Erfindet «Kokowääh 2» die Romantikkomödie neu oder wärmt Til Schweiger nur alte Ideen auf?
Wenn selbst die Fortsetzungsmaschinerie Hollywood ein Genre in Frieden lässt, muss dies etwas zu bedeuten haben. Weshalb Sequels zu Romantikkomödien eine absolute Rarität darstellen, ist rasch erklärt: Zwei Fremde treffen sich, finden Zuneigung füreinander, kommen zusammen. Ende. Wovon soll eine Fortsetzung bitte handeln? Til Schweiger traute sich bereits einmal ins kaum erforschte Gebiet der RomCom-Sequels vor, wo er sich erstaunlich tapfer schlug. «Zweiohrküken» nahm das sympathische, ungleiche Paar aus «Keinohrhasen», stellte die Frage, ob zwei so unähnliche Menschen wirklich glücklich bleiben können und brachte so einen plausiblen, neuen Plot ins Rollen. Humor und Charakterisierungen blieben auf dem Niveau des ersten Teils und so schuf Schweiger eine angemessene Weiterführung seines Publikumslieblings. „Was einmal klappt, klappt auch zweimal“, dachte sich da der Autor, Produzent, Hauptdarsteller und Regisseur. Also
Da wäre die ambitionierte Romanautorin Katharina (Jasmin Gerat), die nun wieder mit ihrem Ex-Freund Henry (Til Schweiger) zusammenlebt. Um ihre geistreichen Bücher kann sie sich aufgrund des Neugeborenen Louis und Henrys Schlampigkeit im Haushalt allerdings nicht kümmern. Also zieht sie von jetzt auf gleich radikal die Notbremse und bittet ihren stressigen Freund um eine Auszeit. Das gibt einem Großteil des Publikums die Gelegenheit, sich über die herrschsüchtige Frau aufzuregen, die zu faul ist, mal ein ruhiges Gespräch zu führen und lieber gleich ein Liebes-Aus auf Raten vorschlägt. Andere werden für sie Partei ergreifen, da mit einem Kerl wie Henry gewiss eh keine Diskussion möglich wäre – und vor allem ist es für Schweigers Leinwand-Alter-Ego die perfekte Gelegenheit, wieder einmal nach einigen Alltagsfehltritten (Huch, da fällt das Baby vom Wickeltisch! Ach, da zankt man sich mit dem Freund der Tochter!) mit liebevollen Albernheiten das Herz der störrischen Dame zu erobern. Und so intelligent sie sich auch verkaufen mag, am Ende ist natürlich der Kumpeltyp auf sozialer Ebene fähiger und in Gefühlsfragen eloquenter. Wenn er denn muss.
Dass Magdalenas Ziehvater Tristan (Samuel Finzi) sich nicht um die Liebeswirrungen des jungen Mädchens kümmert, liegt daran, dass das Drehbuch den bodenständigen, klugen Spießer in einen liebestollen Doofkopf mit seltsamen Sexproblemen und -vorlieben verwandelte. Die Charakterisierung Tristans ist vollkommen überzogen, kaum ist er mit seiner jungen Geliebten zu sehen, hoppelt er unausstehlich durchs Bild und zerrt nicht nur an Henrys Nerven, sondern auch an denen der Zuschauer. Nur sobald Henry in Sachen Erziehung als cool und modern bestätigt werden muss, mutiert Tristan wieder in sein altes Ich zurück. Aber egal ob als Spießer oder alterndes Sexhäschen: Finzi ist in dieser Rolle leider völlig verschenkt.
Während «Zweiohrküken» von Eifersucht und den Versuchen handelte, eine eingeschlafene Beziehung zu flicken, ist «Kokowääh 2» ein reines Sammelsurium an Versatzstücken von Til-Schweiger-Filmen, die nie Gestalt annahmen. Unter dieser Masse an Handlungsfäden, zwischen die sich auch allerhand Füllszenen der Marke „Da ist eine Alltagsanekdote, die unbedingt aufs Zelluloid muss“ mischen, kann sich am ehesten das Liebes-An-und-Aus zwischen Katharina und Henry entfalten. Diesen Plot wickelte Schweiger jedoch bereits in «Zweiohrküken» ab, und dort bei aller Derbe auch mit mehr Plausibilität. In «Kokowääh 2» dagegen ist Schweigers Rolle unterm Strich über alle Zweifel erhaben und was in «Zweiohrküken» Wochen an Seelenreperatur benötigte, vergeben und vergessen die Figuren hier innerhalb weniger Tage.
Aus der Last zahlloser Storys und zweier schwer vereinbarer Herzen, die in diesem Film schlagen, resultieren auch uneinige, gleichwohl flache Charakterisierungen. Henry ist … äh, ein Vorbild an moderner Männlichkeit. Katharina … widerspricht ihm. Und Magdalena ist eine supersüße Zicke. Unentwegt bettelt die Regie um Sympathie für die Figuren, doch ihr Verhalten ist zumeist unerträglich. Es sei denn, es ist gerade unrealistisch liebevoll, so dass das Happy End näher rücken kann. Stünde «Kokowääh 2» für sich, wäre der Film ein unter Ideen erstickendes, chaotisches Experiment, ob Romantikkomödien für eine Fortsetzung taugen. In einer Filmwelt, in der «Zweiohrküken» existiert, ist «Kokowääh 2» dagegen wie eine mies arrangierte Coverversion eines netten Popsongs: Anstrengend, trotzdem sicherlich gewinnbringend und am Ende heißt es wieder, seine Kritiker wären nur Spielverderber.
So zerfressen von seiner schalen Kino-Karriere ist die «Kokowääh 2»-Version Schweighöfers, dass sie sich während ausgelassener Partys mit seinen Groupies einschließt und manisch mit seinem Revolver rumspielt oder mit Tränen in den Augen seiner Katze namens Muschi beichtet, in ihr seine Seelenverwandte gefunden zu haben. Schweighöfer chargiert gekonnt zwischen todtraurig, stinkwütend und überengagiert und macht gewaltig Lust auf eine absurde Filmbusiness-Persiflage mit ihm in der Hauptrolle und gerne auch Schweiger als Autor und Regisseur. In «Kokowääh 2» steckt eh das Grundgerüst für «VielKoksNasen» oder ein ähnliches Projekt. Es ist an der Zeit, dass Schweiger seinen Filmbusiness-Zynismus nutzt, um ihm einen eigenständigen, originellen Film zu widmen. Dazu muss er nur mal seine ewig gleichen Beziehungskisten und die langsam alt werdende Selbstbeweihräucherung vor der Tür lassen. Til, du schaffst das. Du musst es nur wollen!