«Scandal»: Shonda Rhimes wird erwachsen

Die Serie hebt sich klar von bisherigen Formaten wie «Grey's Anatomy» ab. Was die Schöpferin anders macht und warum es gut ist...

Jahrelang waren Serien wie «Grey’s Anatomy» oder «Private Practice» Quotengaranten. Eingeschaltet haben überwiegend Frauen. Vor allem weil die Charaktere so menschlich waren, so nachvollziehbar. Weil Shonda sie immer wieder vor emotionale Fragen gestellt hat, die Frauen aus ihrem eigenen Leben kennen. Eines hatten die Figuren in Rhimes Serien dabei immer gemeinsam: Sie waren gut. Helden, die versucht haben, ihr Leben auf die Reihe zu kriegen, ohne dabei über Leichen zu gehen. Und genau das ist bei Rhimes neuer Serie «Scandal» anders.

Die Protagonistin Olivia Pope ist schwarz und der größte politische „Fixer“ in Washington. Sie wird angerufen, wenn die Dinge nicht so laufen, wie sie sollen - und kümmert sich darum. Dabei hilft ihr ein Team von Mitarbeitern, ihre „Gladiatoren in Anzüge“, die ihr zuarbeiten. Und das kann auch schon einmal heißen: jemanden verschleppen, jemanden umbringen oder im besten Fall nur ein bisschen lügen und betrügen. On Top hat Olivia eine Affäre mit einem verheirateten Mann: dem Präsidenten der Vereinigten Staaten von Amerika. Und der ist nicht schwarz, sondern weiß.

Shonda Rhimes kann «Scandal» genau so on the edge schreiben, wie sie es tut, weil sie nichts zu verlieren hat. «Grey’s Anatomy» läuft nach wie vor erfolgreich. «Private Practice» endete jetzt nach der sechsten Staffel. Ein guter Zeitpunkt, um neue Wege zu gehen und sich etwas zu trauen. So hat jede Figur in «Scandal» ihr kleines schmutziges Geheimnis. Jeder hat ein Verbrechen begangen – niemand ist nur gut. Und trotzdem stehen wir auf der Seite von Olivia und ihrem Team.

Dass Olivia die Geliebte eines verheirateten Mannes ist, tut unserer Sympathie dabei keinen Abbruch – weil Rhimes die Geschichte aus ihrer Sicht erzählt. Wir sind dabei, wenn Olivia sich verliebt. Wir spüren die magnetische Anziehungskraft zwischen ihr und dem Präsidenten hautnah. Und wir können sie verstehen. Genauso wie Olivias Mitarbeiter, die ihr gegenüber absolut loyal sind. Aber nicht ohne Grund. Denn Olivia hat jedem Einzelnen aus einer schwierigen Situation herausgeholfen und dabei immer auch ein Verbrechen vertuscht. Oder um in ihrem Jargon zu bleiben: gefixt.

Was die Story extrem spannend macht: Die Figur der Olivia Pope hat ein reales Vorbild – auch ein First für Shonda Rhimes. In 2009 traf sich Shonda mit Judy Smith, einer ehemaligen Mitarbeiterin des Weißen Hauses, die später eine Krisenmanagementfirma gegründet hat. Das Treffen war für weniger als eine halbe Stunde angesetzt. Tatsächlich dauerte es mehr als drei Stunden, in denen die Damen den Grundgedanken entwickelten, aus dem die Serie «Scandal» entstand. Wer das weiß, den wundert es nicht mehr, dass die Serie so authentisch rüberkommt. Auch wenn der politische Tenor und das Setting für die meisten Zuschauer erst einmal eher fremd sind, merkt man schnell, dass die Storylines nicht nur frei erfunden sind. Die besten Geschichten schreibt eben doch das Leben.
21.03.2013 18:02 Uhr  •  Uwe Walter Kurz-URL: qmde.de/62782