Die Kritiker: «Dallas: Alles oder gar nichts mehr»

Eine Legende geht: In der jüngsten «Dallas»-Episode hat Larry Hagman seinen letzten Auftritt. Weiß der Abschied des ikonischen TV-Schurken J.R. zu überzeugen?

Inhalt

Hinter den Kulissen

  • Original-Episodentitel: «The Furious and the Fast»
  • Regie: Rodney Charters
  • Drehbuch: Julia Cohen
  • Schnitt: Adam Bluming
Während sich J.R. Ewing aufgrund eines wichtigen Vertragsabschlusses in Abu Dhabi befindet, hält die Führungsetage von Ewing Energies ihr erstes Meeting mit ihren beiden neuen Mitgliedern, Sue Ellen Ewing und Pamela Barnes, ab. Bei diesem Treffen kommt es zu harschen Strittigkeiten über die Frage, ob J.R.s Sohn die alleinige und allumfassende Kontrolle über das Unternehmen erhalten sollte. Da eine Einigung unmöglich scheint, wird schlussendlich beschlossen, dass das Abschneiden des firmeneigenen, umweltfreundlichen Rennwagens bei einem demnächst anstehenden Wettrennen über die strittigen Fragen entscheiden soll.

Derweil bekommt Bobby Ewing Besuch von einem alten Weggefährten, der von seinen neusten finanziellen Problemen und der dadurch ausgelösten Ehekrise berichtet ...

Darsteller
Josh Henderson («Desperate Housewives») als J.R. Ewing III 
Jesse Metcalfe («Desperate Housewives») als Christopher Ewing 
Jordana Brewster («Chuck») als Elena Ramos 
Julie Gonzalo («Voll auf die Nüsse») als Pamela Rebecca 
Brenda Strong («Desperate Housewives») als Ann Ewing 
Patrick Duffy (Original-«Dallas») als Bobby Ewing 
Linda Gray (Original-«Dallas») als Sue Ellen Ewing
Larry Hagman (Original-«Dallas») als J.R. Ewing 

Kritik
Ein Stück Fernsehgeschichte, das Zuschauer gerne noch weiter aufgeschoben hätten: Mit der siebten Episode der zweiten Staffel von TNTs «Dallas»-Revival ist er gekommen, der endgültige Abschied des denkwürdigen Fernsehschurken J.R. Ewing und seinem beliebten Darsteller Larry Hagman. J.R. war bereits einmal im Laufe der Originalserie von 1978 Opfer eines Anschlags – damals sorgten die Serienmacher für Aufsehen, als sie den populären TV-Fiesling töteten und einen ausführlichen Handlungsbogen um die Suche nach den Täter erschufen. Die Auflösung wurde von rund 90 Millionen US-Zuschauen verfolgt, es war ein nationales Rätsel, wer diesen genialen Schurken angriff.

Dieses Mal ist es jedoch kein simpler Streich der Serienautoren, wenn J.R. ein weiteres Mal niedergeschossen wird. Denn am 23. November 2012 erlag Larry Hagman seinem Krebsleiden und aus Respekt an der Fernsehikone ließ man mit ihm auch seine Rolle davongehen. Man kann sich diese überlebensgroße Rolle, die man so liebend gerne hasst, auch schlichtweg nicht ohne Hagman vorstellen, eine Umbesetzung wäre eine vorprogrammierte Katastrophe. Aus Ehrfurcht vor Hagman vermied es das Team rund um Cynthia Cidre, die Strippenzieherin hinter der neuen «Dallas»-Serie, auch, den letzten Auftritt Hagmans zu sehr aufzubauschen. Aus dem Tod J.R.s spinnen die Autoren selbstredend einen die Richtung der Serie ändernden Handlungsbogen und die erste Folge ohne Hagman zollt ihm und seiner Figur Tribut – J.R.s Abgang allerdings geschieht als Teil einer ganz regulären «Dallas»-Episode. Und bedauerlicherweise stand vor Hagmans unerwartetem Tod eine äußerst träge Folge auf dem Plan, die in J.R.s Abschiedsvorstellung umgewandelt wurde.

In der Folge „Alles oder gar nichts mehr“ bekommen «Dallas»-Zuschauer zu spüren, mit welcher Mühe die Serienmacher zum Mitttelpunkt der zweiten Staffel die verschiedenen Storyfäden vorantreiben und die Figuren für neue, aufregendere Situationen in Stellung bringen. Die anfangs gezeigte Sitzung der Ewing Energies-Geschäftsführung wird vollkommen überinszeniert, durch den Einsatz von Zeitlupe und stylischer sowie dramatischer Musik wird eine Erwartungshaltung geschürt, an die das beliebige Gezanke der Figuren nicht im Geringsten heranreicht. Und auch wenn die Idee, den Zwist der Ewing-Geschäftsleitung anhand eines Wettrennens zu entscheiden, typisch für die Figuren ist, so ist es gleichermaßen ein forciertes Mittel der Showrunner, ein in den TV-Promos fesch aussehendes Rennen in die Handlung einzubauen. Das Rennen wirkt mit dem Brecheisen in die Story geprügelt, es ist nicht ausreichend mit den restlichen Plots verbunden. Eine dieser restlichen Plots widmet sich zum Beispiel Drew, der den Tod seines Vaters beklagt – die Dialogwechsel, die der von Kuno Becker recht sympathisch gespielte junge Erwachsene hier von sich gibt, gab es jedoch bereits in mehreren früheren Episoden in ähnlicher Form, weshalb dieser Nebenplot für regelmäßige Zuschauer mittlerweile sehr ermüdend sein dürfte. Auch die dauernden, aus heiterem Himmel kommenden Meinungswechsel von Julia Gonzalos Rolle Pamela Rebecca, ob sie nun J.R.s Sohn den Rücken stärkt, ziehen die Episode nach unten. Das dauernde Formen neuer Allianzen gehört zwar zum Sehvergnügen des Original-«Dallas» und auch dieses Revivals, bloß mangelt es im Falle von Pamela an den erstaunlichen oder dramatischen Gründen für solche Meinungsänderungen, weshalb sie wie eine unentschlossene, jammernde Minderjährige wirkt.

Zu den raren überzeugenden Momenten abseits des großen Twists (der eigentlich gar keiner ist, da ja nahezu alle Zuschauer von J.R.s Abgang wissen) gehören Patrick Duffys wenige Szenen mit Ted Shackelford als Gary Ewing. Die beiden Urgesteine harmonieren in ihren Dialogszenen großartig miteinander und unterfüttern die für diese Primetime-Soap unverzichtbaren Familienleiden und -intrigen mit dringend notwendiger schauspielerischer Glaubwürdigkeit, sie vermitteln das Gefühl, dass in der Ewing-Famile auch so etwas wie ein Familiensinn herrscht. Selbiges gilt auch für Brenda Strong, die einmal mehr ihre mütterliche, fürsorgliche Ausstrahlung (sowie die dahinterliegende Feistigkeit) unter Beweis stellen darf.

Beeindruckend ist zudem, wie J.R.s Szenen in diese Folge eingebaut wurden: Durch Hagmans verfrühtes Ableben standen den Serienverantwortlichen lediglich Deleted Scenes und Outtakes früherer Episoden zur Verfügung, die jedoch mit äußerster Sorgfalt aneinandergereiht wurden, so dass man sich diesem Fakt bewusst sein muss, um dies zu bemerken. Im Originalton fliegt diese kleine Mogelei etwa durch den plötzlichen Wechsel in der Stärke von Hagmans Stimme auf, was in der synchronisierten Fassung aber naturgemäß nicht bemerkbar ist. Die Serienmacher gönnen J.R. zum Abschied nochmal einen herzlichen, rührenden letzten Moment, ehe mit einem Knall die Geschichte dieses ikonischen Schurken beendet wird.

Dass «Dallas: Alles oder gar nichts mehr» J.R. Ewing und Larry Hagman nicht gerecht wird, war praktisch vorherzusehen. Es hätte ein kleines televisionäres Wunder benötigt, den improvisierten letzten Auftritt von Hagman und seiner berühmten Serienfigur zu einem großartigen letzten Vorhang zu machen. Aber auch als normale Folge des «Dallas»-Revials ist diese Episode eine träge, durch bemühte Dialoge erzählte Angelegenheit. Figuren, allen voran Pamela, ändern ihre Meinung nach Gutdünken, Zwistigkeiten geschehen nach pro forma und das große Rennen, das ein Highlight sein sollte, fühlt sich ins Geschehen gezwängt und schlussendlich auch unbedeutend an. Wie schon in einigen anderen Episoden dieses Revivals liegt es an einem im Laufe der ersten Staffel darstellerisch gereiften Josh Henderson und der älteren Garde, die Kastanien aus dem Feuer zu holen. Im Falle von Larry Hagman bedauerlicherweise ein letztes Mal.

Die Episode «Dallas: Alles oder gar nichts mehr» ist am Montag, dem 27. Mai 2013, ab 20.15 Uhr bei Super RTL zu sehen.
27.05.2013 08:00 Uhr  •  Sidney Schering Kurz-URL: qmde.de/63996