Renatus Töpke versucht dem besonderen Etwas von «The Walking Dead» auf die Spur zu kommen und entdeckt die Entschleunigung.
Spätestens mit dem Erfolg von «The Walking Dead», aller spätestens jedoch mit der Produktion des 200 Millionen Dollar teuren Zombie-Mega-Movies «World War Z», ist der Zombie im Mainstream angekommen. Liefen diese Genrefilme in den 70ern und 80ern noch im Bahnhofskino und wurden in der mittlerweile realsatirisch-belächelten Dokumentation 'Mama, Papa, Zombie' (neben Splatterfilmen im Allgemeinen) für den Niedergang der Moral verantwortlich gemacht, gibt es nun gar schon Zombiegeschichten für Kinder. Am Bahnhofskiosk gleich neben dem neuen Wendy-Heft und über der Bravo. Verrückte Welt. Der Schöpfer der Untoten, wie wir sie heute kennen, George A. Romero, hat seinerzeit bei den Dreharbeiten zu seinem Film «Die Nacht der lebenden Toten» (1967) sicher nicht gedacht, was er für eine Lawine lostritt.
«The Walking Dead» geht einen Schritt zurück. Die Zombies trotten durch die Wallachei und sind einfach überall. Das mag auch eines der Erfolgsrezepte der Serie sein, die mit dem zweiten Teil der dritten Staffel gerade wieder ihre eigenen Rekorde gebrochen hat: Entschleunigung. «The Walking Dead» ist selten hektisch. Spannend; ja, actionhaltig; ja. Doch die moderne, hysterische Hektik, die man aus den meisten der heutigen Filme und auch Serien kennt, geht «The Walking Dead» völlig ab. Und auch die Charaktere sind etwas ganz besonderes. Ohne sich jetzt festzulegen, ist «The Walking Dead» im besten Sinne character driven. Die Figuren handeln menschlich, benehmen sich so wie du und ich und gerade Polizist Rick – Dreh- und Angelpunkt der Serie und großartig von Andrew Lincoln dargestellt – offenbart alle paar Folgen neue Charakterzüge. Es ist schier atemberaubend zuzusehen, wie er das Leben seiner Frau und seines Sohnes über alles stellt. Und auch wie er damit umgeht, dass ihn seine Frau mit seinem besten Freund Shane betrogen hat (sie glaubt Rick sei tot, doch beendet die Liaison mit Shane in dem Moment, als Rick wieder in ihr Leben tritt), ist überraschend 'echt' und deswegen so ... cool. Da wird nicht groß getönt „Du hast mich betrogen!“ oder „Wie konntest du nur?“. Rick sagt „OK, du dachtest ich sei tot.“ Das ist einer der großen Momente bei «The Walking Dead». Eine deutsche Produktion hätte daraus wahrscheinlich einen großen Drama-Subplot gemacht, an dem am Ende einer dumm guckt. Nun gut, schlußendlich ist es Shane, der hier auf der Strecke bleibt: Im wahnsinnig dramatischen Vorbeben des Finales der zweiten Season, stehen sich Rick und Shane gegenüber. Und Rick weiß, er muss Shane zuvorkommen, bevor dieser etwas schlimmes tut. Um seiner Familie Willen. DAS ist einfach nur großes Kino. In Serie!
Alle Figuren in «The Walking Dead» sind nahezu perfekt geschrieben und gecastet. Mit einem Mastermind wie Frank Darabont («Die Verurteilten», «Der Nebel») in der Hinterhand und mit Gale Ann Hurt («Terminator») als Producerin kein Wunder. Typen, die im wirklichen Leben nie miteinander reden würden, müssen zusammen halten. Ein weitverbreitetes Klischee, gerade im Horrorbereich. Doch «The Walking Dead» umschifft ausgetretene Pfade und lässt Menschen menschlich sein. Kein strahlender Held weit und breit. Das der Kniff 'jeder kann draufgehen' wunderbar aufgeht, kommt hinzu. Auch wichtige Charaktere kann es jederzeit treffen. Wie zum Beispiel eben Shane. Niemand rechnet damit, dass eine der Hauptfiguren umgebracht wird. Das ist natürlich auch praktisch für die Produzenten; sollte einer der Schauspieler für die nächste Staffel zu viel verlangen, ist er weg vom Fenster.