Die Kino-Kritiker: «Jackass presents: Bad Grandpa»

Johnny Knoxville ist zurück und stiftet als derber Opa jede Menge Chaos.

Hinter den Kulissen

  • Regie: Jeff Tremaine
  • Produzenten: Johnny Knoxville, Jeff Tremaine, Derek Freda und Spike Jonze
  • Drehbuch: Johnny Knoxville, Jeff Tremaine und Spike Jonze
  • Kamera: Lance Bangs und Dimitry Elyashkevich
Sogar ein Johnny Knoxville musste eines Tages erwachsen werden. Der Berufsirrsinnige, der sich jahrelang mit einigen Freunden dabei filmte, wie sie eklige Sketche und sinnlose Stunts durchführten und das Ganze unter dem Titel «Jackass» auf die Mattscheiben und in die Kinosäle der Welt brachte, hat mittlerweile eine funktionierende Familie und spricht in Interviews nun immer häufiger über die profunden Dinge im Leben. Vielleicht ist es die Knoxville allmählich heimsuchende Reife, die den 42-Jährigen dazu trieb, auf die von Jugendschützern scharf diskutierte 3D-Sammlung des Chaos, die 2010 als «Jackass 3D» in die Kinos kam, einen zurückhaltenderen Ableger folgen zu lassen. Vorbei die Zeit der zusammenhangslose Ansammlung von Streichen, Ekelmomenten und halsbrecherischen Aktionen – nun wandelt Knoxville in erschreckend realistischer Altherrenverkleidung auf den Pfaden von Sacha Baron Cohen und seinen satirischen Versteckte-Kamera-Komödien «Borat» und «Brüno».

Zu viel Story haben sich die Filmemacher allerdings nicht aufgehalst, stattdessen dienen die kurzen Handlungsmomente bloß als lose Überleitung zwischen den einzelnen Streichen, die Knoxville in der auch aus «Jackass» bekannten Rolle des perversen Rentners Irving Zisman und Jackson Nicoll als dessen Enkel Billy auf die Welt loslassen: Billys Mutter muss ins Gefängnis und so überträgt sie seinem Großvater die undankbare Aufgabe, den Bengel quer durchs Land zu fahren und in die Obhut seines Dads zu übergeben. Irving hat derzeit aber keinerlei Verwendung für Billy, weil kürzlich seine prüde Frau gestorben ist und er sich daher lieber die Seele aus dem Leib vögeln würde. Doch Irving gibt letztlich seinen Widerstand auf und begibt sich auf einen ausgedehnten Autotrip mit seinem Enkel, der sie nach allerlei Eskapaden zusammenschweißt.

Führte Sacha Baron Cohen in «Borat» und «Brüno» die Intoleranz und Borniertheit der Gesellschaft vor, sind die Ambitionen von «Jackass presents: Bad Grandpa» weniger fokussiert. Teils machen sich die Störenfriede mit einer nahezu genialen Agenda auf, Milieus aufzumischen, die es nicht besser verdient haben. Da wäre etwa die aufgrund der TV-Werbespots und Kinotrailer zum Film mittlerweile wohl bestens bekannte Sequenz, in der Irving seinen Enkel als kleines Mädchen ausgibt und auf einen dieser elenden, besorgniserregenden Kinder-Schönheitswettbewerbe schickt. Dort angekommen halten sie mit ihrer anarchischen Aktion dieser oberflächlichen Subkultur nicht nur den satirischen Spiegel vors Gesicht, sie rammen diesen auch noch mit Freude in die Fresse all jener, die ihr Kind freiwillig zum Objekt abstempeln lassen. Selbst wenn das Marketing die Szene bereits gnadenlos abnutzte: Diese Sequenz ist einer der witzigsten und zugleich satirisch-gehaltvollsten Momente des Kinojahres und muss einfach in voller Länge bestaunt werden.

Andere der Beobachtungen über die US-Gesellschaft sind weniger anklagend, aber dennoch von einer stillen Kritik durchzogen und dürften nicht nur Lacher, sondern auch fassungsloses Kopfschütteln ernten. Beispielsweise wenn die verschobenen Prioritäten der US-Bürger klar werden: Nachdem Irving im Laufe seines Trips mit allerlei Unfug durchkam (etwa der unsachgemäßen Entsorgung der Leiche seiner Frau), sorgt er ausgerechnet bei einem Bingo-Turnier für gewaltigen Aufruhr – weil er es wagt, die Gemächlichkeit des Bingo-Spiels zu stören, indem er sich Margaritas mixt.

Nicht immer machen sich die Filmschaffenden, die im Abspann unter anderem Deleted Scenes zeigen und auch enthüllen, wie sie sich mit zahllosen Kameras auf die Lauer gelegt haben, über die Umstehenden lustig. Teilweise verdrehen sie das Konzept des Versteckte-Kamera-Streichs und machen die ahnungslosen „Opfer“ zu den Helden. Etwa, indem sie den zur Crew gehörenden, abscheulichen Vater Billys in einem Pub parken, in welchem sich ein wohltätiger Bikerclub trifft. Die Mitglieder sehen so aus und reden auch so, als gehörten sie zu einer klassisch-stereotypen Bikergang, jedoch haben sie das Herz am rechten Fleck und setzen sich für misshandelte Kinder ein. Der grandiose Witz der Sequenzen rund um diesen außergewöhnlichen Menschenschlag beruht dann nicht auf der Vorführung dieser Leute, sondern auf dem komplexen Spiel mit den Erwartungen sowie auf der sich anbahnenden Skurrilität. Ähnliches gilt auch für Billys naiven, stur umgesetzten Versuch, einen wildfremden Mann mit großen Augen und zärtlicher Stimme zu bezirzen und dazu zu bringen, ihn als seinen neuen Sohn zu akzeptieren.

Andere der zahlreichen, mit hoher Schlagzahl folgenden und nie überreizten Sketche/Streiche leben ebenfalls vom Absurden, verleihen den Abenteuern von Irving und Billy zugleich aber eine leicht herbe «Jackass»-Note: Wenn Irving seine lächerlich tief hängenden Hoden durch die Gegend schwingt und damit wahlweise nonchalantes Lächeln (von älteren, männlichen Passanten) oder höchst panische Schreie (von zuvor gut aufgelegten Damen) erntet oder Jugendliche filmen, wie der Anarcho-Opa mit seinem überaus dehnbaren Glied in einem Getränkeautomaten feststeckt, dann kommt der Pennälerhumor der «Jackass»-Macher wieder zum Vorschein. Hier aber hat er etwas Erfrischendes, Unbedarftes an sich – was jene erfreuen dürfte, die «Jackass» bislang nur verständnislos gegenüberstanden, zugleich aber manche der Hardcore-Fans enttäuschen könnte, die sich vor allem über die besonders derben Momente der MTV-Serie und der Kinofilme amüsierten.

Fazit: Mit dem «Jackass»-Ableger rund um den lüsternen, verantwortungsbefreiten Irving Zisman kreierten Regisseur Jeff Tremaine, Hauptdarsteller Johnny Knoxville und Gefolge eine freche, wilde Kinokomödie, die selbst «Jackass»-Gegner überzeugen kann: Einfallsreich, auf gesunde Weise bescheuert und hintersinnig-derb. Als relativ handzahmes Spin-off ist «Jackass presents: Bad Grandpa» allerdings für all jene, die Knoxville & Co. allein wegen ihrer Geschmacklosigkeiten feierten, sicherlich nur ein lahmer Aufguss.

«Jackass presents: Bad Grandpa» ist ab dem 24. Oktober in vielen deutschen Kinos zu sehen.
24.10.2013 10:00 Uhr  •  Sidney Schering Kurz-URL: qmde.de/66933