«RTL Nachtjournal»-Doppelinterview: „Politik ist nicht dröge!“

2014 feiert das «RTL Nachtjournal» sein 20-jähriges Jubiläum. Ein Gespräch mit Frederik Pleitgen und Ilka Eßmüller.

Ich glaube, ich war schon quasi von jedem Journalist in Deutschland mal der Praktikant.
«RTL Nachtjournal»-Moderator Frederik Pleitgen
Ilka Eßmüller, es ist Wahljahr – Goldgräberstimmung für Nachrichtensendungen?
Ja, da haben wir sehr viel zu tun. Ein Wahljahr ist natürlich immer besonders interessant für uns. Wie schafft man es, die Leute zum Wählen zu bringen und dafür zu interessieren? Das ist ja wichtig in einer Demokratie. Wir haben da zum Beispiel vor Wahlen immer eine Reportage-Reihe «Unterwegs mit…», in der ich Politiker einen Tag lang begleite. Wir schaffen es bei den Drehs häufig Situationen einzufangen, die Facetten der Person zeigen, die man sonst nicht sieht. Die Reportagen, für die wir uns in der Sendung viel Zeit nehmen, kommen bei den Zuschauern sehr gut an. Wir werden natürlich während des Wahlkampfes auch mit den Spitzenleuten der Parteien spezielle Interviews führen und in den regulären Beiträgen kommen die Wahl-Themen auch vor. Da haben wir uns einiges vorgenommen.

Frederik Pleitgen, haben Sie sich denn mittlerweile gut eingelebt?
Ja, ich mache das ja eine Woche im Monat, bin sonst noch bei CNN. Aber ich bin da super aufgenommen worden. Ich habe mein erstes Fernsehpraktikum beim «Nachtjournal» bei Heiner Bremer gemacht. Daher kenne ich die alle noch. Das war sozusagen ein „Home-Coming“ für mich. Ich würde sagen, dass etwa 80 Prozent der Leute noch die gleichen sind. Das «Nachtjournal» zeichnet sich dadurch aus, dass die Leute da auch sehr lange bleiben, weil es eben eine coole Redaktion ist (lacht). Es ist aber schon eine Umstellung. Sonst mache ich viel Live-Berichterstattung, also nicht gescripted, nicht Anchor, sondern Reporter. Das ist schon ein großer Unterschied. Ich bin ja sonst nur in Kriegsgebieten unterwegs gewesen.

Das klingt aber auch nach Herausforderung…
Frederik Pleitgen:
Ja, das ist eine andere Herausforderung. Aber in gewisser Hinsicht, gibt es eben auch Sachen, die da einfacher sind und welche, die schwieriger sind. Aber ich musste mich da nicht um mein Aussehen kümmern, da man da im Kriegsgebiet eh froh war, wenn man überhaupt die Schalte hingekommen hat. Wo man dann wie im Studio hingeht oder wie man ganz natürlich vom Teleprompter abliest, ist etwas anderes. Ich mache das jetzt immer eine Woche im Monat, war dann zuletzt für CNN in Syrien, London und die letzten Tage in Russland – war auf der Suche nach Snowden. Das ist schon eine gute Mischung.

Frau Eßmüller, wie muss man Nachrichten verpacken, um auch jüngere Zielgruppen zu erreichen?
Wichtig ist, dass wir herausarbeiten, wie Themen und Entscheidungen Leute betreffen, was Entscheidungen für Konsequenzen haben. Auch Politik muss man eben plastischer machen. Man muss es nah an den Leuten erzählen und vermitteln, was die Auswirkungen sind. Wenn man das nicht macht, kann man kein Interesse wecken. Man muss es lebendig verpacken, Politik ist ja nicht dröge (lacht).

Auch im ersten Halbjahr 2013 war Ihr News-Magazin in der Zielgruppe der 14- bis 59-Jährigen Marktführer – Was ist das Geheimnis des Erfolgs?
Ilka Eßmüller: Ich glaube, dass wir es schaffen, ein paar extra Informationen zu bieten, die man sonst bei anderen Nachrichten – egal bei welchen – nicht finden würde. Das gilt auch für die Bildsprache, da sind die Kollegen sehr kreativ. Musik benutzen wir; nicht in jedem Beitrag, aber mit Musik können Stimmungen und Informationen unterstützt werden. Außerdem setzen wir ganz bewusst auch eigene Themen. Bei uns sehen die Leute zum Tagesabschluss die wichtigsten Nachrichten mit Hintergründen, aber noch viel mehr. Außerdem versuchen wir, die Leute immer mit einem guten Gefühl ins Bett zu schicken, weil es davor ja leider oft um Themen geht, die sich um die ganzen Probleme auf der Welt drehen. Neulich hat eine Kollegin den derzeitigen Doppel-Surfweltmeister auf Gran Canaria besucht, der an einem steinigen Strand dort aufgewachsen ist. Tolle Bilder, tolles Lebensgefühl. Über Helmut Schmidt, der ja angeblich Menthol-Zigaretten bunkert, haben wir kürzlich eine Schmonzette gemacht. So sagen wir dann gute Nacht. Insgesamt binden wir die Zuschauer und ihre Lebenswelt sehr ein und richten unsere Beiträge so aus, dass man als Zuschauer weiß, was bestimmte Dinge für Folgen haben.

Welche Rolle spielen die Einschaltquoten?
Ilka Eßmüller:
Da müssen wir uns nichts vormachen, natürlich sind die Quoten immer wichtig. Aber das hält uns nicht davon ab, Themen, die wir gut finden, nicht zu machen… bloß, weil man befürchten könnte, sie laufen nicht perfekt. Da muss man auch Mut haben. Wir schauen immer, welche Themen relevant sind.

Zu den relevanten Themen zählen bekanntlich auch Reportagen aus Kriegsgebieten. Herr Pleitgen, inwieweit wollten Sie durch den neuen Anchor-Job zurück in die „sicherere“ Studio-Umgebung?
Ich will mich natürlich immer weiter entwickeln. Das gehört auch dazu, wenn man den Weg zum Fernsehen geht. Da versucht man alle Facetten mitzunehmen. Ich war schon Reporter, war in der Nachrichtenredaktion oder Chef vom Dienst bei n-tv. Ich glaube, ich war schon quasi von jedem Journalist in Deutschland mal der Praktikant (lacht).

Wann sind Sie aufgeregter? Bei Live-Schalten in Kriegsgebieten oder im RTL-«Nachtjournal»-Studio?
Frederik Pleitgen
: In Köln. Bei Live-Schalten in Damaskus ist man schon froh, wenn es überhaupt zu einer Schalte gekommen ist. Da ist einem dann alles andere egal. In solchen Ländern kann immer etwas schief gehen. Teilweise steht die Leitung zehn Sekunden vor der Schalte nicht oder man hört den Moderator nicht – oder die hören einen nicht. Aber solche Sachen nimmt einem die Nervosität. Und ich habe bestimmt schon so 6.000 Schalten gemacht. Gerade bei n-tv, wo ich früher war, oder bei CNN. Da schaltet man super viel.

Warum sind Sie dann nicht ganz zu RTL gewechselt?
Frederik Pleitgen
: Ich finde meinen Job bei CNN immer noch super. Man sieht viel von der Weltgeschichte und ist gleichzeitig noch ein bisschen Guerilla-mäßig unterwegs. Man reist immer in kleinen Teams und letztlich stellt einem ein Dreh in Syrien zum Beispiel vor ganz andere Herausforderungen als bei einem Dreh hier. Ich mache jetzt zum Beispiel auch einen Arabisch-Kurs, da die Sprache natürlich auch wichtig ist.

Das könnten Sie aber auch alles bei RTL machen…
Frederik Pleitgen
: Ja, das kann ja noch kommen und muss sich langsam entwickeln. Aber CNN ist ja auch Partnersender von RTL, also passt das. Ich glaube zudem, dass es eine solche Kooperation in dieser Form noch nicht gab.

Schauen Sie sich Ihre Sendungen eigentlich selbst nochmal an?
Frederik Pleitgen
: Ja, das ist schon komisch. Aber man muss sich wirklich immer selber im Fernsehen anschauen, da sich leider immer wieder Sachen einschleichen, die einem sonst vielleicht nicht auffallen. Das gilt auch für die Persönlichkeit. Das ist schon wichtig sich da selbst zu kontrollieren. Da muss man auch sagen: Ich suche mir jetzt die Fehler raus – ohne sich selbst anzuhimmeln. Das alles ist ein laufender Prozess.

Verändern Ihre Erfahrungen als Kriegsreporter Ihre Sichtweise auf Deutschland oder Ihr Leben allgemein, Herr Pleitgen?
Frederik Pleitgen
: Tatsächlich, Deutschland kommt einen sehr schön vor (lacht). Man geht natürlich viel gelassener in den Alltag. Sachen wie ein möglicher Jobverlust sieht man schon etwas gelassener, wenn schon mal jemand auf Dich geschossen hat. Das erdet einen.

Vielen Dank für das Gespräch, Ilka Eßmüller und Frederik Pleitgen.
12.07.2013 11:10 Uhr  •  Benjamin Horbelt Kurz-URL: qmde.de/64899