Die Qual der Wahl

Worthülsen von der Kanzlerin? Einfache Sprache für das Publikum? Steinbrück zu kompliziert? Dahinter steht ein viel größeres Problem.

Ein Artikel zu dieser Stunde ohne Kommentar zum Kanzlerduell? Das geht in diesem Sonnensystem nicht. Merkel hat sich in Worthülsen geflüchtet und kommt mit diesen einfachen Sätzen scheinbar an. Komplizierte Sachverhalte mit Fachbegriffen diskutieren? Das will ein Großteil der Zuschauer gar nicht hören. Vielmehr verstehen sie es auch nicht. Das ist endlos schade und eine ganz schlimme Entwicklung.

Ich spüre diese Entwicklung schon seit einigen Jahren. Filme werden dümmer. Endlos flache Drehbücher und fettes Marketing. Ein guter Thriller? Viel zu kompliziert und damit schon gleich im Papierkorb der Studiobosse. Musik? Mittlerweile bestehen Popsongs fast gänzlich aus der Hook. Nehmen wir einen einfach verständlichen Satz und wiederholen ihn zwei Minuten mit maximal fünf Tönen. Jeder anspruchsvolle Film ist heute gleich der Indie-Ecke verschrieben. Personen mit Ecken und Kanten haben gar keine Chance mehr auf dem Massenmarkt. Eine geniale Hackfresse wie Harrison Ford hätte heute gar keine Chance mehr auf einer Leinwand. Diese Typen wie Clint Eastwood und Co. waren nicht von Anfang an Coverbilder. Sie schufen geradezu erst neue Männerbilder.

Was wir heute sehen? Diese von Steinbrück beschriebenen Schatullen. Die Schlagzeile zählt. Ein Wahlprogramm der Piratenpartei hat 166 Seiten. Wer will es lesen? Die Konkurrenz der Inhalte ist geradezu gigantisch. Die Aufmerksamkeitsspanne extrem im Keller. Ein Interview über zwei Stunden ansehen? Da gilt man schon als intellektueller Zuschauer. Interessante Reportagen und Dokumentationen? Bestenfalls vor Mitternacht verstreut im Programm zu finden. Was regiert? Trash regiert. Einfachste Witzkonstruktionen sind so erfolgreich wie nie zuvor. Auf der einen Seite haben wir Cindy und Mario und dann das Kabarett. Die Schere bei der Qualität ist extrem aufgegangen.

Den Machern kann man hier gar keinen Vorwurf machen. Es verkauft sich nun einmal gut. Nur gibt es auch Sender und Entscheider. Es gibt Chefs und Journalisten. Die Kanalbetreiber entscheiden hier an einer wichtigen Stelle. Warum nicht einmal die interessante Doku zur besten Sendezeit gegen TrashTV senden? Warum nicht einmal dem Publikum Qualität vorsetzen? Warum dem Trash nachlaufen? Warum nicht doofe Kost durch gutes Essen ersetzen?

Schlechtes Essen schmeckt irgendwann. Warum? Weil man gutes Essen nicht mehr erkennt.

01.09.2013 23:30 Uhr  •  Rob Vegas Kurz-URL: qmde.de/65868