Der Fernsehfriedhof: Die Techno-Hitparade

Quotenmeter.de erinnert an all die Fernsehformate, die längst im Schleier der Vergessenheit untergegangen sind. Folge 254: Die dümmsten Dance-Hits der 90er-Jahre und die Gesangsversuche von Verona Feldbusch und Dolly Buster.

Liebe Fernsehgemeinde, heute gedenken wir einer bunten 90er-Jahre-Music-Show.

«Dance Haus» wurde am 08. März 1995 im MDR Fernsehen geboren und entstand zu einer Zeit, als die Euro-Dance-Welle unaufhaltsam über das Land hinwegzog und die Musikcharts von Künstlern wie Mark 'Oh, DJ Bobo, La Bouche, Rednex und Scooter dominiert wurden. In dieser Zeit entstanden dann auch zeitlose Klassiker wie "Eins Zwei Polizei", „Hyper, Hyper“ und „Max, don’t have sex with your Ex“. Obwohl die zugehörigen Videos häufig bei VIVA oder in der täglichen WDR-Sendung «Hit Clip» gezeigt wurden, fehlte der äußerst erfolgreichen Szene noch eine eigene Plattform im Fernsehen. Dies änderte sich, als der Mitteldeutsche Rundfunk begann, ein regelmäßiges Format zu produzieren, in der die beliebtesten Künstler dieser Sparte auftraten.

Dabei stellten sie nicht nur ihre neuesten Veröffentlichungen vor, sondern konkurrierten zusätzlich um die Gunst der Fernsehzuschauer. Am Ende durften diese nämlich per Telefon bestimmen, welche Interpreten in zwei Wochen noch einmal wieder kommen durften. Dieses Privileg erhielten jeweils die drei Titel mit den meisten Stimmen. Allerdings durfte ein Song maximal dreimal wiedergewählt werden, danach schied er zwangsläufig aus. In jeder Ausgabe waren daher die drei Gewinnertitel sowie eine Handvoll Neuvorstellungen zu sehen. Damit glich der Wettkampfmodus exakt dem der legendären «ZDF Hitparade». Anders als bei der kultigen Vorlage wurden die Live-Sendungen aber nicht aus einem immergleichen Fernsehstudio übertragen, sondern aus wechselnden Großraumdiscos, die im gesamten Sendegebiet des MDRs verteilt waren.

Im Laufe der Zeit durften so Künstler wie Blümchen, E-Rotic, Fun Factory, Mr. President, Future Breeze, Charly Lownoise & Mental Theo, DJ Quicksilver, Interactive, Shahin & Simon, Captain Jack, Culture Beat, Magic Affair, DJ The Crow, Squeezer und Dune ihre Hits im Vollplayback vortragen. Unter den Acts waren aber auch Dieter Bohlen mit seiner damaligen Band Blue System sowie die von ihm produzierte Boygroup Touché dabei. Sogar die spätere «Peep!»-Moderatorin Verona Feldbusch präsentierte mit dem Künstlernamen La Verona einen einfallslosen und zusammengeklauten Sommerhit. Für die größte Aufmerksamkeit sorgte derweil die Pornodarstellerin Dolly Buster, die in einem hautengen Oberteil und Hot-Pants vor dem pubertierenden Publikum ihren gesellschaftskritischen Titel „Make Love (Make No War)“ zum Besten gab. Lyrischer Höhepunkt dieses Werks war die Zeile: „Boom, Boom, Boom is the sound of a gun. Boom, Boom, Boom, but where is my fun?“

Wie es die Musikauswahl bereits vermuten lässt, erfüllte die Show aus heutiger Sicht jedes gängige 90er-Jahre-Klischee. Es gab bauchfreie Girlies mit Felljacken sowie männliche DJs, die in weiten Pullovern wild auf ihren nicht angeschlossenen Keyboards herumschlugen und von überflüssigen Backgroundtänzern mit ausdruckslosen Choreographien umrahmt waren. Serviert wurde all dies in verwackelten und rotierenden Bildern mit schnellen Schnitten. Mit Nils-Uwe Geyer, dem ehemaligen Sänger der Elektro-Pop-Band Komakino, führte zudem ein Gesicht durch die Sendung, das dank zerrissener Jeans, Baseballkappe und einer auf der Nasenspitze sitzenden Sonnenbrille ebenfalls über einen typischen 90er-Look verfügte. Seine Aufgabe beschränkte sich darin, die Künstler kurz anzusagen, wobei er weder besonders motiviert noch wortgewandt wirkte. Auf seinen Namen war es aber zurückzuführen, dass die jeweiligen Gewinner Plüschtiere in Form von Raubvögeln überreicht bekamen.

Obwohl das einstündige Programm den Zeitgeist wie kaum eine andere Produktion einfing und sogar nächtliche Wiederholungsausstrahlungen bei 3sat und im Ersten erhielt, war sie nie ein großer Erfolg. Dennoch bewies der MDR einen langen Atem und ließ sie rund drei Jahre auf dem Schirm. Die Absetzung wurde dann offiziell damit begründet, dass die Quote am Sonntagabend um 18.00 Uhr nicht den erhofften Erwartungen entsprach.

«Dance Haus» wurde am 14. Dezember 1997 beerdigt und erreichte ein Alter von 59 Folgen. Die Show hinterließ unzählige Dance-Acts, die noch heute in meist völlig anderer Besetzung auf diversen 90er-Partys durch deutsche Großraumdiscos ziehen. Übrigens, kurz nach dem Start von «Dance Haus» veranstaltete das ZDF unter dem Namen «Power Vision» ein großes Konzert, auf dem die meisten erwähnten Eurodance-Acts erneut auftraten und das ebenfalls von Nils-Uwe Geyer präsentiert wurde.

Möge die Show in Frieden ruhen!

Die nächste Ausgabe des Fernsehfriedhofs erscheint am kommenden Donnerstag und widmet sich dann der katastrophalen Neuauflage eines wahren TV-Klassikers.
05.09.2013 11:00 Uhr  •  Christian Richter Kurz-URL: qmde.de/65941