360 Grad: Maxximal Capacity?

Die Fragmentierung geht weiter: Im September startet ProSieben Maxx. Wir leben in der Zeit der Spartensender. Ein Kommentar von Julian Miller.

Die Fragmentierung hat in den letzten Jahren mächtig zugeschlagen. Kurioserweise zu einem beachtlichen Teil auch durch die großen Senderketten selbst. Die Öffentlich-Rechtlichen leisten sich (derzeit noch) jeweils drei Digitalsender; RTL hat neben seinen Living-, Crime- und Passion-Kanälen ein RTL Nitro etabliert, und ProSiebenSat.1 ging – vermutlich noch ein wenig im Siegestaumel nach dem fulminanten sixx-Erfolg – im letzten Winter mit Sat.1 Gold on air. Bald kommt noch mehr Zuwachs: ProSieben Maxx, ein Sender für Zuschauer mit Klöten von 30 bis 59.

Die Logik dahinter ist nachvollziehbar: Wenn einem schon die Zuschauer davonrauschen und die Marktanteile langsam, aber sicher immer kleiner werden, stellt man ein paar Eimer um die Löcher im Fass, um diese Zuschauer gewissermaßen selbst auffangen zu können, bevor sie zu Tele 5 rüberschwimmen oder – Gott bewahre – sich ganz vom Fernsehen als Leitmedium verabschieden.

Das bisherige Fischen im Fragmentierungsteich war dabei für die Privatsender durchaus erfolgreich. Sixx und Sat.1 Gold haben sich wie RTL Nitro in ihren jeweiligen Referenzzielgruppen so weit etabliert, wie sich Spartensender in diesen Zeiträumen eben etablieren können.

Gut möglich, dass dieser Erfolg mitunter den eindeutig definierten und verhältnismäßig eng definierten Zielgruppen und den klaren Brandings, speziell über die einschlägigen Social-Media-Plattformen, geschuldet ist.

Das Aufgeben der 14-bis-49-Jährigen als harte Währung vereinfacht natürlich die Erfolgsmeldungen – wenn man sich die Schlacht aussuchen kann, in der man sich messen lassen will, wird man ein Terrain auswählen, mit dem man umgehen kann.
Natürlich sind Spartensender mit eigenen Kernzielgruppen keine neue Erfindung. Doch ihre wachsende Anzahl ist, neben den heute deutlich einfacheren technischen und administrativen Möglichkeiten ihrer Etablierung, ein Ausfluss der Fragmentierung der Zuschauergewohnheiten. Es lässt sich einfacher branden, wenn man nicht alles von 14 bis 49 mitnehmen muss, sondern seine Klientel-Claims engmaschiger abstecken kann – auch wenn die Aufdröselung der Referenzzielgruppen Branchenbeobachter in den Wahnsinn treibt, weil senderübergreifende Vergleiche damit kaum noch möglich sind.

Natürlich kann man auch mit einem sehr weit gefassten Zielpublikum immer noch sehr erfolgreich sein. Beispiel RTL. Doch einen Sender dieser Größenordnung und Akzeptanz heute zu etablieren, wäre wohl ein Ding der Unmöglichkeit. Für neue Sender heißt das: Finde deine Nische, finde eine Marktlücke, finde einen netten, gerne selbstironischen Ansatz, um eine imagekonforme, sympathische Dauerkampagne quer durch Twitter und Facebook fahren zu können. Sixx hat es vorgemacht, Sat.1 Gold hat Teile davon erfolgreich nachgemacht. Wobei es natürlich nicht überraschend ist, dass der Twitterkanal von sixx nahezu das Hundertfache an Followern vorweisen kann wie der Account von Sat.1 Gold. Bei Facebook sieht die Ratio ähnlich aus. Doch bei beiden Sender weiß man, wie man seine Zuschauer erreicht, weil man zielgenaue Kampagnen fahren kann. Vollprogramme tun sich da manchmal schwerer.

Bei ProSieben Maxx heißt eine der Nischen: hochwertige US-Serien im Original. Für ein Vollprogramm undenkbar. In der Prä-DVD-Zeit hätte dieses Angebot eine wahrscheinlich noch größere eingeschworene Community als heute förmlich elektrisiert – und zwar nicht nur in Kontinentaleuropa gestrandete Angelsachsen. Man mag ein wenig skeptisch sein, ob dieses Angebot in Zeiten der stark vereinfachten Zugriffsmöglichkeiten auf US- und UK-Serienware noch angenommen wird – andererseits fährt auch so manche US-Serie im Free-TV in synchronisierter Form auch heute noch wahre Traumwerte ein.

Ob ProSieben Maxx die Erfolgsgeschichte der ProSiebenSat.1-Spartensender fortschreiben wird, wird sich zeigen – und auch ein Indiz dafür sein, wie viele Spartensender der Markt aufnehmen kann, bevor die Aufteilung der Zuschauer so weit geht, dass ihr Betrieb unrentabel wird.

Fehlt ja nur noch dieses geile Volks.TV von Helmut Thoma.

Mit dieser Ausgabe geht 360 Grad in die Sommerpause und meldet sich am Freitag, den 16. August mit einer neuen Ausgabe zurück.
26.07.2013 03:43 Uhr  •  Julian Miller Kurz-URL: qmde.de/65150