Während die EMAs früher noch Großereignisse mit hohem Stellenwert waren, haben die Awardshows heute deutlich an Bedeutung eingebüßt.
Ein anderer Grund für den Bedeutungsverlust der European Music Awards ist der Abstieg des kaum noch stattfindenden Musikfernsehens in Deutschland. Am 1. August 1987 startete MTV in Deutschland, nachdem der Musiksender schon ab 1981 die jugendlichen Lifestylewelten und die „Clip-Kultur“ begründete, welche wiederum Einfluss auf die ästhetische Entwicklung des Fernsehens insgesamt nahmen. Als kostengünstige, globale und reichweitenstarke Promotion entdeckte die Musikindustrie Ende der 70er Jahre schon das Musikvideo für sich. Nach der Rezession im Musikbusiness der späten 70er Jahre investierten immer mehr Verantwortliche in die Clips, die im Music Television lange Zeit rauf und runter liefen, sodass MTV 1991 mit fast allen großen Labels Exklusiverträge unterhielt. Zwischen 1986 und 1989 fing MTV an, mehr auf typische Fernsehformate wie Cartoons, Sport- und Nachrichtensendungen, Comedy- und Gameshows oder Film- und Kulturmagazine zu setzen und schuf damit ein Vollprogramm für Jugendliche. Die Gründung von MTV-Ablegern weltweit und die allmähliche Verdrängung der Musikclips waren die Folge.
Ende 1993 ging auch VIVA als neuer deutschsprachiger Videoclip-Kanal auf Sendung. Im Jahre 2006 hatten beide Sender tolle Marktanteile von bis zu 2,3 Prozent bei den 14- bis 29-Jährigen. Da das Internet schon längst etabliert war, fand der Konsum der Musikvideos spätestens 2010 fast nur noch online statt. Dementsprechend passten MTV, das 2011 sein Programm verschlüsselte, und VIVA ihr Programm an und setzten noch stärker auf bewährte Formate ohne explizit musikalische Inhalte. Betrachtet man heutzutage werktags das Programm von VIVA, findet man beim Kanal, der sich selbst immer noch als Musiksender sieht, kaum noch musikalisches. Neben Doku-Soaps, Sitcoms und Animationsserien finden sich regulär nur noch morgens, vormittags und in der Nacht Programmeinheiten, die Musik-Clips zum Besten geben. Mit diesen fährt VIVA mit Marktanteilen von zum Teil über neun Prozent in der Zielgruppe aber richtig gut. Mehr findet der Musikfreund beim Pay-TV-Sender MTV in Deutschland, der werktags auf durchschnittlich etwa sieben Stunden Musikfernsehen als solches kommt, welches oft aber selbst dort nur zu Randzeiten stattfindet.
Wahrhaftige Musikfernsehsender wie YAVIDO, Deluxe Music, iMusic1, Motor TV, Deutsches MusikFernsehen oder gotv werden von vielen Fernsehenden wegen etwaiger Verschlüsselungen entweder nicht empfangen oder sie bleiben auf dreistelligen Nummern in der Senderliste weitgehend unbemerkt. Geblieben sind bei den European Music Awards spektakuläre Performances, die von hochattraktiven Bühnenbildern zusätzlich in Szene gesetzt werden und für viel Werbung auf Seiten der Künstler sorgen können. Allerdings hat sich das Großereignis damit längst zur Oberflächlichkeit gewandelt und die musikalische Qualität der Protagonisten ist allenfalls sekundär. Wollen Künstler heutzutage auf eine außerordentliche Karriere im Musikfach zurückblicken, zählt für sie wohl mittlerweile eher ein Grammy, Brit Award oder hierzulande der ECHO.