'RTL hat den Markt unglaublich aufgelockert'

Exklusiv-Interview mit Frank Elstner Fernseh-Urgestein Frank Elstner redet über Stationen seiner Karriere, aktuelle Verhältnisse in den Medien und die Zukunft von sich und dem Fernsehen.

Herr Elstner, in Ihrer Autobiographie "Wetten Spaß" haben Sie auf der ersten Seite geschrieben, dass Sie selbst mal mit sich gewettet hätten, nie ein Buch über Ihr Leben schreiben zu wollen. Diese Wette haben Sie ganz offensichtlich verloren. Wie kam es?
Das war ganz einfach: Ich bin im vergangenen Jahr siebzig Jahre alt geworden und auf einmal kamen aus allen Ecken und Enden die Glückwunsch-Menschen und aus allen Verlagen das Angebot "Komm, mach ´ne Biographie!". Der Herr Herder vom Herder Verlag hat das so sympathisch gemacht, dass ich mich dem nicht entziehen konnte und einfach nur freundlich reagiert habe.

Sie haben aber auch in dem Buch angegeben, dass Sie die Fähigkeit entwickelt hätten, Dinge aus der Vergangenheit zu verdrängen und nicht zu viel zurückzublicken. Wie war denn dann das Schreiben von "Wetten Spaß" überhaupt möglich?
Ach Gott, es kommt immer darauf an, was man verdrängt. Es sind mit Sicherheit viele Dinge, die ich verdrängt habe, in dem Buch gar nicht wieder aufgetaucht. Sie erleben natürlich als Leser nur einen kleinen Teil von dem, was ich erlebt habe. 70 Jahre sind einfach viel zu lang und ein Buch mit 250 Seiten einfach viel zu kurz. Also da hatte ich überhaupt nie Probleme.

Der Verlauf Ihrer Biographie zeigt aber auf jeden Fall, was Sie im Laufe Ihrer Karriere so alles waren und gemacht haben: Hörspiel-Sprecher, Moderator, Erfinder, Produzent und mehr. Im Vorspann der «Show für Deutschland», die Sie moderierten, wurden Sie als "Mister Entertainment" angekündigt. Wie sehen Sie sich denn selber?
Also als "Mister Entertainment" würde ich mich überhaupt gar nicht sehen. Ich bin auch nie ein Entertainer im klassischen Sinne gewesen. Ein Entertainer ist so ein Typ wie Rudi Carrell. Der konnte singen, tanzen, mit dem Ballett eine große Show-Treppe runtergehen, sozusagen durch alle Winkel der Show-Branche ziehen und dabei immer noch für gute Unterhaltung sorgen. Das habe ich nie gelernt. Ich bin eigentlich ein Journalist, der Unterhaltung macht.

Nochmal kurz zurück zur «Show für Deutschland»: Haben Sie sich inzwischen schon wieder mit Lena vertragen?
Ich hatte überhaupt keine Auseinandersetzung mit ihr, sondern sie hat in einem Interview, das ich mit ihr geführt habe und wo ich ihr helfen wollte, diesen schweren Tag leichter zu überstehen, mich höchstwahrscheinlich eher als Nervenbelastung gesehen, weil einer überhaupt noch so kurz vor ihrem Auftritt ein Interview mit ihr macht. Sie war einfach genervt. Ich habe mit ihr überhaupt keine Probleme.

Die ganze Medienarbeit wurde von Ihnen, laut einer Aussage aus "Wetten Spaß", immer mit Ernährung in Verbindung gebracht. Woher kam denn dann, trotz des ständigen, belastenden Gedankens an dieses Existenzielle, Ihre Kreativität und der Spaß an der Arbeit?
Das ist höchstwahrscheinlich genetisch bedingt. Meine Mutter und mein Vater waren Künstler und die hatten keine Denkgrenzen. Aber wenn es einem nicht so gut geht, vor allem wirtschaftlich nicht so gut geht, dann macht man sich natürlich Gedanken, wie man das verbessern kann. Gerade wenn man unter Druck lebt, hat man manchmal die Chance, mehr zu leisten als man sich vielleicht zugetraut hätte. So ist das bei mir gewesen.

Passt dazu auch diese innere Unruhe, die Sie sich selbst in dem Buch zuschreiben und die Sie ja auch immer dazu getrieben hat, Sendungen meist nicht länger zu moderieren, als es unbedingt nötig war?
Na ja, Unruhe ist wohl nicht das richtige Wort. Es ist wahrscheinlich Ungeduld. Wenn man viele Ideen hat, dann möchte man sich nicht an einer so festbeißen, dass daraus etwas entsteht, was die Kreativität auf anderen Gebieten bremst.

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Durch Ihre Arbeit beim SWF hatten Sie schon in jungen Jahren viel Kontakt mit Schauspielern wie Theo Lingen oder Gustav Knut, haben das Fach der Schauspielerei aber als eines der wenigen aus der Medienbranche nicht weiter betrieben. Haben Sie dafür bei sich das nötige Talent nie gesehen oder haben es andere nie gesehen?
Die anderen haben das Talent eigentlich mehr gesehen als ich. Aber ich habe festgestellt, nachdem ich ein paar Mal Theater in Karlsruhe gespielt hatte, dass das letzten Endes nicht mein Ding ist, mehrere Abende hintereinander immer wieder das Gleiche zu sagen - nämlich das Auswendiggelernte aus der Rolle, die man darstellt. Ich bin später ein Live-Mann geworden und ich bin ein Radio-Mann geworden. Da scheut man sich davor, zu vieles zu wiederholen. Der Beruf des Schauspielers hat nun mal existenziell wahnsinnig viel mit Wiederholung zu tun und das ist einfach nicht mein Ding.

Beim Radio war natürlich Radio Luxemburg Ihre große Berufung. In "Wetten Spaß" beschreiben Sie auch die Seele der Luxemburger. Es kommt u.a. zur Sprache, wie sehr das Volk sich von Peer Steinbrück erniedrigt gefühlt habe, als der 2009 als Bundesfinanzminister die Steuerpolitik des Landes kritisiert hatte. Ihnen hat das auch missfallen. Heute ist Steinbrück SPD-Kanzlerkandidat. Schockiert Sie das genauso?
Also da sage ich Ihnen klipp und klar: Da werden Sie von mir kein Sterbenswörtchen über die Lippen kriegen, weil ich mir vorgenommen habe, vor allen Dingen in Zeiten von Wahlen, meine politische Meinung nicht nach draußen zu geben. Ich habe in keiner Weise Lust, für irgendjemanden einen Steigbügel zu halten.

Da kommt der Samstagabend-Showmaster durch...
Genau!

Also werde ich auch nichts zu Joachim Gauck von Ihnen hören, den Sie im letzten Jahr in der Bundesversammlung für die CDU mitgewählt haben?
Zu dem können Sie gerne von mir hören, dass ich glaube, dass wir einen sehr guten Bundespräsidenten haben.

Nach Ihrer Zeit bei Radio Luxemburg waren Sie ja dann auch bei Radio Television Luxemburg, also RTL, beschäftigt. Wie würden Sie die Rolle des Senders heute bewerten?
Dazu muss ich Ihnen mehrere Antworten geben: Erstmal hieß Radio Luxemburg damals noch nicht RTL, sondern nur Radio Luxemburg. Den Namen RTL habe ich eingeführt als ich noch Programmdirektor bei Radio Luxemburg war. Das hatte einen ganz einfachen Grund: Der Sender hatte ja eine französische Sektion, eine englische Sektion und in Frankreich hieß Radio Luxemburg von Anfang an RTL. In Deutschland hatten wir überall die Abkürzungen: WDR, SWF, NDR. Die deutschen Anstalten hatten immer die drei Buchstaben und dann habe ich damals gesagt: "Ich möchte gerne, dass wir auf dem gleichen Niveau verglichen werden wie WDR, NDR, SWR, SDR, SR, HR" und habe die Buchstaben RTL nach Deutschland gezogen. Erst danach hat sich das Fernsehen entwickelt. In den letzten Jahren, die ich noch verantwortlich für Radio Luxemburg war, hießen wir im Radio auch schon RTL. Dann kam die Fernsehentwicklung, die natürlich anfing mit einem äußersten Billigprogramm, weil kein Mensch wusste, wie man sich auf diesem Markt hält, wie Deutschland überhaupt eine Privatisierung aushält.

In solchen ersten Jahren schmeißt man nicht zu viel Geld zum Fenster raus. Das hat man auch an der Programmqualität gemerkt, aber heute ist RTL nicht mehr wegzudenken aus der deutschen Senderlandschaft. Es ist sehr erfolgreich und es hat einen zwar speziellen, aber für die Zuschauer sicher auch interessanten Weg genommen, weil es zum Teil Programmalternativen zeigt, die andere eben nicht zeigen. Ich bin nicht derjenige, der hingeht und sagt, was irgendwo schlecht ist, sondern ich versuche - und das ist auch ein Lebensmotto von mir - immer das Gute zu sehen. Und das Gute von RTL ist auf jeden Fall, dass es den gesamten Markt unglaublich aufgelockert hat.

Das Verhältnis von Radio und Fernsehen haben Sie in Ihrer Karriere genau kennengelernt. Heute kommen die neuen Medien hinzu. Wo sehen Sie die Vor- und Nachteile dieser Sparten in Zukunft?
Insgesamt kann ich Ihnen dazu sagen: Ich habe das unglaubliche Glück gehabt, dass ich mit meinem Geburtsjahrgang 1942 vom Krieg nicht mehr viel mitbekommen habe und dass ich sozusagen jetzt 70 Jahre in einer Friedensgemeinschaft lebe mit einer unglaublichen technischen Entwicklung. Was in den letzten Jahren passiert ist, nicht nur durchs Internet, sondern überhaupt durch die Entdeckungen in der Wissenschaft, das ist so revolutionär! In den letzten zehn Jahren ist wahrscheinlich mehr entdeckt worden, als in 2000 Jahren davor. Wir können heute nicht hingehen und sagen "Das wird morgen so sein...!". Wenn ich gestern Abend im Fernsehen gesehen habe, dass es einen 3D-Drucker gibt und man sich womöglich in Zukunft Waffen noch zu Hause ausdrucken kann, dann wissen Sie, was ich damit sagen möchte.

Der zweite Teil des großen Exklusiv-Interviews mit Frank Elstner erscheint am Montag – bei Quotenmeter.de
09.02.2013 08:09 Uhr  •  Gregor Elsbeck Kurz-URL: qmde.de/61960