Fünf US-Piloten, die unbedingt in Serie gehen müssen

In den kommenden Tagen stehen die Upfronts an. Dann entscheidet sich nicht nur, welche Formate verlängert werden, sondern auch, welche neuen Serien uns erwarten. Unser Wunschzettel für die nächste Woche.

Noch steht nicht endgültig fest, welche neuen Serien uns ab Herbst mit spannenden und lustigen Geschichten fesseln dürfen. Grund genug, einen letzten Blick auf die zahlreichen Pilotprojekte zu legen, die in den vergangenen Monaten bei US-Sendern getestet wurden. Wir haben fünf Formate herausgesucht, die unserer Meinung nach eine Serienbestellung verdienen. Nicht berücksichtigt wurde dabei das Network FOX, das bereits bekanntgegeben hat, welche neuen Formate die Zuschauer demnächst erwarten dürfen.

«Gothica» (ABC)
Angespornt vom Fantasy-Erfolg um «Once Upon A Time», könnte ABC im kommenden Herbst das Reich der Horrorfiguren entstauben: Legenden wie Frankenstein, Dracula und Dorian Gray sollen als moderne Reinkarnationen die Fernsehbildschirme unsicher machen – in einer als „sexy Gothic Soap“ beschriebenen Serie, die wie «Once Upon a Time» nicht in der Vergangenheit, sondern in der Gegenwart spielt. In «Gothica» geht Playboy Dorian Gray mit seiner Freundin Grace van Helsing auf Spurensuche nach den Mördern ihrer Familie, während der brillante Doktor Victor Frankenstein versucht, seine Tochter Anna wieder zum Leben zu erwecken.

Klingt verrückt? Hoffentlich – denn genau deswegen ist «Gothica» ein interessanter Pilot unter vielen gewöhnlichen Network-Procedurals, wie beispielsweise dem nächsten «NCIS»-Spinoff. Auch der Cast verspricht viel: Der britische Schauspieler Tom Ellis, bekannt aus Serien wie «EastEnders» und «Miranda», wurde gecastet für die Rolle des Frankenstein. In weiteren Rollen sind Raza Jaffrey («Smash») und Chris Egan («Kings») zu sehen.

Prognose: Die Chancen für eine Serienbestellung schätzten die Brancheninsider von Deadline Hollywood zuletzt nur mäßig ein. Am wahrscheinlichsten sei eine Bestellung für die Midseason, damit verbunden also eine kurze erste Staffel. Gegen das Projekt könnte sprechen, dass im vergangenen Jahr der thematisch ähnliche Film «Dark Shadows» an den Kinokassen floppte.

«Big Thunder» (ABC)
Ebenfalls bei ABC entsteht ein historisches Drama über einen New Yorker Arzt, der die Chance seines Lebens gekommen sieht: Von großem Geld und einem mysteriösen Tycoon angelockt, zieht Dr. Gavin Kelly mit seinen beiden Kindern in die Minenstadt des Big Thunder Mountain, quasi am Rande der Zivilisation gelegen. Die Idylle, die der Familie versprochen wird, entpuppt sich aber schnell als waghalsiges Abenteuer – um skurrile Einwohner und um den verwunschenen Big Thunder Mountain.

Inspiriert wird das Serienprojekt von der gleichnamigen Achterbahn-Attraktion in den Disney-Themenparks – und steht damit in der Tradition von Kinofilmen wie «Pirates of the Caribbean». «Big Thunder» spielt in der Zeit um 1890 und dürfte damit auch für Western-Fans interessant sein. Im Pilot spielten unter anderem Ed MacLiam («EastEnders») und Alex Meraz («Twilight»-Franchise), Drehbuchautor ist Jason Fuchs («Fast and Furious»-Franchise).

Prognose: «Big Thunder» steht offenbar auf der Prioritätsliste der neuen Drama-Serien von ABC nicht ganz oben, soll aber laut US-Medien gute Chancen auf eine Serienbestellung haben. Für die Serie spricht der Hintergrund der Disney-Attraktion – sollte sich das Experiment «Big Thunder» als Erfolg herausstellen, hätte ABC viel Themenpark-Material für ähnliche Projekte. Gegen eine Bestellung spricht, dass in den vergangenen Jahren fast alle sogenannten „period dramas“ – also Serien, die in einer bestimmten historischen Zeit spielen – im Networkfernsehen gefloppt sind.

«The Returned» (ABC)
Wie würden Sie reagieren, wenn Ihre geliebten Verstorbenen urplötzlich wieder vor Ihrer Haustüre stehen, als wäre nichts gewesen? Dieser Frage geht das Drama «The Returned» nach, das derzeit ebenfalls bei ABC in Entwicklung ist. Die Story fokussiert sich auf die Familie Hargrave, deren achtjähriger Sohn – vor drei Jahrzehnten gestorben – plötzlich im besten Kindesalter wieder auftaucht und ihre rationale Weltanschauung von einem Moment auf den anderen zusammenbrechen lässt – wie die von Menschen auf der ganzen Welt, die ein ähnliches Schicksal erleben. Agent Martin Bellamy, der eigentlich einen Fall von Kinderhandel aufklären will, geht dem Mysterium nach.

Nicht nur die Prämisse dieses ABC-Piloten klingt erfrischend und hochkarätig, sondern auch der Cast: Agent Bellamy wird gespielt von Omar Epps, der jahrelang als Dr. Eric Foreman in «House» brillierte. In einer weiteren Rolle ist Kurtwood Smith zu sehen (Red Foreman aus «Die wilden 70er»). Das Format basiert auf einem Roman und verspricht damit, deutlich mehr als ein simples Procedural mit rotem Faden zu werden.

Prognose: Laut Deadline Hollywood soll «The Returned» der heißeste Favorit aller Drama-Piloten sein, die ABC in dieser Saison bestellt hat. Damit dürfte so gut wie feststehen, dass die ungewöhnliche Familien- und Detektivgeschichte im Herbst auf die US-Bildschirme kommt.

«Anatomy of Violence» (CBS)
„Ein Kriminalpsychologe mit Gespür für Soziopathen muss mit einer Detektivin zusammenarbeiten, mit der er eine konfliktreiche Vergangenheit hat.“ Diese Prämisse hört sich nicht wirklich innovativ und spannend, sondern eher altbacken an. Was aber sehr hohe Erwartungen wecken lässt, sind die Macher von «Anatomy of Violence»: Ausführende Produzenten des Krimi-Dramas sind Howard Gordon, Alex Gansa und Alex Cary, die Erfinder und Produzenten des anspruchsvollen Serienhits «Homeland». Dort haben sie unter Beweis gestellt, wie einfallsreich und spannend Fernsehen heute sein kann – und welches Gespür sie für weibliche Krimi-Charaktere haben, die sonst oft im Schatten der stereotypen Belanglosigkeit verschwinden.

Bei «Anatomy of Violence» dürfte dies anders sein – und spätestens seit «Person of Interest» (und den ebenfalls interessanten Piloten «Hostages» und «Intelligence») traut man dem Network CBS in diesem Genre wieder mehr zu. Die Hauptrollen im Pilot wurden gespielt von Skeet Ulrich («Jericho», «Law & Order: LA») und Amber Tamblyn («House», «Joan Of Arcadia»).

Prognose: Bisher halten sich US-Medien mit Gerüchten über mögliche Serienbestellungen bei CBS äußerst bedeckt. Deadline Hollywood spekuliert wegen zahlreicher guter Comedy-Piloten auf eine Ausweitung dieses Genres im Sendeplan – dies würde die Chancen für die ohnehin knappen Sendeplätze im Drama-Bereich noch verringern. Mit einem «NCIS»-Spinoff und einer TV-Adaption der «Beverly Hills Cop»-Reihe hat «Anatomy of Violence» zudem äußerst prominente Konkurrenz. Für die Serie spricht daher nur ihre vermeintlich hohe Qualität angesichts des «Homeland»-Teams hinter den Kulissen.

«Reign»
Eine Serie beim Network The CW ohne übernatürliche Elemente, die auch noch in der frühen Neuzeit spielt? Dieses utopische Szenario könnte im Herbst Wirklichkeit werden: mit «Reign», einem Geschichtsdrama über den Aufstieg der schottischen Königin Maria Stewart im 16. Jahrhundert. CW-typisch werden die Teenager-Jahre der Königin beleuchtet, als sie am französischen Hof unterrichtet wird und den Thronfolger Dauphin heiratet. Der Pilotfilm verspricht dunkle Mächte und sexuelle Intrigen, die in «Reign» thematisiert werden.

Hochspannend ist dieses Format vor allem, weil es völlig untypisch für die Strategie des Networks The CW ist, das zuletzt auf übernatürliche Romanzen und Teenager-Soaps in der Gegenwart setzte. Eine erste Abkehr dieser Strategie stellte das Superhelden-Drama «Arrow» dar, das auf Anhieb zur erfolgreichsten Serie des Senders wurde. Damals wurde von einigen Branchenbeobachtern ein peinlicher Flop vorhergesagt – wie nun auch bei «Reign». Sollte man mit diesem Projekt dennoch erfolgreich sein, könnte sich CW weiter ermutigt fühlen, vom bisherigen Image Abstand zu nehmen und noch mehr mutige Experimente zu wagen. Die Hauptrolle in «Reign» spielt die australische Newcomerin Adelaide Kane, die zuletzt in einer Episodenrolle bei «Teen Wolf» zu sehen war.

Prognose: Der Pilotfilm wurde von Medieninsidern nur durchschnittlich aufgenommen. «Reign» fehle eine klare Zielgruppe – weder die anspruchsvollen «Tudors»-Zuschauer noch die typischen CW-Fans würden angesprochen, so die Kritik. Unabhängig davon scheint eine Serienbestellung relativ wahrscheinlich, wie Deadline Hollywood berichtet. CW muss schlicht viele Sendeplätze füllen.

Comedys: Abseits der Drama-Serien befinden sich zahlreiche interessante Comedy-Projekte in Entwicklung. Besonderes Augenmerk liegt dabei auf NBC, das sich im Genre erneuern will und satte 15 Comedy-Piloten bestellt hatte. Neun davon gehen vermutlich in Serie – darunter die neue Sitcom mit Michael J. Fox, der zwölf Jahre nach dem Ende von «Spin City» wieder eine Hauptrolle in einer TV-Serie annimmt.

Äußerst viel Aufmerksamkeit bekommt in US-Medien auch die NBC-Comedy «About A Boy», die auf Nick Hornbys Roman basiert und bereits 2002 als Kinofilm mit Hugh Grant verfilmt wurde. Die Hauptrolle spielt David Walton, bekannt aus «New Girl». Ebenfalls in Entwicklung befindet sich eine CBS-Serienadaption des Kinofilms «Bad Teacher», der mit Cameron Diaz und Justin Timberlake im vergangenen Jahr zum Erfolg wurde. Interessant klingt zudem der ABC-Pilot «The Goldbergs», in dem «Curb Your Enthusiasm»-Star Jeff Garlin mitwirkt. Die Comedy wird beschrieben als 80er-Familienserie im Stil von «Wunderbare Jahre».

Drei große Hollywood-Namen könnten sich im kommenden Herbst eventuell ebenfalls die Ehre geben: «Harry Potter»-Star Rupert Grint spielt die Hauptrolle in einer Superhelden-Comedy namens «Super Clyde», außerdem sind Robin Williams und Sarah Michelle Gellar bei «Crazy Ones» im Einsatz – sie spielen ein verrücktes Vater-Tochter-Duo in einer Werbeagentur. Beide Formate befinden sich bei CBS in Entwicklung.
12.05.2013 11:01 Uhr  •  Jan Schlüter Kurz-URL: qmde.de/63701