Wieso moderiert Lanz noch «Wetten, dass..?»?

Am Samstag startet die zweite Staffel der ZDF-Wettshow: Wir blicken auf Staffel eins und analysieren die von der Redaktion angekündigten Veränderungen.

Das erwartet die Zuschauer am Samstag

  • Austragungsort: Bremen
  • Gäste auf dem Sofa: Matthias Schweighöfer, Ruth Maria Kubitschek, Anja Kling, Harrison Ford, Sylvester Stallone
  • Musik: "Rocky"-Musical, John Newman, Cher
  • Außenwette präsentiert von Elton
„Wenn es einen Gott gibt, wieso moderiert Markus Lanz dann noch «Wetten, dass..?»“ Diese rhetorische Frage warf Kurt Krömer vor ein paar Wochen in seiner Late-Night-Show im Ersten in den Raum. Nicht wenige deutsche Fernsehzuschauer werden sich das inzwischen ebenfalls fragen. Eine Antwort bleiben sowohl das ZDF als auch Lanz selbst schuldig. Dabei hatte vor einem Jahr alles recht vielversprechend angefangen mit dem erneuerten Unterhaltungsklassiker und seinem neuen Gastgeber. Nach 18 zusammenhängenden Jahren der Moderation durch den ehemals großen Thomas Gottschalk, übernahm der vergleichsweise kleine Markus Lanz im Oktober 2012 «Wetten, dass..?». Er und die Verantwortlichen wollten Europas größte Show einer Verjüngungskur unterziehen. Was man sich inhaltlich vornahm, war zunächst eindeutig: Die Wettkandidaten sollten wieder mehr in den Vordergrund gerückt werden, die Sendung sollte überraschender und dynamischer werden, es sollte statt der bisher üblichen Sommerausgabe aus Mallorca ein entsprechendes Winter-Spezial aus einem Skigebiet geben und es sollten statt der bisher nur sieben Folgen ganze acht Stück pro Jahr geben, von denen eine in Form des reanimierten Kinder-«Wetten, dass..?» erscheinen sollte. Obendrein war ein neues Bühnenbild mit fahrbarem Sofa und eine sogenannte „Lanz-Challenge“ geplant, bei der der Moderator selbst gegen einen Zuschauer aus dem Publikum antritt. Als fast schon zwanghafte Randerscheinung wurde zudem angekündigt, die Gesprächsanteile mit den Kandidaten und den prominenten Gästen zu intensivieren. Es waren tatsächlich derart viele Vorhaben, die bis zum 6. Oktober 2012, dem Tag der Lanz-Premiere, auf die Agenda gesetzt wurden. Wenn auch nicht alle davon vielversprechend wirkten, so signalisierten sie in ihrer Summe trotzdem so etwas wie Aufbruchsstimmung bei der internationalen Wettveranstaltung.

Doch was wurde aus diesem Apparat an geplanten Erneuerungen in der ersten Staffel von «Wetten, dass..?» nach der goldenen Gottschalk-Ära auch wirklich in die Tat umgesetzt? Von den guten Erfrischungsmaßnahmen leider nichts. Es gab keine zusätzliche Ausgabe, denn von der Kindersendung war bis heute nichts mehr zu hören und statt der Winterfolge blieben die Macher klammheimlich dann doch bei der mallorquinischen Sommer-Party. Hätten sie geahnt, dass letztere den quotenmäßigen und womöglich auch qualitativen Tiefpunkt in der nunmehr 32-jährigen «Wetten, dass..?»-Geschichte markieren würde, wären sie sicher gerne auf die Après-Ski-Sause zurückgekommen. Die hätte ohnehin besser zum südtiroler Grönland-Wanderer Markus Lanz gepasst. Kein Wunder, dass nach dem Desaster im Juni dieses Jahres zu vernehmen war, es solle 2014 wohl keine Mallorca-Ausgabe geben – offiziell, weil kommenden Sommer die Fußball-WM in Brasilien ansteht.

Blickt man auf das Vorhaben, die Rolle der Kandidaten stärken zu wollen, fällt das Urteil nach der ersten Lanz-Staffel gemischt aus. Zum einen wurde insofern tatsächlich etwas dafür getan, als dass die Wettanbieter nun in kurzen Einspielfilmen vorgestellt wurden, in einer extra Lounge vor dem Publikum die ganze Show über Platz nehmen und zu Beginn der Sendung mit ihren prominenten Wettpaten die Bühne betreten durften. Dass die Paten mit richtigen Tipps über die Ausgänge aller Wetten Geld für ihre Kandidaten erspielen konnten, trug ebenfalls zu einer höheren Wertschätzung von letzteren bei. Doch trotz dieser löblichen Veränderungen wollte es am Ende irgendwie nicht so ganz gelingen, die Kandidaten mehr in den Vordergrund zu stellen. Das lag vor allem am Moderator, der sich lieber länger mit den Promis unterhielt, die Wetten eher emotionslos begleitete und die Wettkönige zum Schluss der Sendung halb geistesabwesend beglückwünschte und schnell in die gewonnenen Autos abschob.

Bei den tatsächlich umgesetzten, aber eher schlechten Änderungsvorhaben ist in dem Zusammenhang an erster Stelle der hohe Talk-Anteil des neuen «Wetten, dass..?» zu nennen. Während Thomas Gottschalk stets dafür kritisiert wurde, zu oberflächlich mit den prominenten Wettpaten zu sprechen, zog Markus Lanz die Talks in seiner ersten Staffel wiederum zu sehr in die Länge. Dabei war er noch nicht einmal so gut vorbereitet (worden) wie in seiner Talkshow. Bei «Markus Lanz» werden die Gäste viel zu oft vom Gastgeber unterbrochen, bei «Wetten, dass..?» viel zu selten. Und wo penibles Nachhaken in der Gesprächssendung noch halbwegs investigativ wirkt, so erschien es in der Wettshow einfach nur peinlich. Kein Wunder, dass in der berüchtigten Mallorca-Ausgabe missmutige „Laber! Scheiß drauf!“-Rufe aus dem Publikum ertönten, als Lanz zu lange auf Michelle Hunzikers erneuertem Privatleben herumritt. Die Talks stellten gemeinhin die langweiligsten Momente in der Sendung dar. So war es schon bei Gottschalk und noch auffälliger kam es bisher bei Lanz zur Geltung. Die Sofa-Gespräche nahmen in der vergangenen Staffel genau die Dynamik aus der Sendung, die die Verantwortlichen erreichen wollten. Überraschender als früher kam «Wetten, dass..?» 2012/2013 durchaus daher, jedoch nur selten zum Vorteil. Wenn ein Robbie Williams zu Beginn der Show zusammen mit Markus Lanz musikalisch einheizte oder ein Denzel Washington im Kino Popcorn verteilte, überraschte das tatsächlich positiv. Wenn aber der Harlem Shake vom Saalpublikum getanzt, eine Cindy aus Marzahn von Lanz auf einem Gabelstapler in die Halle gefahren oder ein Tom Hanks zum Sackhüpfen mit Katzenmütze genötigt wurde, waren das negative Überraschungen, die viel zu plump und gestellt erschienen.

Ebenso war es mit der Lanz-Challenge. Sie sollte wohl den neuen Gastgeber mehr in das Geschehen und damit ins Bewusstsein der Zuschauer drücken, doch von praktischem Nutzen war sie letztlich nie. Sie hatte nichts mit Wetten zu tun und wirkte neben der Einlösung der verlorenen Stadtwette als eine überflüssige zusätzliche Sonderaufgabe für Markus Lanz. Wen verwundert es da noch, dass auch die Lanz-Challenge ihren traurigen Tiefpunkt in der besagten Mallorca-Show fand, als unklare Limbo-Regeln zu Buh-Rufen führten? Bleibt noch das erneuerte Bühnenbild zu betrachten: Das kam zwar moderner daher als das alte, erschien jedoch zugleich auch kühler und unspektakulärer. Wenn erst Wände aufgefahren werden müssen, um die Sets für Wetten und Musik-Acts preiszugeben, erinnern die Kulissen mehr an eine Art statischen Theatervorhang und nicht an dynamische Hintergründe für eine große TV-Show mit erlebbarem Live-Charakter. Die fahrbare Couch ist ein nettes Gimmick, hätte es aber so eigentlich nicht gebraucht. Zumal es eine solche schon bei «Verstehen Sie Spaß?» mit Harald Schmidt gab.

Der Inhalt von «Wetten, dass..?» ist der eine Teil, doch der fast noch wichtigere Teil ist der Moderator. Spätestens seit Thomas Gottschalk die Show als Star derselben zu einem wesentlichen Teil mitgeprägt hat, liegt ein besonderer Fokus auf dem Gastgeber. Das weiß der Neue nur zu gut und vielleicht liegt es gerade daran, dass Markus Lanz in seiner Premierenstaffel zumeist farblos und unsouverän blieb. Lanz wird die Last des TV-Schlachtschiffes auf seinen Schultern spüren und konnte sich bisher noch nicht von ihr befreien. Die Frage ist aber auch, ob er überhaupt die Anlagen dazu hat, sich gekonnt „freizuschwimmen“, wie «Wetten, dass..?»-Erfinder Frank Elstner es ausdrückte. Lanz ist nun einmal kein Entertainer, der das Publikum mit Charisma und Glamour mitreißen und begeistern vermag. Er ist schlicht ein einfacher Moderator im Mittelmaß – und das reicht einfach nicht für «Wetten, dass..?». Da konnten in der ersten Staffel nicht einmal seine partiellen Showmaster-Qualitäten als Klavierspieler oder Stuntman etwas dran ändern, einfach weil ihr Einsatz zu gewollt wirkte. Wenn Lanz die Show ansonsten langweilig und ohne große Führungsqualitäten im besten Wortsinne nur moderiert, kommen auch spezielle Show-Einlagen künstlich herüber. Ganz nach dem Motto: „Eigentlich will der Markus ja nicht, aber um ihn etwas zu pushen und ihn präsenter zu machen, muss er jetzt mal wieder ran!“

Das ist dieselbe Wirkung wie bei der Lanz-Challenge. Der Gastgeber wollte gerne alles im Griff haben, hatte es aber faktisch meist nicht, weil ihn spritzigere Gäste überlagerten. Er war in der Regel zu zurückhaltend, zu leise, zu steif und zu nett. Überdies fehlt Markus Lanz generell etwas, was für einen «Wetten, dass..?»-Moderator eigentlich das A und O ist – die Fähigkeit zum Quatschen. Lanz kann, etwas böse und überspitzt gesagt, einfach nicht vernünftig reden. Sein manchmal auffälliges Einatmen und Stoppen in der Sprache sind bereits aus seiner Talkshow bekannt, doch am Samstagabend gesellten sich nun auch noch Kunstpausen dazu. Wenn der Gastgeber am Ende eines Gesprächs einfach mal kurz inne halten musste und gerade nichts zu sagen wusste, förderte das die Langeweile der Sendung. Durch die bei Lanz fehlende Wortgewandtheit und Schlagfertigkeit blieben leider auch von Gottschalk bekannte flotte Sprüche und unterhaltsames Kommentieren der Wetten aus. Typische Lanz-Phrasen wie etwa „Bedanke mich sehr, sehr herzlich!“, „Großer Spaß!“ oder „Spektakuläre Wette!“ trugen ihr Übriges dazu bei. Angesichts dieses schwachen Moderators ist es also kein Geheimnis, dass eine Co-Moderatorin, bzw. Assistentin der Show ganz gut tun würde, die Markus Lanz etwas unterstützt und Teile seiner Farblosigkeit ausgleichen könnte. Mit Cindy aus Marzahn war allerdings in der vergangenen Staffel eine Assistentin am Werk, die dabei den Bogen wiederum überspannt hat und als umstrittene Trash-Komikerin einige treue «Wetten, dass..?»-Zuschauer vergrault haben wird.

Es ist offensichtlich, dass der ZDF-Klassiker mit all diesen inhaltlichen und äußerlichen Mängeln nicht auf Erfolgskurs bleiben wird. Blickt man auf die Zuschauerzahlen, die sich in der ersten Staffel nach Gottschalk von anfangs über 13 Millionen auf zuletzt gut sechs Millionen halbiert haben, bestätigt sich dieser Eindruck umgehend. Das kann nicht der Anspruch von Europas größter Fernsehshow sein, zumal ZDF-Intendant Thomas Bellut vor dem Lanz-Einstand im Oktober 2012 acht Millionen als Mindestmaß ausgegeben hatte. Im Zuge der sinkenden Werte und der fast einhelligen Kritik von Presse und Zuschauern, die jedoch zuletzt teilweise schon etwas zu übertrieben hart ausfiel, droht «Wetten, dass..?» auch immer mehr an einstiger Relevanz und Größe zu verlieren. Das ist zwar bei einem Format, welches schon gut drei Jahrzehnte auf dem Buckel hat, generell kein Wunder, doch dass der Verfall so schnell in einer Staffel sichtbar wurde, ist schade und sollte beunruhigen. Das tut es ganz offenbar auch, denn das ZDF hat nach dem Mallorca-Tiefpunkt im Juni Veränderungen für die neue Staffel ab Samstag angekündigt.

So sollen zum einen die Stargäste wieder prominenter werden. Das ist gut so, denn die Auswahl der Wettpaten war tatsächlich auch qualitativ schlechter geworden, sodass die Show billiger wirkte. Leute wie Paul Panzer, Joey Heindle oder die Geissens haben einfach nichts bei «Wetten, dass..?» zu suchen. Mit ihnen wäre das Ansehen der Sendung weiter gesunken. Außerdem sollen die Stars wieder einzeln auftreten. Das tut zwar dem Glamour gut, ist aber abträglich für das Konzept, denn so können die Wettpaten nicht mehr bei allen Wetten einer Show Geld für ihre Kandidaten ertippen. Die Lanz-Challenge soll, zumindest vorerst, gestrichen werden. Das war überfällig. Die Couch soll wieder fest auf einem Teppichboden stehen und einen neuen, gemütlicheren Tisch und größere Kissen erhalten. So etwas war nicht zwingend nötig, dürfte aber auch nicht abträglich sein. Neue Autoren und der erfahrene ZDF-Veteran Oliver Heidemann als neuer Redaktionsleiter sollen die Inhalte besser auf die Show und Lanz abstimmen, was in der Tat dringend vonnöten ist. Zudem soll Markus Lanz künftig ohne Assistentin auskommen. Das ist aus besagten Gründen nicht gut, aber immerhin sind die Zuschauer die unpassende Cindy los und wird Michelle Hunziker wenigstens einmal als Assistentin fungieren, weil sie noch eine Wettschuld aus Mallorca einzulösen hat. Eventuell wird da ja mehr draus. Zuletzt sollen, man kennt es irgendwoher, die Kandidaten und ihre Wetten wieder stärker im Mittelpunkt stehen. Hoffentlich klappt das diesmal mit mehr Willen des Moderators.

Dieser Moderator soll jedoch auch in der neuen Staffel wieder Markus Lanz heißen. Gerade dieser Umstand wird wohl alle inhaltlichen Veränderungen neutralisieren. Es ist kaum davon auszugehen, dass Lanz in seiner zweiten Staffel auf einmal seinen Charakter hin zum glänzenden Showmaster ändern wird, wenn er das in den sieben Folgen der ersten Staffel schon nicht geschafft hat. Insofern können die Macher von «Wetten, dass..?» inhaltlich tun, was sie wollen – solange Lanz bleibt, wird das alles kaum fruchten. Das Show-Flaggschiff braucht einen selbstbewussten Kapitän mit Elan, Ausstrahlung und Witz, der den Laden zusammenhalten und angemessen repräsentieren kann. Weil so eine eierlegende Wollmilchsau jedoch gerade in heutigen Fernsehzeiten nur schwer zu finden und auch sonst niemand Brauchbares heiß auf den Unterhaltungsthron ist, darf und muss Lanz wohl oder übel erst einmal weitermachen. Die bittere Wahrheit lautet: So schnell findet das ZDF einfach keinen anderen. Nun ist Lanz zwar auch kein Totalausfall, der tatsächlich so schnell wie nur eben möglich ausgetauscht werden müsste, aber er ist nach seiner ersten Staffel leider durchaus als Fehlbesetzung zu bezeichnen. Deshalb wäre das ZDF gut damit beraten, sich zumindest langfristig nach einer Alternative umzusehen. Kurt Krömer wartet schon...
04.10.2013 11:22 Uhr  •  Gregor Elsbeck Kurz-URL: qmde.de/66546