarzhumorigen Ergebnis. Nett ist etwa die recht zu Beginn ausgespielte Pointe, die Franz Eberhofers Oma als überpenible Frau mit eingefahrenen Einkauftraditionen zeigt – es ist der erste Donnerstag im Monat, also muss ihr Enkel sie um jeden Preis zum Elektromarkt fahren, damit sie ankommt, ehe die Aktionsware vergriffen ist. Jedem, der Bekannte auf dem Land hat oder selbst dort lebt(e), dürfte diese Verbissenheit und Unmöglichkeit, vom ewig gleichen Terminplan abzuweichen, bekannt sein. Gelungen ist auch die Versinnbildlichung der Polizeistreife in einem kleinen Dorf: Franz dreht in einem kargen Kreisverkehr seine Runden, bis endlich etwas passiert.

Von diesen und einer kleinen Handvoll weiteren Einfällen abgesehen, lebt «Dampfnudelblues» dagegen von einer Vielzahl abgenutzter Klischees, die nicht einmal kritisch hinterfragt oder pointiert ad absurdum geführt werden. Franz' Bruder lebt mit einer Thailänderin zusammen, was sein Umfeld zu allerlei miesen Wortwitzen verführt und laut darüber nachdenken lässt, ob diese Asiatinnen nicht alle total anschmiegsam sind. Der örtliche Fußballverein heuert einen dunkelhäutigen Spieler an, was die Dorfgemeinschaft verschreckt. Besonders fragwürdig sind die Reaktionen auf das, was im Laufe der Ermittlungen über Schuldirektor Höpfl enthüllt wird: Dieser ist schwul, was zwar laut den Dorfeinwohnern eine schlimme Anschuldigung und harter Tobak sei, „stroafbar ist's oba net“.

Dem mitdenkenden Zuschauer dürfte klar sein, dass die Filmemacher nicht so intolerant wie ihre Figuren sind, doch die angesichts des gelegentlich blödelnden Tonfalls ihres Films offensichtlich intendierte Ironie kommt bei all den diffamierenden Aussagen der handelnden Figuren nie rüber. Stattdessen schwingt in «Dampfnudelblues» stets eine artifizielle Ehrfurcht vor der ländlichen Gemütlichkeit mit, wodurch die Provinz-Chauvis, auch die spitzbübisch-netten Figuren wie der zentrale Dorfpolizist Franz, eher ungewollt in ihrer zurückgebliebenen Weltsicht bestätigt werden. Sie genießen die ruhigen Momente des Lebens, also werden sie schon wissen, was richtig ist. So reproduziert «Dampfnudelblues» eher Intoleranz, statt sie durch den Kakao zu ziehen.

Dessen ungeachtet überzeugt Hauptdarsteller Sebastian Bezzel mit spröden Charme und einem sicheren komödiantischen Timing, mit dem er den wenigen Wortwitz der Krimikomödie aufpeppt („Ohh … beim Höpfl wurde eine Wand beschmiert … Ruft das SEK!“) sowie einem überzeugenden Treue-Hunde-Blick, dank dem er in den wenigen Sequenzen rund um Franz' schwierige Liebesbeziehung einige Sympathiepunkte einheimst. Handwerklich wiederum ist «Dampfnudelblues» umso anstrengender: Während die Landschaftsaufnahmen erwartungsgemäß stimmig sind und das Lokalkolorit einfangen, fängt Ed Herzog Dialoge in starren, unbeholfen-steifen Bildern ein, durch welche die Gespräche zwischen den Figuren weltfremd erscheinen – ohne dass dieser Kunstgriff inhaltlich gerechtfertigt ist.

«Dampfnudelblues. Ein Eberhoferkrimi» ist am Donnerstag, den 5. Dezember, ab 20.15 Uhr im Ersten zu sehen.
05.12.2013 12:00 Uhr  •  Antje Wessels Kurz-URL: qmde.de/67752